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§ 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz

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Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen

Zusammenfassung

Bisher wurde geklärt, dass ein Eingriff in Grundrechte durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen generell möglich ist. Die klassischen Merkmale des Eingriffsbegriffs, die durch verdeckte Ermitllungsmaßnahmen verfehlt werden, gelten nicht abschließend. Vielmehr ist auf Grundlage des modernen Eingriffsbegriffs zu prüfen, ob die in der StPO geregelten Maßnahmen Grundrechtseingriffe sind. Die Antwort hängt aber nicht nur vom Eingriffsbegriff, sondern auch von den einzelnen Freiheitsgrundrechten ab.

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Notes

  1. 1.

    Die primäre Funktion der Grundrechte ist die Eingriffsabwehr, vgl. Bethge, Der Grundrechtseingriff, S. 14. Die Schutzbereiche müssen daher in den Zusammenhang der Eingriffsabwehr gestellt werden, vgl. § 7 und Pieroth/Schlink, Rdn. 249.

  2. 2.

    Beispiele: Das heimliche Beschatten eines Verdächtigen ohne technische Mittel nach der Ermittlungsgeneralklausel, §§ 161 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 163 S. 2 StPO. Die Überwachung mit technischen Mitteln gemäß §§ 100h, 163 f StPO. Die Überwachung eines Gesprächs mittels Richtmikrofon auf der Straße nach § 100f StPO. Die Anfangs im Beispielfall vorgestellte Ausspähung von Computerspeichern mittels Trojanern.

  3. 3.

    Murswiek in: Sachs, GG6, Art. 2 Rdn. 41.

  4. 4.

    Dreier in: Dreier, GG2, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 25.

  5. 5.

    Vgl. Murswiek in: Sachs, GG6, Art. 2 Rdn. 41 ff. und 59 ff.; Dreier in: Dreier, GG2, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 68 ff.

  6. 6.

    Stein, S. 250.

  7. 7.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 386 ff.

  8. 8.

    Rieß in: Löwe/Rosenberg, StPO26, § 163 Rdn. 39.

  9. 9.

    BVerfGE 54, 148, 153.

  10. 10.

    Dreier in: Dreier, GG2, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 69.

  11. 11.

    Dem BVerfG wird lediglich teilweise vorgeworfen, es habe versäumt deutlich zu machen, dass dieses Recht selbstständig neben der allgemeinen Handlungsfreiheit stehe, Stein/Frank, S. 252.

  12. 12.

    Stein/Frank, S. 255.

  13. 13.

    Stein/Frank, S. 255.

  14. 14.

    Pieroth/Schlink, S. 391. So in der Sache auch Stern, Ehrschutz und allgemeine Gesetze, S. 815, 826; Vogelsang, S. 127 ff., Schmitt Glaeser in: Isensee/Kirchhof, HStR 6, § 129 Rdn. 28 f., der den Unterschied zwischen „Tun“ und „Sein“ sieht; Cremer, S. 83 schreibt: „So verlangt das BVerfG zu Recht, dass bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 die Grundnorm des Art. 1 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist.“; weitere Nachweise bei Baston-Vogt, S. 420 Fn. 507.

  15. 15.

    Mit den ersten Ansätzen in der Privatrechtswissenschaft wurde die Rechtswidrigkeit ungenehmigter Veröffentlichungen von Privatbriefen oder Tagebüchern begründet. Vgl. Gierke, § 81 I, S. 703 f.; zu weiteren Nachweisen der Entwicklung vgl. Pawlowski, Rdn. 786 ff. Diese Meinung wurde jedoch vorerst nicht von der Rechtsprechung anerkannt. RGZ 51, 369 ff., vgl. auch Ehmann, AcP, Nr. 188, 1988, S. 230 ff. Nach 1945 konnte sich diese Ansicht dann durchsetzen.

  16. 16.

    Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 119 f. Es war die zivilrechtliche Rechtsprechung, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuerst an die Artikel des Grundgesetzes band: „Nachdem nunmehr das Grundgesetz das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde (Art 1 GrundG) und das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auch als privates, von jedermann zu achtendes Recht anerkennt, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art 2 GrundG), muß das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angesehen werden (vgl Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil 14. Aufl § 78 I 2; Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht 14. Aufl. §§ 233 2c; Coing SJZ 1947, 642).“, BGHZ 13, 334, 338. Vgl. auch BGHZ 24, 76; 26, 349; 31, 308 ff.; 39, 124.

