Zusammenfassung
Der Artikel analysiert Let’s Play-Videos als Remediatisierung des Computerspiels. Besonderes Augenmerk wird auf Effekte des Umstands gelegt, dass im Let’s Play-Video das für das Spiel konstitutive Moment der Steuerung tendenziell wegfällt, während demgegenüber die medial-inszenatorischen Funktionen des Computerspiels, insbesondere die im Spiel verarbeiteten filmischen Formen, prominent gemacht werden. Insbesondere anhand der analytischen Kategorien von Transparenz und Opazität wird hergeleitet, dass das Let’s Play-Video auf Basis dieser medienästhetischen Strategie einerseits potenziell als mächtiges Reflexionsmedium des Computerspiels fungiert, während es andererseits gerade aufgrund derselben Strategie das Computerspiel als Ideologem zu stützen nicht ganz vermeiden kann.
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Notes
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Beispielsweise benutzen Shades of Doom, BlindSide und Papa Sangre den Audiokanal als Mittel für Feedback. Und obwohl bildschirmgebunden funktionieren z. B. auch die frühen, reinen Textadventures wie Adventure, Adventureland oder ZORK nicht „filmisch“ sondern eher „literarisch“. Bezeichnenderweise sind solche „nicht-filmischen“ Computerspiele aber auch nur selten Gegenstand von Let’s Play-Videos. Wenn das ausnahmsweise doch geschieht, hat man es allerdings mit medienwissenschaftlich besonders interessanten Konstellationen zu tun, deren eingehendere Analyse hier leider aus Platzgründen nicht weiter verfolgt werden kann.
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Vgl. Rauscher (2015): Rauscher schlägt eine Unterscheidung zwischen filmischer Mise en Scène und spielspezifischer Mise en Game vor und stellt dabei fest: „Im Unterschied zur filmischen Mise en Scène muss eine Mise en Game den Spielern an entscheidenden Stellen die kreative Kontrolle zwar nicht unbedingt über die ästhetische Konzeption, aber zumindest über deren Konfiguration überlassen." (Rauscher 2015, S. 92).
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Eine Ausnahme bilden Cutscenes. Diese wiederum stellen allerdings eine maximale Störung des kybernetischen Steuerungskreislaufs dar; s. u.
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Das heißt nicht, dass die SpielerIn bei der Rezeption einer cutscene nicht ggf. auch, wie eine ZuschauerIn, in diesen anderen Modus „Rezeption“ umschalten und die Szene transparent wahrnehmen könnten (vgl. Newman 2007, S. 446). Aber eine Unmittelbarkeitserfahrung auf Basis von erlebter Selbstwirksamkeit innerhalb der Spielwelt wird unterbrochen. Man spielt nicht mehr, sondern rezipiert. Diese Unterscheidung ist keine normative, sondern eine qualitative – aber als solche macht sie eben einen Unterschied.
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Hierin liegt auch der Grund, warum In-game photography so erfolgreich ist. Moderne Computerspielwelten sind aus dem o. g. Grund maximal darauf optimiert, aus möglichst jedem Blickwinkel und zu möglichst jedem Zeitpunkt „gut auszusehen“.
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Wie gesagt, wird die Analyse hier auf formalästhetische Effekte beschränkt. Tatsächlich zeigen Let’s PlayerInnen z. B. regelmäßig die Tendenz, diesen Effekt auf der Kommentarebene zu konterkarieren. Am sinnfälligsten wird das durch die häufigen sprachlichen Wechsel in Bezug darauf, wer da eigentlich handelt: „Ich“ (die Let’s Playerin), „er/sie“ (der Avatar) oder auch „wir“ (Let’s Playerin und Avatar in Symbiose).
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Schemer-Reinhard, T. (2017). Let’s Play without Controller. Zu den Effekten des Verschwindens der Steuerung im remediatisierten Game. In: Ackermann, J. (eds) Phänomen Let´s Play-Video. Neue Perspektiven der Medienästhetik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12936-1_5
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