Zusammenfassung
Im Rahmen dieses Artikels wird ein möglicher Beitrag der Bildungssoziologie zur wissenschaftlichen Verobjektivierung bzw. Erforschung von Prekarisierungsprozessen geleistet. Hierfür wird eingangs eine Schärfung des Verständnisses von Bildungssoziologie vorgenommen und mit Bezug auf Prekarisierungsprozesse hin forschungspraktisch geschärft.
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Notes
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Kant fasst transzendentale Erkenntnis als eine Reflexionsstrategie, durch die sich das Denken bzw. das sich reflektierende Individuum selbst erkennt. „Daher ist weder der Raum, noch irgendeine geometrische Bestimmung desselben a priori eine transzendentale Vorstellung, sondern nur die Erkenntnis, daß diese Vorstellungen gar nicht empirischen Ursprungs sind, und die Möglichkeit, wie sie sich gleichwohl a priori auf Gegenstände der Erfahrung beziehen könne, kann transzendental heißen“ (Kant 1956, S. B80 f., S. A56). Diese spezifische Form der Reflexion – das Erkennen, dass Wirklichkeitsverständnisse und Wirklichkeitskonstruktionen und -bezüge vom erkennenden Individuum ausgehen –, ermöglicht Identität im Sinne einer kohärenten Erfahrung des Selbst, das sich selbstdifferenzierend im Sinne des Transzendentalen reflektieren kann.
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Unter einem Narrativ ist in erster Linie „eine kollektive gesellschaftliche Erzählung zu verstehen, die keiner singulären Autorinstanz als Ursprung zugerechnet werden kann […] Narrative lösen das Problem der Entropie, des ewigen Rauschens von Eindrücken und Informationen, die nicht nach Relevanzkriterien gefiltert werden können und deshalb lähmend wirken“ (Schreiber 2015, S. 20).
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Maya et al. (2013) arbeiten in einer Studie, die sich mit den Erfahrungen von Castingshow-TeilnehmerInnen auseinandersetzt, heraus, wie sehr mediale Inszenierung der KandidatInnen sowie Selbstbild und Selbsterfahrungen der KandidatInnen divergieren und dieses Divergieren Leidensdruck hervorruft.
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Entwicklungsaufgaben entstehen in der Auseinandersetzung des Individuums mit den gesellschaftlichen normativen Anforderungen, die sich an die Entwicklung des Individuums richten. Im Idealfall spielen die kognitive Entwicklung des Sozialisanden und normative Anforderungen zusammen, wie die gesellschaftliche Erwartung, das Lesen und Schreiben zu erlernen, an Kinder im Alter von 5–8 Jahren gerichtet wird und mit deren kognitiver Kompetenz korrespondiert. Werden diese Entwicklungsaufgaben nicht gemeistert, drohenVersagenserfahrungen und Formen gesellschaftlicher Stigmatisierung: „A developmental task is a task which arises at or about a certain period of life of the individual, successful achievement of which leads to his happiness and to success with later tasks, with failure leads to unhappiness in the individual, disapproval by the society, and difficulty with later tasks“ (Havighurst 1972, S. 6).
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‚Subjection‘ signifies the process of becoming subordinated by power as well as the process of becoming a subject. Whether by interpellation in Althusser’s sense, or by discursive productivity, in Foucault’s, the subject is initiated through a primary submission to power (Butler 1997, S. 2).
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Kergel, D. (2016). Bildungssoziologie und Prekaritätsforschung. In: Hepp, R., Riesinger, R., Kergel, D. (eds) Verunsicherte Gesellschaft. Prekarisierung und soziale Entkopplung - transdisziplinäre Studien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12902-6_9
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