Zusammenfassung
Das Katastrophenschutzrecht befindet sich gegenwärtig jedenfalls in Deutschland in einem Umbruch. Ziel ist eine Zusammenführung der bislang nebeneinander stehenden Materien des (ursprünglich militärisch gedachten) Zivilschutzes und des (ursprünglich zivil gedachten) Katastrophenschutzes hin zu einem übergreifenden Konzept des Bevölkerungsschutzes.1 Hier soll ein Überblick über einige Grundgedanken des geltenden – und partiell des zukünftigen – Rechts gegeben werden, die eher hinter als in den Gesetzen stehen.
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Notes
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Ich danke Frau wiss. Mit. Kristine Pohlmann, aber auch allen Kolleginnen und Kollegen aus dem PRIKATS-Projekt an den Universitäten Witten und Bielefeld für wichtige Anregungen und Gespräche. Das PRIKATS-Projekt wird vom BMBF großzügig gefördert.
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Ähnlich § 1 Abs. 2 BWKatSG, Art. 1 Abs. 2 BayKatSG, §§ 1 Abs. 2 MVKatSG, 2 Abs. 3 S. 2 SächsBRKG, 1 Abs. 2 LSAKatSG, 1 Abs. 1 SHKatSG, 25 ThürBKG.
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Auf Letzteres stellt auch der im Grundgesetz nicht erwähnte „verfassungsrechtliche Katastrophenbegriff’ ab. Da es in Art. 35 Abs. 2,3 GG um das Anfordern/Entsenden von bestimmten Unterstützungskräften geht, scheint das wesentliche Kriterium die Notwendigkeit von Verstärkung bzw. die Überforderung der zuständigen Kräfte zu sein (vgl. M. Kloepfer 2007:163, 167 f., 168; T. von Danwitz 2005: Art. 35 Rn 70: „Aus dem Wesen der Hilfeleistung folgt als weitere Tatbestandsvoraussetzung, dass das betroffene Land nicht in der Lage ist, die Gefahr aus eigener Kraft abzuwenden“). Nicht relevant ist hier die einheitliche Leitung. Zum verfassungsrechtlichen Katastrophenbegriff nach Art. 35 GG: BVerfGE 115,118,143 ff (insb. zum „besonders schweren Unglücksfall“); H. Bauer 2006: Art. 35 Rn 29; T. von Danwitz 2005: Art. 35 Rn 70; W. Erbguth 2009: Art. 35 Rn 38; A. Musil/ S. Kirchner 2006: 375.
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S. a. DIN 13050. Offener und zukunftstauglicher G. Reichenbach et. al 2008: 15.
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Aus neuerer Zeit noch H. Exner: FSHG, § 29 Rn 11: „Umgangssprachlich wird der Begriff (Katastrophe) für fast jedes größere Problem im Alltag verwendet. Fachtechnisch wird er im Wesentlichen zur quantitativen Einstufung eines über die alltäglichen Schadensfälle hinausgehenden Ereignisses verwendet“, W. Geier 2006: 33: „Ein Ereignis, das die Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft oder gesellschaftlicher Gruppen unterbricht, hohe menschliche, materielle, ökonomische oder ökologische Verluste verursacht und die Fähigkeit der betroffenen sozialen Einheit zur Bewältigung des Ereignisses aus eigener Kraft übersteigt“.
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H.-H. Trute 2005: 342, spricht von „Katastrophen als Diskontinuitätsereignissen“. Zwischen der Anwendbarkeit des Rechts des „Normalfalles“ einerseits und derjenigen des Katastrophenschutzrechts steht das Katastrophenereignis selbst als Faktor der Diskontinuität.
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Dazu unter dem Aspekt der Differenzierung von Katastrophenvermeidung und Katastrophenvorsorge schon M. Kloepfer 2007: 191 ff. Die Frage nach der Katastrophenabwehr ist dabei grundsätzlich zu unterscheiden von derjenigen, ob Katastrophen beherrschbar sind oder nicht; dazu L. Clausen 2008: 15. Zum Verhältnis von Katastrophenabwehr bzw. -Vermeidung und Katastrophenvorsorge auch F. Ekardt 2008: 61.
