Zusammenfassung
Wir erleben derzeit einen Veränderungsprozess der Kulturpolitik, der ihren Auftrag, ihre institutionelle Struktur, ihre Programme und Methoden sowie ihre Akteure und Adressaten betrifft. Dabei handelt es sich nicht um einen radikalen Wechsel in Inhalt und Form, sondern um ergänzende Optionen zur regulativen Kulturförderung, die eher dem Modus der aktivierenden und strukturbezogenen Politik entsprechen. Der vorliegende Aufsatz beabsichtigt, eine Beschreibung und Einschätzung dieser Entwicklung vorzunehmen sowie die Gelingensbedingungen als auch die Risiken dieser Kulturpolitikvariante zu benennen.
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Notes
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Selbstverständlich erschöpft sich Kulturpolitik nicht in Kulturförderung, sondern beinhaltet auch die Gestaltung ordnungspolitischer Rahmenbedingungen (z. B. Steuerrecht, Künstlersozialversicherung, Zuwendungsrecht, Urheberrecht etc.). Dieser Aspekt bleibt hier ausgeblendet.
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Gemeint ist damit eine Kulturförderung, die aus ‚Leidenschaft‘ und ‚Liebe‘ zur Kunst betrieben wird; dem entsprechen sowohl ein bestimmter Typus des Kulturförderers als auch typische Legitimationsmuster und Verfahren.
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Beispielhaft dafür ist nicht zuletzt das Diktum des Kulturpolitikreformers Alfons Spielhoff: „In der Kulturpolitik mehr Demokratie zu wagen bedeutet, sich aktiv um das Publikum zu bemühen“ (Spielhoff 1976, S. 25). Eine Wende von der angebots- zur nachfrageorientierten Kulturpolitik wurde aber erst viel später gefordert. Öffentlich thematisiert wurde dies insbesondere durch den 3. Kulturpolitischen Bundeskongress „publikum.macht.kultur. Kulturpolitik zwischen Angebots- und Nachfrageorientierung“ der Kulturpolitischen Gesellschaft und der Bundeszentrale für politische Bildung im Juni 2005 (vgl. hierzu auch Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2005).
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Neuerdings erlebt die Kulturentwicklungsplanung wieder eine Renaissance und wurde deshalb mit dem 7. Kulturpolitischen Bundeskongress „Kultur nach Plan? Strategien einer konzeptbasierten Kulturpolitik“ am 13./14. Juni 2013 in Berlin zum Thema gemacht (vgl. hierzu auch Föhl 2013).
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Der Terminus der „Allzuständigkeit“ bezieht sich auf Artikel 28 II GG, der den Gemeinden das Recht zugesteht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“.
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Dieses Verständnis korrespondierte im Übrigen mit der Auffassung führender Kulturverfassungsrechtler, die vom „kulturellen Trägerpluralismus“ (Häberle 1985, S. 26) als Strukturelement des deutschen Kulturverfassungsrechtes sprachen, in dem private und öffentliche Träger grundsätzlich „gleichrangig“ und „gleichwertig“ (vgl. Pappermann 1984, S. 5) nebeneinander stehen. Diese plurale Struktur – so wird argumentiert – führe zu einer Vielfalt von Kulturleistungen sowie zu einem „freiheitlichen Klima“ für Kunst und Kultur und sichere auf diese Weise die Ausgestaltung der Kunstfreiheitsgarantie des Grundgesetzes strukturell. Es sind also nicht nur die staatlichen und kommunalen Institutionen, die im Sinne eines „kooperativen Kulturföderalismus“ zusammenwirken und sich gegenseitig ergänzen und kontrollieren sollen; auch die nicht-staatlichen und freien Träger gehören im Sinne einer (erweiterten) gesellschaftlichen Verantwortungsteilung zu diesem offenen Kultursystem (vgl. Häberle 1985, S. 26 f.).
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Aus steuerungstheoretischer Perspektive hat vor allem der Verwaltungssoziologe Eckart Pankoke viel dazu beigetragen, bevor von Governance in der Politik die Rede war (vgl. Pankoke 1995). Norbert Sievers und Bernd Wagner haben zu Beginn der 1990er Jahre die 4 K’s „Koordination, Konzertierung, Kooperation und Kulturentwicklungsplanung“ als Merkmale der Neuen Kulturpolitik herausgearbeitet (Sievers und Wagner 1992, S. 16 f.).
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Was dies bedeutet hat Kurt Eichler bereits Anfang der 1990er Jahre wie folgt beschrieben: „Die Kulturverwaltungen sollten sich sowohl von der ‚Behördenidentität‘ als auch vom Dienstleistungsanspruch’ lösen und sich zu ‚Transferstellen‘ für Ideen, Initiativen, Projekte, Förderungsmodelle, Zusammenarbeit und Vernetzung entwickeln“ (Eichler 1993, S. 81).
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Als Beleg dafür kann der 7. Kulturpolitische Bundeskongress „Kultur nach Plan? Strategien der konzeptbasierten Kulturpolitik“ der Kulturpolitischen Gesellschaft und der Bundeszentrale für politische Bildung am 13./14. Juni 2013 in Berlin gelten. Siehe dazu auch das Jahrbuch des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2012 zum Thema „Neue Kulturpolitik der Länder“ (Institut für Kulturpolitik 2012).