  17. 17.

    Erstmals im „Elfes Urteil“, BVerfGE 6, 389, drei Jahre nach BGHZ 13, 334. Vgl. zur Entwicklung schon oben § 5, III, 1.

  18. 18.

    BVerfGE 54, 148, 153; 60, 329, 339; 63, 131, 142 f.

  19. 19.

    BVerfG-K, NJW 2006, 3409, 3410. Vgl. auch Baston-Vogt, S. 11–17.

  20. 20.

    Zur bis heute andauernden gegenseitigen Beeinflussung des zivilrechtlichen und verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts vgl. schon Ehmann, JURA 2011, 437 ff.

  21. 21.

    Vgl. den Sachverhalt in BGHZ 13, 334, 334. Dort ging es um die leicht veränderte Wiedergabe eines anwaltlichen Schreibens, dieses gehörte aber nicht zum Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung, sondern zum Geschäftsbereich.

  22. 22.

    Vgl. § 5, III, 3.

  23. 23.

    BVerfGE 65, 1, 45, für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

  24. 24.

    Dies war bereits im Mikrozensusurteil angelegt: „Nicht jede statistische Erhebung über Persönlichkeits- und Lebensdaten verletzt jedoch die menschliche Persönlichkeit in ihrer Würde oder berührt ihr Selbstbestimmungsrecht im innersten Lebensbereich.“ BVerfGE 27, 1, 7.

  25. 25.

    Vgl. Pawlowski, Rdn. 792.

  26. 26.

    Vgl. Schmitt Glaeser in: Isensee/Kirchhof, HStR 62, § 129 Rdn. 30.

  27. 27.

    BVerfGE 101, 361, 380.

  28. 28.

    Vgl. dazu die Ausführungen unten und zu weiteren variierenden Ausprägungen Dreier in: Dreier, GG2, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 68 ff.; Jarras, NJW 1989, 858 f.; Degenhart, JuS 1992, 363 ff.

  29. 29.

    Die Einteilung in die Kategorien Selbstdarstellung und Selbstbewahrung folgt Pieroth/Schlink, Rdn. 394, 397.

  30. 30.

    Siehe oben § 1, I.

  31. 31.

    BVerfGE 34, 238, 246; 106, 28, 39. f.

  32. 32.

    BVerfGE 106, 28, 41.

  33. 33.

    BVerfGE 101, 361, 381.

  34. 34.

    BVerfGE 101, 361, 381 f.

  35. 35.

    BVerfGE 99, 185, 193 f., 114, 339. 346; Pieroth/Schlink, Rdn. 398.

  36. 36.

    BVerfGE 65, 1, 41.

  37. 37.

    Zöller, S. 27; Kunig, Jura 1993, S. 595, 599. „Daten“ wird teilweise nur in Bezug oder in Parallele zu DIN ISO/IEC 2382 verwendet. Danach sind Daten (nur) Gebilde aus Zeichen oder kontinuierliche Funktionen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Informationen darstellen, vorrangig zum Zweck der Verarbeitung und als deren Ergebnis. In der Informatik und Datenverarbeitung versteht man Daten als (maschinen-) lesbare und -bearbeitbare, in der Regel digitale Repräsentation von Information. Bei Informationen als Gegenstand der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen geht es um Informationen, also Daten im weiteren Sinne, sei es das gesprochene Wort oder eine einfach visuelle Wahrnehmung. Dabei wird unter Bezugnahme auf die Umsetzung im einfachen Recht für Daten durch § 3 Abs. 1 BDSG als ausreichend erachtet, dass Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person sein sollen. In diesen Fällen ist eine Person bestimmt, wenn die Daten selbst einen Rückschluss auf ihre Identität zulassen. Bestimmbarkeit liegt vor, wenn mit Hilfe der Umstände und zusätzlicher Kenntnisse der Bezug zu einer konkreten Person hergestellt werden kann.

  38. 38.

    Zöller, S. 27.

  39. 39.

    BVerfG 120, 274, 302: „als Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.“

  40. 40.

    BVerfG 120, 274, 302.

  41. 41.

    Vgl. Murswiek, der eine eigenständige Bedeutung neben dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zwar ablehnt, aber die eigentliche Bedeutung des Computergrundrechts der Rechsprechung in der allgemeinen Errichtung eines „Schutzzauns“ gegen Maßnahmen sieht, die eine Ausspähung, Manipulation und Überwachung ermöglichen, Murswiek in: Sachs, GG6, Art. 2 Rdn. 73c.

