Zusammenfassung
Keine Art von geistiger und besonders von genialer Produktivität verläuft ebenmäßig und beständig durchs ganze Leben hin. Vielmehr ist im Geistesleben bedeutender Menschen manchmal eine eigentümliche Wellenbewegung, ein Kommen und Gehen, ein Emporschlagen leidenschaftlicher Erregung und ein ermattendes Wiederabsinken: wenn etwa ein genialer Mensch, von plötzlicher Begeisterung erfaßt, sich als Künstler durch eine Fülle von Bildern und Tönen, als Forscher durch die überraschendsten Erkenntnisse und Intuitionen überfallen und überwältigt sieht, wenn er Tage und Nächte, Wochen und Monate fieberhaft durcharbeitet, bis er ihnen Form gegeben hat, um dann wieder vielleicht für lange Zeiten sich vollkommen müßig, gedankenarm, unfruchtbar zu fühlen. Dieser periodische Wellengang ist eine ganz bezeichnende Eigentümlichkeit vielen genialen Schaffens, der produktiven Geistesarbeit gegenüber der reproduktiven Berufstätigkeit des normalen Menschen, die, aus den Quellen der Überlieferung und Gewöhnung gespeist, sich mehr ebenmäßig von einem Tag zum andern abwickelt.
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© 1958 Springer-Verlag OHG., Berlin · Göttinger · Heidelberg
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Kretschmer, E. (1958). Die Seelische Periodik. In: Geniale Menschen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-86818-4_7
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