Zusammenfassung
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Die Strukturgleichungsanalyse (SGA) umfasst statistische Verfahren zur Untersuchung komplexer Beziehungsstrukturen zwischen direkt beobachtbaren (manifesten) und/oder nicht beobachtbaren (latenten) Variablen und ermöglicht die quantitative Abschätzung bestehender Wirkungszusammenhänge. Ziel der SGA ist es, a-priori formulierte Wirkungszusammenhänge in einem linearen Gleichungssystem abzubilden und die entsprechenden Modellparameter so zu schätzen, dass die empirischen Daten modelltheoretisch möglichst gut reproduziert werden. In Abhängigkeit der betrachteten Variablen (manifest bzw. latent) wird in diesem Zusammenhang von Pfadanalyse bzw. Kausalanalyse gesprochen.
Neben der Regressionsanalyse kann die Pfadanalyse auch als „Mutter der Kausalanalyse“ bezeichnet werden. Während die Regressionsanalyse als „einfachster“ Fall eine eindeutige Unterscheidung zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen trifft, ermöglicht es die Pfadanalyse, auch Wechselbeziehungen zwischen manifesten Variablen abzubilden, bei denen Variablen gleichzeitig sowohl abhängige als auch unabhängige Variablen darstellen können. Eine wesentliche Voraussetzung der Pfadanalyse bildet die a-priori-Formulierung von theoretisch oder sachlogisch begründeten kausalen Zusammenhängen, die dann mit Hilfe der Pfadanalyse einer Prüfung unterzogen werden. Diese Prüfung erfolgt dabei unter Rückgriff auf die Kovarianzen bzw. Korrelationen zwischen Variablen. Die Kausalanalyse fokussiert auf latente Variable und erfordert – im Gegensatz zur Pfadanalyse – zusätzlich eine Operationalisierung der betrachteten latenten Größen. Zu diesem Zweck werden mit Hilfe von sog. Messmodellen empirische Beobachtungswerte für die latenten Variablen ermittelt. Damit kann die Kausalanalyse als „allgemeiner Fall“ der Pfadanalyse bezeichnet werden.
Nach einem Überblick zu den Methoden der Strukturgleichungsanalyse werden in Kap. 3.2 die Grundlagen der Pfadanalyse sowie der Kausalanalyse dargestellt und anhand von einfachen Beispielen erläutert. In Kap. 3.3 werden sodann die Charakteristika und Ablaufschritte von Strukturgleichungsmodellen mit latenten Variablen allgemein dargestellt und mit dem kovarianzanalytischen (LISREL; AMOS) und dem varianzanalytischen Ansatz (Partial Least Squares-Ansatz; PLS) die beiden gegensätzlichen Vorgehensweisen bei der Modellschätzung, die im Bereich der Kausalanalyse bestehen, in ihren Grundzügen vorgestellt und abschließend einem zusammenfassenden Vergleich unterzogen. Die detaillierte Anwendung von AMOS 21 und SmartPLS unter Rückgriff auf das in Kap. 4 dargestellte Fallbeispiel erfolgt dann in den Kap. 5 bis 11 (AMOS) bzw. in Kap. 15 (PLS).
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Notes
- 1.
Theorien beruhen insbesondere in den Geisteswissenschaften auf solchen theoretischen Begriffen, weshalb der Strukturgleichungsmodellierung mit latenten Variablen (sog. Kausalanalyse) zur empirischen Theorie-Prüfung hier eine hohe Bedeutung beizumessen ist.
- 2.
Allerdings basieren auch die Wirkungsbeziehungen zwischen manifesten Variablen meist auf vermuteten Kausalitäten, so dass auch hier die Bezeichnung Kausalanalyse korrekt wäre. Ebenso unterstellen auch einfache Regressionsbeziehungen meist kausale Zusammenhänge zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen. Wir wollen allerdings auch in diesem Buch der Konvention folgen und nur dann von Kausalmodellen oder Kausalanalyse sprechen, wenn latente Variable betrachtet werden.
- 3.
