Zusammenfassung
Ein Gespenst geht um in der europäischen Philosophie – das Gespenst des Films. Der vorliegende Band will dieser in den letzten Jahren verstärkt zu konstatierenden Auseinandersetzung kontinentaler Philosophen mit dem Medium Film nachspüren. Dabei liegt der Fokus auf dem US-Kino der klassischen Studio-Ära, das neben kanonischen „Klassikern“ des Art Cinema signifikanterweise auch den privilegierten Gegenstand der philosophischen Rezeption bildet. Französische Poststrukturalisten wie Gilles Deleuze, Jacques Rancière, Alain Badiou und Jean-Luc Nancy, slowenische Neo-Lacanianer wie Slavoj Žižek, Jean Copjec und Mladen Dolar, aber auch deutsche Postadorniten wie Martin Seel und Josef Früchtl, sie alle widmen sich intensiv einer Neu-Rezeption des Classical Hollywood. Dabei erschöpft sich ihre Beschäftigung mit dem Untersuchungsobjekt weder in einer reduktiven Ideologiekritik noch in einer abstrakten Arbeit am Begriff. Stattdessen ist ein ernsthaftes Interesse an Ästhetik, Politik und Metaphysik des klassischen Hollywood-Kinos festzustellen. Angesichts dieser Begegnung des Classical Hollywood mit der europäischen Philosophie lassen sich bisherige Forschungsergebnisse zur Geschichte des US-Kinos revidieren und eine der zentralen filmhistorischen Epochen neu lesen. Einen Versuch, diese Re-Lektüre simultan zu bilanzieren wie auch weiter voran zu treiben, stellt der Band „Classical Hollywood und kontinentale Philosophie“ dar.
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Notes
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Siehe dazu die vielbändigen Reihen des analytischen Philosophen Willam Irwin, die bei Open Court Publishing und Wiley-Blackwell herausgegeben werden. Irwins Projekt ist dezidiert eines der Demokratisierung von Philosophie, das sich allerdings Vorwürfen von Popularisierung und Trivialisierung nicht immer erwehren kann.
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Beispielhaft dafür können etwa stehen: Žižek 2001 sowie Žižek et al. 2002, aber auch die analytischen Ansätze von Litch 2002; Falzon 2005; Rowland 2005; Peters und Rolf 2006 oder Rustemeyer 2013. Letzterer formuliert ohne Umschweife ganz explizit das Programm seiner Monografie: „In diesem Buch benutze [Hervorh. I.R.] ich Filme, um aus ihnen philosophische Einsichten zu gewinnen“ (S. 17).
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Siehe dazu ausführlich den Beitrag von Ivo Ritzer in diesem Band.
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Für eine instruktive Position zur Frage von Glauben und Vertrauen an respektive in die Welt, gleichsam mit Bezug zu Deleuze wie Stanley Cavell, siehe die Monografie von Josef Früchtl (2013).
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Zu einer stärkeren Emphase von formalanalytischen wie rezeptionsästhetischen Fragen vis-à-vis Rancières politischer Kunsttheorie siehe Martin Seels kunstphilosophische Intervention (2013).
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Es geht hier mithin nicht um einen cinéphilen Diskurs, der Dwans Arbeiten im Sinne eines Genre-Auteurismus perspektiviert. Zur Theorie von Genre wie Auteur sowie deren cinéphile Aufhebung siehe in extenso Ritzer 2009.
Literatur
Badiou, Alain. 2000. Deleuze: The clamor of being. Minneapolis: University of Minnesota Press.
Badiou, Alain. 2001. Kleines Handbuch zur In-Ästhetik. Wien: Thuria & Kant.
Badiou, Alain. 2008. Conditions. London: Continuum.
Badiou, Alain. 2013. Cinema. Cambridge: Polity.
Bazin, André. 1975. Was ist Kino? Bausteine zur Theorie des Films. Köln: DuMont Schauberg.
Cavell, Stanley. 1971. The world viewed: Reflections on the ontology of film. New York: Viking.
Cavell, Stanley. 1981. Pursuits of happiness: The Hollywood comedy of remarriage. Cambrige: Harvard University Press.
Deleuze, Gilles. 1989. Das Bewegungs-Bild: Kino 1. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Deleuze, Gilles. 1991. Das Zeit-Bild: Kino 2. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Elsaesser, Thomas. 2012. The persistence of Hollywood. London: Routledge.
Falzon, Christopher. 2002. Philosophy goes to the movies: An introduction to philosophy. London: Routledge.
Früchtl, Josef. 2013. Vertrauen in die Welt: Eine Philosophie des Films. Paderborn: Fink.
Litch, Mary M. 2002. Philosophy through film. London: Routledge.
Nancy, Jean-Luc. 2005. Evidenz des Films: Abbas Kiarostami. Berlin: Brinkmann und Bose.
Peters, Jörg, und Bernd Rolf. 2006. Philosophie im Film. Bamberg: Buchner.
Rancière, Jacques. 2005. Politik der Bilder. Zürich: Diaphanes.
Rancière, Jacques. 2006a. Die Aufteilung des Sinnlichen: Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien. Berlin: bbooks.
Rancière, Jacques. 2006b. Film fables. Oxford: Berg.
Rancière, Jacques. 2008. Das Unbehagen in der Ästhetik. Wien: Passagen.
Rancière, Jacques. 2012. Und das Kino geht weiter: Schriften zum Film. Berlin: August.
Ritzer, Ivo. 2009. Walter Hill: Welt in Flammen. Berlin: Bertz + Fischer.
Rowland, Mark. 2005. The philosopher at the end of the universe. London: Ebury.
Rustemeyer, Dirk. 2013. Darstellung: Philosophie des Kinos. Weilerswist: Velbrück Verlag.
Seel, Martin. 2013. Die Künste des Kinos. Frankfurt a. M.: Fischer.
Žižek, Slavoj. 2001. The fright of real tears: Krzysztof Kieślowski between theory and post-theory. London: BFI.
Žižek, Slavoj, et al. 2002. Was Sie immer schon über Lacan wissen wollten und Hitchcock nie zu fragen wagten. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
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Ritzer, I. (2015). Einleitung: Classical Hollywood und kontinentale Philosophie. In: Ritzer, I. (eds) Classical Hollywood und kontinentale Philosophie. Neue Perspektiven der Medienästhetik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06620-8_1
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