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Zum präventiven Charakter des Zivilschutzrechts z. B. Bundesverwaltungsamt 2003: 7 ff.
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Zum Katastrophenschutz in der Sicherheitsarchitektur Überblick bei A. Endreß 2009: 249.
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Ganz entsprechend verwendet H.-H. Trute 2005: 349, auf der Ebene des Rechts die Begriffe von primärer und sekundärer Schutzarchitektur.
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So z. B. § 25 NRWFSHG; s. vergleichbar etwa § 9 BWKatSG, Art. 7 BayKatSG, §§22,27,28 HeBKG (differenziert nach nachbarlicher Hilfe [im Brandschutz, auch bei Großschadensfällen], Mitwirkung öffentlicher und privater Einheiten und Einrichtungen im Katastrophenschutz und Mitwirkung von Dienststellen im Katastrophenschutz), § 22 SaarlBKG, § 17-19 LSAKatSG.
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Zu diesem hier nicht näher behandelten Aspekt D. Kugelmann in diesem Band.
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Polizei- und Ordnungsrecht ist aber den Ländern nicht stillschweigend als eigener Kompetenz bereich zugewiesen, sondern partiell Zugriffen jedenfalls des Bundesgesetzgebers geöffnet; s. BVerfGE 109, 190,215.
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Der Bund hat in §§ 2,11ZGKG von der Möglichkeit aus Art. 87b Abs. 2 GG Gebrauch gemacht, den Ländern Zivilschutzaufgaben im Wege der Bundesauftragsverwaltung zuzuweisen. An der Regelungskompetenz des Bundes für den Zivilschutz ändert sich hieran grds. nichts (vgl.Art. 85 Abs. 2 GG).
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Dazu K. Pohlmann in diesem Band.
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Ggf. kann daraus auch ein rechtlicher Neuregelungsbedarf folgen. Ansätze hierzu in den durch das ZivilschutzänderungsG v.02.04.2009 eingefügten bzw. geänderten §§ 12, 13 Abs. 3; 16, 18, 29 Abs. 3 ZSKG; dazu K. Meyer-Teschendorf 2009: 1224 f.
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Hier stellt sich erneut die Frage nach der Leistungsfähigkeit des Konzepts vom Bevölkerungs schutz; s.o. 3.1.
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S. etwa § 11 BWKatSG, § 10 HbmKatSG, § 38 HeBKG, § 17 NdsKatSG, § 13 LSAKatSG.
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M. E. auch in europarechtskonformer Weise. Dafür lassen die einschlägigen Urteile des EuGH und des BGH durchaus Raum. Überblick mit allerdings eher wohl entgegengesetzter Tendenz bei J. Ruthig 2010: 12.
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Einzelne wichtige rechtliche Vorgaben und Anforderungen nennt H.-H. Trute 2005: 351 ff.
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Zum Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz s. Entscheidung des Rates v. 08.11.2007,2007/799/EG, Euratom, hierzu S. R. Lüder 2009: 251; Zur Forderung nach einer „europäischen Katastrophenschutztruppe“: M. Barnier, Für eine europäische Katastrophen-Schutztruppe: europe aid, Mai 2006, http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/ 2004_2009/documents/dv/rapport_barnier_20060508_/rapport_barnier_20060508_de.pdf; eine Forderung, die in Deutschland eher kritisch betrachtet wird, s. Pressemitteilung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen v. 05.03.2008, Eröffnungsrede von O. Schröder, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, anlässlich der Zweiten Internationalen Kurhaus-Konferenz „Climate Change and Scarcities – A Challenge for Civil Protection am 08.02.2010 in Den Haag, http://www.bmi.bund.de/cln_165/ SharedDocs/Reden/DE/2010/02/psts_eu.html?nn=109576
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Gusy, C. (2013). Katastrophenschutzrecht – Zur Situation eines Rechtsgebietes im Wandel. In: Lange, HJ., Endreß, C., Wendekamm, M. (eds) Versicherheitlichung des Bevölkerungsschutzes. Studien zur Inneren Sicherheit, vol 15. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02200-6_11
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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