  42. 42.

    BVerfG 120, 274, 310.

  43. 43.

    BVerfGE 120, 274.

  44. 44.

    BVerfG 120, 274, 310.

  45. 45.

    Dagegen Murswiek in: Sachs, GG6, Art. 2 Rdn. 73c; Eifert, NVwZ 2008, S. 521 f.; Volkmann, JZ 2006, S. 591.

  46. 46.

    Wegen der insoweit ungeänderten Artikel des GG geht es nicht um ein im engen Wortsinn „neues“ Grundrecht. Das Grundrecht ist nicht „neu“ im Sinne einer Verfassungsergänzung. Vielmehr handelt es sich um die konkretisierende Auslegung der Art. 2 Abs. 1 (i. V. m. Art. 1 Abs. 1) GG durch das BVerfG. Vgl. Roßnagel/Schnabel, NJW 2008, S. 3534 ff.

  47. 47.

    BVerfGE 120, 206, 302.

  48. 48.

    BVerfGE 120, 206, 313.

  49. 49.

    So auch Murswiek in: Sachs, GG6, Art. 2 Rdn. 73c, der einerseits meint, das Grundrecht sei neben dem Grundrecht auf Informationelle Selsbtbestimmung überflüssig, aber andererseits die Rechtsprechung des BVerfG so interpretiert, dass der Schutz durch das Computergrundrecht Eingriffe verhindern soll, die Informationserhebungen nur vorbereiten. Nach dem hier vertretenen und im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu erläuternden Ansatz kommt es auf solche Abgrenzungen im Ergebnis nicht an, da es sich nur um standardisierte Begründungen für Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit handelt, vgl. unten § 8, 2, 3.

  50. 50.

    Ob das BVerfG damit von zwischenzeitlichen Ansätzen abrücken will, nach denen ein Grundrecht durch anderes – sogar ohne Schutzbereichseröffnung beider Grundrechte – verstärkt werden könne, bleibt unklar: Nach der Ansicht des BVerfG erhält das allgemeine Persönlichkeitsrecht sein besonderes Gewicht dadurch, dass das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 GG mit der Menschenwürde aus Art. 1 GG gekoppelt wird, auch wenn die Menschenwürde nicht bei jedem Eingriff berührt wird. Vgl. allgemein kritisch zur Dogmatik der Grundrechtsverstärkung Borowski, 443 f. Weiterreichend ist die Frage, ob bei jeder neuen technischen oder gesellschaftlichen Entwicklung ein neues Grundrecht begründet werden muss. Dies ist zweifelhaft, da es doch aus der Auslegung der geschriebenen Grundrechte besteht. Gibt es zum Beispiel auch ein Grundrecht auf Integrität von gentechnikfreien Lebensmitteln oder ein Recht an Teilnahme an Anti-Windkraft-Demonstrationen usw.? Im Endeffekt sind „neue Grundrechte“ als bloße Konkretisierungen geschriebener Grundrechte rein deklaratorisch und kein dogmatisches Problem. Die Feststellung eines „neuen“ Grundrechts hat insoweit nur eine größere Signalwirkung als wenn das BVerfG es bei der schlichten Subsumtion unter Art. 2 Abs. 1 GG belassen hätte. Für die Rechtsanwendung in der StPO spielt diese Methodenfrage keine Rolle. Entscheidend ist, dass das BVerfG dieses spezielle Grundrecht herausgestellt hat, da sich in der bisherigen Dogmatik Schutzlücken in der Systematik der Grundrechtskonkretisierungen ergeben haben.

  51. 51.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 394 ff.

  52. 52.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 396; Riepl, S. 21 f.; BVerfGE 27, 1 „Mikrozensus“. Nach Schmitt-Glaeser sind für die Bestimmung des Privatbereichs vier Theorien ausschlaggebend: Die Sphärentheorie, welche die Personennähe als Kriterium zur Abgrenzung der drei Sphären nutzt; die Rollentheorie, die auf die Betroffenheit in der jeweiligen Funktion, im Beruf, in der Familie, unter Freunden etc. abstellt; die Theorie der autonomen Selbstdarstellung, die an die Entscheidungsfreiheit anknüpft; die Kommunikationstheorie, welche die Integrität der Kommunikation als Unterscheidungsmerkmal benennt, Isensee/Kirchhof, HStR 6, § 129 Rdn. 14. Keine dieser Lehren konnte sich als alleiniger Maßstab durchsetzen. Die Sphärentheorie ist zwar im Grundsatz anerkannt, doch muss sie weiter konkretisiert werden. Dabei können die anderen Theorien Hilfe leisten. Vgl. Stern in: Stern/Sachs/Dietlein, § 99 II 2, der die Sphärentheorie des BVerfG aber nicht heraushebt.

