Zusammenfassung
Nach zwei im größeren Rahmen organisierten Frauenforschungstagungen, 1987 in Bielefeld mit dem Titel „Frauen in Bewegung. Der feministische Blick auf Sporttheorie, Sportpraxis und Sportpolitik“ und 1990 in Münster, konstituierte sich die Kommission „Frauenforschung in der Sportwissenschaft“ unter dem Dach der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) 1991.
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Notes
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Krais (2001) kritisierte als erste das Geschlechterrollenkonzept (Parsons 1942), das z. B. für die Analyse institutionalisierter Machtbeziehungen unzureichend sei und sich vornehmlich auf gesellschaftliche Erwartungen richte, die die Individuen durch die Übernahme einer Rolle erfüllen sollen. Doch bis in die Gegenwart wird dieser Begriff selbst in Arbeiten verwendet, in denen es um die Konstruiertheit von Geschlecht geht, wenn auch ohne Bezug auf seine theoretische Herkunft (Sobiech 2010, S. 556 f.).
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Dieser Ansatz, der Frauen aufgrund patriarchaler Vergesellschaftung einen Mangel an denjenigen Fähigkeiten zuschreibt, mit denen sie sich strukturell gesehen erfolgreich im sozialen Raum positionieren und mit denen sie sich auf der Handlungsebene erfolgreich gegen Übergriffe jedweder Art wehren können, wird als Defizitansatz bezeichnet.
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Unterstellt wird zudem, dass geschlechtsspezifische Eigenschaften, Erfahrungen und Potenziale existieren ohne die Differenz innerhalb der Genusgruppen wahrzunehmen und damit die Möglichkeit, dass in einer Gruppe mehr Frauen und Männer etwas gemeinsam haben als z. B. die Frauen untereinander, ausgeschlossen wird.
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Wenn bsplw. Frauen sich in männlich konnotierten Räumen bewegen, ‚vermännlichen‘ sie, werden zu ‚Mannweibern‘ und umgekehrt ‚verweiblichen‘ Männer, wenn sie sich in ‚weiblich‘ konnotierten Räumen bewegen, sie werden nicht selten als homosexuell stigmatisiert. Allerdings haben Frauen stärker als Männer die Chance außerhalb des Sports zu zeigen, dass sie dem gesellschaftlichen Attraktivitätsideal entsprechen, also ‚richtige‘ Frauen sind.
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Die Herausgeberinnen und Autor_innen verwenden die queer-feministische Schreibweise des Gender_Gap (S_he). Der Unterstrich steht für eine linguistische Inklusion aller Geschlechter, die das hegemoniale Modell der Zweigeschlechtlichkeit nicht abdeckt. Der Unterstrich „unterstreicht“ somit die Lücke die bei der Wahl einer maskulinen und/oder femininen Endung eines Wortes entsteht.
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Sobiech, G., Günter, S. (2017). Von der Frauen- zur Geschlechterforschung: Theoretische Ansätze und Entwicklungen in der Geschlechterforschung der deutschen Sportwissenschaft. In: Sobiech, G., Günter, S. (eds) Sport & Gender – (inter)nationale sportsoziologische Geschlechterforschung. Geschlecht und Gesellschaft, vol 59. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13098-5_1
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