Die SPSS-Syntax-Datei zu dieser Rechnung sowie dasselbe, in AMOS 21 umgesetzte Modell, sind auf der Internetplattform zum Buch verfügbar.
- 4.
Die Programmpakete AMOS und SmartPLS generieren das mathematische Gleichungssystem auf Basis des vom Anwender erstellten Pfaddiagramms automatisch. Es gibt allerdings auch Programmpakete, die explizit die Spezifikation des Kausalmodells in Matrizenschreibweise verlangen.
- 5.
Die Matrix B ist auf der Hauptdiagonale mit Nullen besetzt, und die Differenzmatrix (I – B) muss invertierbar sein, damit das Gleichungssystem lösbar ist. Die Matrix I stellt dabei die Einheitsmatrix dar.
- 6.
Bei empirischen Korrelations- und Kovarianzmatrizen gilt rxy = ryx bzw. sxy = syx. Sofern keine gerichteten Beziehungen zwischen Konstrukten vorliegen, wie z. B. bei den Varianten der Faktorenanalyse, so gilt auch für die modelltheoretische Korrelations- bzw. Kovarianzmatrix (∑xy = ∑yx). Nur bei der Kausalanalyse, bei der gerichtete Konstruktbeziehungen vorliegen, gilt: ∑xy ≠ ∑yx.
- 7.
Wird unterstellt, dass zwischen den Faktoren keine Korrelationen bestehen, so entspricht die Korrelationsmatrix der Faktorwerte (Φ) der Einheitsmatrix I. Da die Multiplikation einer Matrix mit der Einheitsmatrix einer Multiplikation mit „1“ entspricht, vereinfacht sich in diesem Fall (3.10) zu: R* = A I Aʹ → R* = A Aʹ.
- 8.
Λʹx und Λʹy sind die Transponierten der Matrizen Λx bzw. Λy. Die Λx– und die Λy–Matrix enthalten die Faktorenladungen der Messvariabeln auf die latenten exogenen bzw. endogenen Variablen. Θδ bzw. Θɛ sind die Kovarianzmatrizen der Messfehlervariablen δ bzw. ɛ. Die Faktorladungen sind nichts anderes als die Regressionen der Messvariablen auf die latenten Variablen, wobei im Fall standardisierter Variablen die Regressionskoeffizienten den Pfadkoeffizienten entsprechen, die im Rahmen der Faktorenanalyse als Faktorladungen bezeichnet werden. Wird weiterhin davon ausgegangen, dass die latenten exogenen Variablen voneinander unabhängig sind, so entsprechen die Faktorladungen gleichzeitig den Korrelationen zwischen Indikatorvariablen und hypothetischen Konstrukten.
- 9.
Vgl. zu weiteren Kriterien, mit deren Hilfe die Identifizierbarkeit eines Strukturgleichungsmodells überprüft werden kann: Hildebrandt 1983, S. 76 ff.
- 10.
Zur Festlegung der Metrik der latenten Variablen wird zusätzlich zu den zwei dargestellten Ansätzen noch die sog. Effekt-Kodierung diskutiert. Hierbei werden in allen Gruppen die Faktorladungen eines Indikators so restringiert, dass die Summe der Faktorladungen der Summe der Indikatoren entspricht (vgl. Temme und Hildebrandt 2009, S. 156).
- 11.
Dies gilt für den Fall von p ≥ 12 manifesten Variablen. Bei p < 12 genügt ein n ≥ 200.
- 12.
Die Haupkomponentenanalyse ist in SPSS als eine von sieben Extraktionsmethoden im Rahmen der Faktorenanalyse implementiert (Menüfolge: „Analysieren → Dimensionsreduzierung → Faktorenanalyse“). Vgl. zur Hauptkomponentenanalyse im Unterschied zur Faktorenanalyse Backhaus et al. 2011, S. 356 f.
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Weiber, R., Mühlhaus, D. (2014). Methoden der Strukturgleichungsanalyse (SGA). In: Strukturgleichungsmodellierung. Springer-Lehrbuch. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-35012-2_3
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