  53. 53.

    BVerfGE 80, 367, 373 f.

  54. 54.

    BVerfGE 35, 202, 220.

  55. 55.

    BVerfGE 65, 1, 44.

  56. 56.

    BVerfGE 89, 69, 82 f. Teilweise wird die Sphärentheorie als bloße Verhältnismäßigkeitsbetrachtung ohne Sinn für die Schutzbereichsabgrenzung gesehen, vgl. Wölfl, NVwZ 2002, S. 50. Die Sphärentheorie ist aber bereits auf der Schutzbereichsebene erforderlich, da zunächst festgestellt werden muss, ob und wenn ja, in welche Grundrechte eingegriffen wird. Die Beteiligung des Art. 1 Abs. 1 GG ist dabei keine von der Verhältnismäßigkeit erfasste Kategorie, da alle Eingriffe in Art. 1 Abs. 1 GG unverhältnismäßig sind. In der öffentlichen Sphäre ist der Schutzbereich lückenhaft und muss zunächst abgegrenzt werden, bevor Eingriffe möglich sind, die verhältnismäßig sein könnten.

  57. 57.

    Vgl. § 9.

  58. 58.

    Siehe unten § 8, III und § 8, IV.

  59. 59.

    BVerfGE 101, 361, 384 ff.

  60. 60.

    BVerfGE 101, 361, 383, mit weiteren ausführlichen Erläuterungen.

  61. 61.

    Vgl. für einen kurzen historischen Blick über die Entstehung Murswiek in: Sachs, GG6, Art. 2 Rdn. 1.

  62. 62.

    BVerfGE 6, 32, 36 f. Cremer, S. 83: „Insoweit reicht […] angesichts der […] zurückgewiesenen Gegenargumente und des letztlich unergiebigen Wortlauts der Hinweis auf die Genese des Grundgesetzes, aus der zweifelsfrei hervorgeht, dass der Verfassungsgeber Art. 2 Abs. 1 GG als ein Recht ‚zu tun und zu lassen was man will‘, als allgemeine Handlungsfreiheit also, verstanden wissen wollte“. Cremer, S. 83 Fn. 54 mit wörtlichen Zitaten aus den Ausschüssen zur sprachlichen Kritik an „zu tun und zu lassen was man will“: Es wurde auf die Formulierung verzichtet, weil sie „zu vulgär klingt“, weil sie „wenig schön“ ist. Andere sagten sie „klingt sehr schlecht“; „das Würdevolle im Klang“ fehle.

  63. 63.

    Ständige Rspr. BVerfGE 34, 238 ff. – Tonband; BVerfGE 35, 202 ff. – Lebach; BVerfGE 65, 1 ff. – Volkszählung; 120, 274 ff. – Computergrundrecht. Diese Rechtsprechung erfährt jedenfalls im Ergebnis Unterstützung aus der Literatur. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfahre inhaltliche Bestimmung „von der Garantie der Menschenwürde her“. Zugleich ergebe sich aus der Verbindung des Art. 2 Abs. 1 GG mit Art. 1 Abs. 1 GG eine Verstärkung des Schutzes. Da das Sein und nicht nur das Verhalten betroffen sei, ließen sich Eingriffe „nicht so leicht rechtfertigen“ wie solche in die allgemeine Handlungsfreiheit, Murswiek in: Sachs, GG6, Art. 2 Rdn. 62. Murswiek weist darauf hin, dass nicht zwei Grundrechte kumulativ zur Anwendung kämen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergebe sich aus Art. 2 Abs. 1 bei der Bestimmung von Inhalt und Gewährleistungsumfang sei Art. 1 GG als Interpretationsrichtlinie zu beachten, Murswiek in: Sachs, GG6, Art. 2 Rdn. 63. Nach h. M. schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht über die Einbeziehung des Art. 1 Abs. 1 GG so vorwiegend das menschliche Sein als Qualität. Diese Ansicht setzt voraus, dass der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde nur ein objektives Recht ist. Das Problem einer Verletzung des Achtungsanspruchs der Menschenwürde durch einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird damit aber nicht gelöst. Die Definition der Menschenwürdegarantie als objektives Recht ändert nichts an ihrer Unantastbarkeit.

