Zusammenfassung
Der Beitrag hat das Ziel, den Gehalt der Begriffe objektive und wirkliche Vernunft, subjektive oder instrumentelle Vernunft und die Konzeption der Überwindung ihres Gegensatzes möglichst klar, aber auch durchaus kritisch zu vergegenwärtigen. Kritische Theorie behauptet, dass die Vernunft in der Gesellschaft wirklich sei, aber sie verneint die Konzeption, dass ihre Widersprüche in jeweils höheren Stufen eine Auflösung finden können und zugleich in der Wirklichkeit aufgehoben seien.
Horkheimer wird im Beitrag als exemplarisch für die Kritische Theorie und die Kritik der instrumentellen Vernunft nicht nur als Popularisierung der Dialektik der Aufklärung, sondern als notwendige Ergänzung verhandelt. So wesentlich auch die Änderungen sind, die Horkheimers Denken bei der Arbeit an der Dialektik der Aufklärung erfährt, es bleibt fundiert auf dem Konzept der wirklichen Vernunft in unvernünftiger Form, die er der Marxschen Theorie verdankt. Generell ist Vernunft ambivalent: Zwar ist begriffliches Denken ein Instrument der Herrschaft, aber es enthält auch die Perspektive wahrer Allgemeinheit.
Horkheimers Kritik der instrumentellen Vernunft enthält eine eingehende Kritik der Grundannahmen der Theorien subjektiver Vernunft. Dass kritische Theorie die strikte Trennung von Sein und Sollen, theoretischer und praktischer Vernunft, nicht akzeptiert, ist ein Ausdruck dafür, dass sie einem Konzept „objektiver Vernunft“ zuneigt, in dem die vernünftigen Ziele des Menschen aus der Erkenntnis seiner Welt, der Natur und der Gesellschaft bestimmt werden. Für Horkheimer stellt Würde einen Gegenbegriff zur instrumentellen bzw. subjektiven Vernunft dar, denn die Idee der Menschenwürde behauptet das Individuum als Zweck an sich, aber nur auf Grundlage der Anerkennung eines objektiven, das Individuum übersteigernden Zusammenhangs.
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Notes
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Die Bezeichnungen sind sinnlos, weil das, was Wert schafft, nicht zugleich Wert sein kann. Marx zufolge ist Lohn der Preis der Arbeitskraft, die von ihrem Käufer in der Produktion „konsumiert“ wird.
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Bacon, so die übliche Einteilung, gehört zu den Empiristen, sein jüngerer Zeitgenosse Descartes zu den Rationalisten. In der Setzung der Naturbeherrschung als Zweck von Philosophie und Wissenschaft sind sie sich einig: Es sei möglich, so Descartes „zu Kenntnissen zu kommen, die von großem Nutzen für das Leben sind, (…) so dass wir (…) uns zu Herren und Eigentümern der Natur machen könnten.“ „Vernunft“, so heißt es an anderer Stelle, „ist ein Universalinstrument, das bei allen Gelegenheiten zu Diensten steht (…).“ (Descartes 1960, S. 101 und S. 93) In Artikel 50 seiner Abhandlung über Die Leidenschaften der Seele beschäftigt sich Descartes mit der Frage, wie die Seele eine „absolute Macht über die Leidenschaften erlangen kann“. Die Antwort heißt: „si on employoit assez d’industrie à les dresser & à les conduire/ wenn sie [die Menschen] sich genügend mit Geschicklichkeit bemühen, sie [die Leidenschaften] zu dressieren und zu leiten.“ (Descartes 1984, S. 88 f.).
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Das gilt auch von Fügungen wie „Hegel-Marxismus“, „Nietzsche-Marxismus“ oder „Freud-Marxismus“. In ihnen wird nicht nur auf einen „Einfluss“ hingewiesen, sondern es werden Etiketten gestanzt, die Gegensätze vereinigen statt sie auszutragen.
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Die Rationalitätsproblematik spielt schon bei Marx und Engels eine prominente Rolle. Im Manifest der kommunistischen Partei, nicht eben eine marginale Schrift seiner Autoren, findet sich eine oft zitierte Stelle, in welcher der Bourgeoisie zugeschrieben wird, sie habe „die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei (…) in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst (…) Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen.“ (MEW 4, S. 464 f.)
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Vgl. Egoismus und Freiheitsbewegung (1988g, S. 59): „Max Weber hat den rationalistischen Zug des bürgerlichen Geistes hervorgehoben, der irrationalistische ist von Anfang an mit seiner Geschichte nicht weniger verknüpft.“ Vgl. auch die scharfe Kritik, die Adorno in seiner letzten Schrift, den Marginalien zu Theorie und Praxis an Weber geübt hat. Er muss Böses geahnt haben.
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Vgl. Horkheimer and Adorno 1969, S. 103, 110. Das Apatheia-Ideal war freilich auch bei namhaften Stoikern nicht unumstritten. Panaitios lehnt es ab; vgl. Max Pohlenz 1950, S. 250. Die Stoa ist für Horkheimer auch deshalb wenig anziehend, weil sie, im Unterschied zu Platon, vom Rückzug ins Private, der Autarkie, ausgeht; vgl. Horkheimer 1991, S. 141 f.
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Ausführlicher und zugleich nüchterner heißt es bei Poseidonius: „Die schöpferische Natur knüpft in allmählichem Übergange die verschiedenen Stufen des Seins aneinander, so dass die ganze Schöpfung eine in sich verwandte Einheit ist. (…) Durch schrittweise fortschreitende Verwandtschaft und Veränderung des Wesens verknüpfte sie alle (erg.: Gattungen der Geschöpfe) miteinander, so dass nicht schroff getrennt sind die ganz unbeseelten Dinge von den Pflanzen, die in sich die Fähigkeit zur Selbsternährung tragen, diese wieder nicht von den mit sinnlicher Wahrnehmung ausgestatteten Lebewesen, noch wieder die unvernünftigen Lebewesen von den den vernunftbegabten durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt sind (…).“ (Pohlenz 1950, S. 316).
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Es bliebe ausgedehnten Mußestunden vorbehalten, der Frage nach der Wirkung von Karl Reinhardt, der in den zwanziger Jahren in Frankfurt klassische Philologie lehrte, auf Benjamin und Adorno nachzugehen. Seine Untersuchungen über Parmenides, Platon und Poseidonius (Vgl. Reinhardt 1926) sollen in den 20er- und 1930er-Jahren sehr einflussreich gewesen sein.
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Vgl. Klein 2009, S. 29: „(…) eine mächtige Allianz von einigen wenigen Großunternehmen und einer Schicht größtenteils reicher Politiker (hat) ganz und gar nicht den Markt vom Staat befreit, sie haben sich einfach zusammengetan und sich den Zugriff auf kostbare Ressourcen gesichert, die zuvor im öffentlichen Bereich angesiedelt waren (…)“.
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In Unterscheidung von den sozialen Voraussetzungen meine ich mit den natürlichen v. a. den aufrechten Gang, Hirnwachstum und Instinktreduktion, entspezialisierte Wahrnehmung und Sprache. Bei den sozialen Voraussetzungen wäre an die materielle Produktion in Unabhängigkeit vom unmittelbarem Bedürfnis, an kulturelle Formung der Triebe und Affekte und wiederum an die Sprache zu denken.
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Schiller, HE. (2019). Die Perspektive des Denkens: Horkheimers Begriff der Vernunft. In: Bittlingmayer, U., Demirović, A., Freytag, T. (eds) Handbuch Kritische Theorie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12695-7_16
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