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Asymmetrisch ist das Verhältnis in der Regel schon deshalb, weil die Kooperationspartner, die Zuwendungen des Staates erhalten, sich in einer abhängigen Position befinden. Ihre Selbständigkeit wird durch Ziel- und Leistungsvereinbarungen nicht gerade gestärkt, weil dadurch umso mehr ein Auftrags- und Dienstleistungsverhältnis entsteht.
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Viele Kultureinrichtungen werden schon jetzt auf der Grundlage von Zielvereinbarungen gefördert (z. B. in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen). Die Ziele sind dabei von unterschiedlichem Allgemeinheitsgrad. Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) fördert seine Zuwendungsempfänger seit einigen Jahren unter der Bedingung, dass die jeweilige Organisation/Institution die Heranführung von Kindern und Jugendlichen an Kunst und Kultur besonders berücksichtigt. Diese Auflage ist Bestandteil des Zuwendungsbescheids und damit verbindlich.
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Der Verwaltungswissenschaftler Eckart Pankoke erklärt dazu: „Öffentliche Interaktionen (…) glücken (nur dann, d. V.), wenn alle Akteure und Aktionssysteme auf beiden Seiten wechselseitig steuerungsfähig, vermittlungsfähig, sprachfähig und lernfähig werden, sich also auf die riskanten Interaktionen und Relationen kultureller Selbststeuerung einlassen können“ (Pankoke 2006, S. 325).
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Siehe dazu etwa die Kontroverse zwischen Oliver Scheytt (Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft) und Max Fuchs (damals Präsident des Deutschen Kulturrates) im Rahmen des 54. Loccumer Kulturpolitischen Kolloquiums im Februar 2010, in der es um die Verwendung des historisch belasteten Kulturstaatsbegriffs ging und um die Frage, inwieweit die Zivilgesellschaft als politischer Akteur im Konzept des „aktivierenden Staates“ mitgemeint ist (vgl. Drews 2010, S. 83–103). Auch in der Enquete-Kommission war der Begriff „aktivierender Staat“ strittig. So haben die FDP-Fraktion und der Sachverständige Olaf Zimmermann (Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates) folgendes Sondervotum abgegeben: „… Es geht nicht darum, dass der Staat aktiviert, weder die Künstler oder die Kultureinrichtungen oder das bürgerschaftliche Engagement im Kulturbereich. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Staat durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen sowie teilweise durch die direkte Kulturförderung Kunst und Kultur ermöglicht. Es sollte daher von einem ‚ermöglichenden Staat‘ gesprochen werden“ (Deutscher Bundestag 2007, S. 52).
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Hier wäre es hilfreich, wenn ‚der‘ Staat eine aktive Subsidiaritätspolitik betreiben würde und sich dabei jenes Grundsatzes der Katholischen Soziallehre erinnerte, das Oswaldt von Nell-Breunig formuliert hat. Er sprach von der „Pflicht (der Gemeinschaft, d. V.) zum hilfreichen Beistand“, wenn die Menschen oder kleinen Lebenskreise ihre Aufgaben alleine nicht mehr erfüllen können.
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Die Begründungen des Governance-Konzeptes im Enquete-Bericht des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ sind in dieser Hinsicht zumindest missverständlich, wenn formuliert wird: „Das Leitbild der öffentlichen Verwaltung bedeutet für den Kulturbereich eine Fokussierung auf die kulturpolitischen Ziele und eine kooperative Lösungsstrategie, die alle kulturpolitischen Akteure (staatliche und private) einbezieht. Ziel einer öffentlichen Verwaltung muss es daher sein, die unterschiedlichen staatlichen und nichtstaatlichen Aktivitäten zu organisieren. Voraussetzung für diese kooperative Strategie sind klare Zieldefinitionen durch die Politik. (…) Die formulierten Ziele sollen in Kontrakten mit den Institutionen vereinbart und die Leistungserfüllung über Controlling/Berichtswesen überprüft werden. Die Kulturinstitution wird dafür mit weitgehender Handlungsfreiheit ausgestattet“ (Deutscher Bundestag 2007, S. 93). Diese Interpretation kann dahingehend ausgelegt werden, dass damit kein Vereinbarungs-, sondern ein Verpflichtungszusammenhang begründet wird, der dem Prinzip der Kunstfreiheit entgegensteht. Deshalb haben sich wohl auch die FDP-Fraktion und der Sachverständige der Enquete-Kommission Olaf Zimmermann gegen den Begriff des „aktivierenden Kulturstaates“, mit dem das Governance-Konzept verbunden ist, ausgesprochen und den Begriff des „ermöglichenden Staates“ vorgeschlagen (Deutscher Bundestag 2007, S. 52).
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So z. B. bei dem großen Programm des Bundesbildungsministeriums „Kultur macht stark“. Dabei werden Verbände, die sich darum beworben haben, als Verteilungsinstanzen für öffentliche Mittel eingesetzt, um letztlich politische Ziele des Staates umzusetzen. Dies ist dann ‚Politik durch Verbände‘ und keine ‚Politik der Verbände‘ mehr. Die Frage ist, ob dieses korporatistische Arrangement die Verbände nicht zu stark in die Rolle von Dienstleistern rückt und ihre Autonomie gefährdet (vgl. Sievers 2013).
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Zu den strukturellen Schieflagen haben sich vor allem die Infarkt-Autoren geäußert (Haselbach et al. 2012).
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Sievers, N. (2014). Aktivierende Kulturpolitik – Begründungen, Gelingensbedingungen, Risiken. In: Faas, S., Zipperle, M. (eds) Sozialer Wandel. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04166-3_13
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