Zusammenfassung
Der Beitrag verortet die Systemtheorie im konstruktivistischen Theoriefeld und zeichnet die Grundzüge des operativen Konstruktivismus Niklas Luhmanns nach. Im Mittelpunkt stehen jedoch die Grenzen des Politikbegriffs von Luhmann. Der Beitrag geht davon aus, dass gesellschaftliche Teilsysteme im Sinne des operativen Konstruktivismus Niklas Luhmanns nicht nur über Kommunikationen als basale Operation prozessiert und immer wieder in der System/Umwelt-Differenz reaktualisiert werden müssen, sondern dass dieser unabschließbare Prozess der Konstruktion von Systemen selbst höchst umkämpft und mithin politisch ist. Um dieses Phänomen der prinzipiellen Diskursivität von Systemen zu verstehen, klärt der Beitrag die gemeinsamen epistemischen Grundlagen und konstruktivistischen Fluchtlinien von Diskurs- und Systemtheorie. Die Unterscheidung zwischen der Politik und dem Politischen wird im Rahmen der Systemtheorie reformuliert und konkretisiert. In diesem Verständnis sind gesellschaftliche Subsysteme immer auch politisierte Systeme. Sichtbar wird ein Forschungsprogramm, das sich der Untersuchung der systemkonstituierenden Diskurse des Politischen widmet und das politische System als Effekt des Politischen versteht und analysiert.
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Notes
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Vergleiche hierzu auch den Titel der von Renate Martinsen herausgegebenen Publikationsreihe „Politologische Aufklärung – konstruktivistische Perspektiven“, in welcher der vorliegende Band erscheint.
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Der Konstruktivismus kann zunächst auf eine durchaus weitreichende erkenntnistheoretische Tradition zurückgreifen, die bis zu Kant und Fichte zurückführt und in die der Begründer des Radikalen Konstruktivismus, Ernst von Glasersfeld, ebenso Locke, Hume, Vico oder Bentham einbezieht (vgl. Glasersfeld 1996, S. 56 ff.). Freilich entspinnt sich die konstruktivistische Radikalität erst im Bezug zur modernen Gesellschaftstheorie und der Abweisung ontologisch basierter Gesellschaftstheorien.
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Der radikal subjektivistische Ansatz von Glasersfeld wird von Luhmann systemisch eingeholt, ohne diesem zu widersprechen. Denn von Glasersfeld gesteht zu, dass die Phänomene Wissen und Kommunikation durchaus existieren, jedoch nicht als Abbild oder Vermittlung von Wirklichkeit, sondern als Anpassung. Vermeintlich empirische Ergebnisse wissenschaftlicher Erkenntnisse sind demnach nicht objektive Wirklichkeit, sondern eine hergestellte Passung oder Viabilität von Konstruktionen unterschiedlicher Beobachter (vgl. Glasersfeld 1996, S. 186–210). Für die Wissenschaft bedeutet diese Haltung zwar eine Absage an jegliche Empirie einer vermeintlichen Wirklichkeit, nicht jedoch die Aufgabe realitätsbezogener Forschung, sofern sie die konstruktivistische Bedingtheit des eigenen wissenschaftlichen Operierens miteinrechnet. Daraus ergibt sich für eine angewandte systemtheoretische Forschung eine große Nähe zu diskursanalytischen Ansätzen (siehe Abschn. 3 dieses Beitrags).
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Mit Oliver Marchart möchte ich all jene Theorien als fundamentalistisch bezeichnen, die von revisionsresistenten Gesetzen oder objektiven Realitäten ausgehen (vgl. Marchart 2010).
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Vergleiche dazu näher: Peter (2010, S. 29 ff.).
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In Bezug auf die Systemtheorie interessiert vor allem der Unterschied zwischen dem Foucault’schen Verständnis von Diskurs als Streuung diskursiver Ereignisse, dessen Regelmäßigkeiten zu untersuchen sind, und dem (Stäheli zufolge) der Systemtheorie näher stehenden Verständnis von Laclau/Mouffe, das Diskurse (ebenso wie Systeme) als sich über Grenzziehungen und Ausschlüsse konstituierend begreift (vgl. Stäheli 2000, S. 53 f.).
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Diskurse werden von Systemen beobachtet und können dementsprechend auch in mehreren Systemen vorkommen, wie Reinhard-Becker (2004) zu Recht bemerkt.
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Dieser Begriff ist einer Lektüre der Diskurstheorie von Laclau durch Andreas Reckwitz entnommen: „Einerseits findet immer eine gewisse ‚Sedimentierung‘ des Sozialen und des Sinns statt, eine Bedeutungsroutinisierung von Diskursen, andererseits an bestimmten Punkten ein Aufbrechen dieser Sinnordnungen, ein Aufbrechen, dem selbst nicht der Charakter der dramatischen Aberration, sondern der Normalität von Bedeutungsüberschüssen zukommt“ (Reckwitz 2006, S. 342).
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Die systemtheoretische Diskussion, ob die Struktur der Semantik vorangeht oder umgekehrt, lässt sich insofern auflösen, mit Verweis auf Stäheli und Stichweh (vgl. Hellmann 2005, S. 34).
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Die Unterscheidung zwischen dem Politischen und der Politik weist gewisse Ähnlichkeiten mit der Unterscheidung zwischen Politik und Polizei durch Jacques Rancière (2002) auf.
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So wäre ein beispielhafter Fall gegeben, „wenn die Zahlungsunfähigkeit ein solches Maß erreicht, dass die Wirtschaft nur durch die Redefinition dessen, was als Zahlung zählt, fortbestehen kann. Ein weiteres Beispiel bestünde darin, dass das politische System dem Lärm der Migration mit einer Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts begegnet, um eine größere Legitimität von Regierung und Opposition zu erzeugen“ (Krasmann und Opitz 2007, S. 149).
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Peter, T. (2014). Politisierte Systeme – Grenzen der Politik und Entgrenzung des Politischen bei Niklas Luhmann. In: Martinsen, R. (eds) Spurensuche: Konstruktivistische Theorien der Politik. Politologische Aufklärung – konstruktivistische Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02720-9_2
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