  64. 64.

    „[…] jedem einzelnen Bürger [ist] eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten. [Es besteht] also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit, welcher der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist.“ BVerfGE 6, 32, 42; vgl. auch 34, 238, 245.

  65. 65.

    Zu diesem Streit finden sich nähere Ausführungen unten im Rahmen der Behandlung der Menschenwürde unter § 8, IV, 3, b).

  66. 66.

    „Schranken“ sind die einschränkenden Umstände, die sich hier aus dem Gesetzesvorbehalt ergeben. Vgl. § 9.

  67. 67.

    Seit BVerfGE 65, 1, 43.

  68. 68.

    Mückenberger, KJ 1984, S. 5.

  69. 69.

    Die hier vertretene Argument des inneren dogmatischen Widerspruchs der h. M., ließe sich nur entkräften, wenn sich die h. M. dazu durchringen würde, die Menschenwürde insgesamt Eingriff und Abwägung zu öffnen. Diese Konsequenz wollen aber nur wenige ziehen, siehe unter § 8, IV, 3, b). Die eigene Ansicht zu diesem Grundsatzkonflikt findet sich unter § 8, IV, 3, c).

  70. 70.

    Zum Beispiel: BVerfGE 34, 238 – Tonband; BVerfGE 101, 361 – Caroline von Monaco II; BVerfGE 106, 28 – Mithörvorrichtung; BVerfGE 115, 320 – Rasterfahndung II.

  71. 71.

    BVerfGE 54, 148.

  72. 72.

    BVerfGE 66, 39, 60; 105, 279, 299 ff.

  73. 73.

    Vgl. § 7, III.

  74. 74.

    Vgl. § 7, III.

  75. 75.

    Vgl. § 7, III.

  76. 76.

    Vgl. zu diesem sog. „materiellen“ Freiheitsbegriff in Bezug zur Aussagefreiheit: Stalinski, S. 120 ff.; zum Spezialproblem des Lügendetektors vgl. Seiterle, S. 216 ff.; Frister, S. 325 f.

  77. 77.

    Die Probleme und begrifflichen Unschärfen der allgemeinen Handlungslehren sollen hier nicht Thema sein. Auch, ob ein Handlungsentschluss bewusst oder unbewusst getroffen wird, ist für den Freiheitsbegriff unerheblich. Entscheidend ist, dass erst auf der geistigen bzw. neurobiologischen Ebene ein Abwägungsprozess zwischen handlungshemmenden und -motivierenden Faktoren abläuft, an dessen Ende der Entschluss zu handeln oder zu unterlassen steht.

  78. 78.

    Vgl. dazu Sternberg-Lieben, Die objektiven Schranken der Einwilligung im Strafrecht, S. 276 und die instruktive Darstellung bei Seiterle, S. 217, der diese Ansicht aber dezidiert ablehnt.

  79. 79.

    Ansatzpunkt für eine objektive Alternative zur oben abgelehnten Bestimmung einer Erheblichkeitsschwelle per Gesamtbewertung kann dabei nur die Entscheidungsfreiheit der betroffenen Person selbst sein. Dieser Ansatz ist subjektiv, weil er die tatsächliche subjektive Betroffenheit des Einzelnen ins Zentrum stellt, aber objektiv, da eine tatsächliche Veränderung des Entscheidungsprogramms – etwa durch Befragung des Betroffenen – festgestellt werden kann. Bei der Freiheit von Willensbeeinflussung wäre dies nicht möglich, da für diese Theorie auch die latente und unbewusste Belastung des Gefühlslebens ausreichend für eine Freiheitsbeeinträchtigung ist. Ob er anders gehandelt hätte, kann der Betroffene in vielen dieser Fälle nicht einmal selbst erkennen und mitteilen.

  80. 80.

    Eine Werbung für eine staatliche Veranstaltung ist daher kein Eingriff, soweit damit keine auch nur entfernt mögliche Sanktionierung verbunden ist. Auch staatliche Warnungen vor privaten Dritten sind nicht ohne weiteres Eingriffe. Positive Verstärkungen, Lob und positive Anreize sind jedenfalls keine Eingriffe in Freiheitsgrundrechte.

  81. 81.

    Allerdings ist auch in die Freiheit desjenigen ausnahmsweise eingegriffen, der trotz Drucks den Entschluss trifft, den er auch ohne diesen Druck getroffen hätte, wenn dieser Druck bei ihm sekundäre Folgen auslöst, wie etwa Schlaflosigkeit und Reizbarkeit im Umgang mit der Familie. In diesen Fällen verhält er sich nämlich unerwünscht anders, als er es ohne den staatlichen Einfluss wollte. Außerdem ist zu untersuchen, ob nicht die konkret unbeeinflussten Personen in den Genuss von „Schutzreflexen“ kommen. Schon wenn nur Wenige tatsächlich beeinträchtigt sind, muss ein Gesetz den Eingriff rechtfertigen. Auch kann das Gesetz als generell-abstrakte Maßnahme selbst bereits ein Eingriff sein, wenn es Druck auf bestimmte Personen ausübt, die deshalb ihr Verhalten ändern. Auch kann eine Maßnahme gegen eine Person, die sich davon nicht in ihren Entscheidungen beeindrucken lässt oder sie nicht einmal wahrnimmt deshalb ein Eingriff in die Entscheidungsfreiheit Dritter sein, die sich durch dieses Beispiel unter Druck gesetzt führen.

  82. 82.

    Nach der h. M. schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht das passive menschliche „Sosein“ und nicht die aktive Handlungsfreiheit.

  83. 83.

    Damit die Menschenwürde nicht in dem hier kritisierten Sinne relativiert werden kann, werden in der Literatur verschiedene Hilfskonstruktionen bemüht, um den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde als Grundlage des Integritätsschutzes in der erweiterten Privatsphäre zu entfernen. Dreier in: Dreier, GG2, Art. 1 Rdn. 68, m. w. N. in Fn. 261; Starck in: von Mangold/Klein 2, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 89; Härtel, Durch Gendiagnostik zum gläsernen Menschen? – Freiheitsrechte in neuer Bewährug, S. 235; Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG57, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 189. Keine der Ansichten kann jedoch überzeugen, da das Grundproblem in der Verbindung des Art. 2 Abs. 1 GG mit Art. 1 Abs. 1 GG liegt und gerade dies auch von den meisten abweichenden Ansichten nicht in Frage gestellt, sondern nur näher begründet wird. Soweit versucht wird, Art. 1 Abs. 1 GG durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 2 Abs. 1 GG nach Art. 19 Abs. 2 GG zu ersetzen, Wölfl, NVwZ 2002, S. 50 ff.; Lecheler, S. 216; Vgl. zum Wesensgehalt schon von Hippel; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Artikel 19, Abs. 2, Grundgesetz und zur Problematik des „Wesens“ als Begriff Scheuerle, AcP, Bd. 163, 1964.

  84. 84.

    Vgl. § 8, IV, 1, b).

  85. 85.

    Eine andere Interpretation dieses Rechts ist nicht zulässig, da das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1 GG keine Andeutung dazu macht. Dies ist zum Beispiel beim notwendig gesetzlich auszuformenden Eigentumsrecht anders. Ein eigentumsähnliches Verfügungsrecht über persönliche Information müsste normativ begründet werden, dies ist nur für den Kernbereich der persönlichen Lebensgestaltung möglich, aber auch dort nicht nötig.

  86. 86.

    Vgl. § 8, IV, 2, b).

  87. 87.

    Siehe unten § 8, IV.

  88. 88.

    Dieser Streit um die Möglichkeit der Rechtfertigung von Eingriffen in den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde wird weiter unten geklärt, § 8, IV, 3.

  89. 89.

    Vgl. oben § 7, III.

  90. 90.

    Dreier in: Dreier, GG2, Art. 2 I Rdn. 27 und: „Schwierigkeiten bereitet die genaue Bestimmung von grundrechtsrelevanten Beeinträchtigungen jenseits der klassischen, imperativen Eingriffe.“ Dreier in: Dreier, GG2, Art. 2 I Rdn. 51; Vgl. zum Eingriffsbegriff oben § 7, III.

  91. 91.

    Nach der Ansicht des BVerfG betreffen die Eingriffe das hier aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht.

  92. 92.

    Bereits Schlink ordnet die Veröffentlichung privater Informationen oberhalb der „Lächerlichkeits- oder Peinlichkeitsschwelle“ als Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit und nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein, ohne freilich auf die Heimlichkeit einzugehen, vgl. Schlink, Die Amtshilfe: Ein Beitrag zu einer Lehre von der Gewalteteilung in der Verwaltung, S. 199. Eine solche „Schwelle“ kann bei den verdeckten Maßnahmen nicht angenommen werden, da es nicht (nur) um Peinlichkeit, sondern um die Angst vor Strafverfolgung geht. Eine entsprechende Erheblichkeitsschwelle ist nur dann nicht überschritten, wenn die heimliche Maßnahme die Entscheidungsautonomie nicht im Sinne einer „Unfreiwilligkeit“ stört (Vgl. oben § 7, III, 5, c)). Diese Schwelle wird aber bei den gesetzlichen Regelungen der Maßnahmen immer überschritten sein, da auch Straftäter geschützt sind, die in jeder Lebenssituation begründete Angst vor einer verdeckten Maßnahme haben können.

  93. 93.

    Weßlau sieht in verdeckten Datenerhebungen ebenfalls erhebliches „Verunsicherungspotential“ und leitet daraus einen Grundrechtseingriff ab, Weßlau, Vorfeldermittlugen: Probleme der Legalisierung „vorbeugender Verbrechensbekämpfung“ aus strafprozessrechtlicher Sicht, S. 196.

  94. 94.

    BVerfGE 101, 361.

  95. 95.

    Vgl. unten unter § 8, III, 2, gg).

  96. 96.

    Vgl. unten unter § 8, III, 2, ee).

  97. 97.

    Vgl. oben unter § 8, II.

  98. 98.

    Da das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht nach der h. M. für Integritätsschutz sorgt, besteht nach dieser Ansicht auch kein Bedarf, eine handlungssteuernde Wirkung der Maßnahme festzustellen.

  99. 99.

    Vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier, GG2, Rdn. 62; Limma, S. 5 ff.

  100. 100.

    BVerfGE 122, 342, 369.

  101. 101.

    BVerfG ZUM 2004, 560, 561.

  102. 102.

    Vgl. oben § 8, I, 3, a).

  103. 103.

    Dem BVerfG reicht insoweit bereits die Gefahr für den Grundrechtseingriff aus. Vgl. das Wort „kann“ im vorangegangenen Zitat, BVerfGE 101, 361, 383 f.

  104. 104.

    Vgl. oben § 8, I, 1, b). Die Lösungen zu den Fragen finden sich unten unter § 8, III, 4.

  105. 105.

    BVerfGE 101, 361, 383 f. mit weiteren ausführlichen Erläuterungen.

  106. 106.

    Alleweldt, S. 62 ff. m. w. N. Vgl. zur ausführlichen Diskussion des Eingriffsbegriffs, oben § 7, III.

  107. 107.

    Vgl. ab § 8, III, 2.

  108. 108.

    BVerfGE 65, 1, 42 f. Volkszählung.

  109. 109.

    BVerfG MMR 2008, 308, 309.

  110. 110.

    BVerfG MMR 2008, 308, 309.

  111. 111.

    BVerfGE 93, 181, 188.

  112. 112.

    BVerfGE 100, 313, 381.

  113. 113.

    BVerfGE 107, 299, 328; 109, 279, 354 f.

  114. 114.

    Siehe dazu unten § 8, III, 4, d).

  115. 115.

    Vgl. unter § 8, IV, 2, b).

  116. 116.

    BVerfGE 109, 279, 313.

  117. 117.

    BVerfGE 120, 274, 322 f.

  118. 118.

    BVerfGE 125, 260, 335 f.

  119. 119.

    Albers, Informationelle Selbstbestimmung, S. 153.

  120. 120.

    Das Gleiche gilt für Art. 10 und 13 GG.

  121. 121.

    Thiel, S. 254.

  122. 122.

    Bull, Meilensteine auf dem Weg des Rechtsstaates, S. 327.

  123. 123.

    Thiel, S. 254 f.

  124. 124.

    Thiel, S. 256.

  125. 125.

    „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948“ (AEMR), Riedel, Uiverseller Menschenrechtsschutz – Vom Anspruch zur Durchsetzung, S. 26. Vgl. auch Rensmann, S. 137, der allerdings nur eine Referenz an die vier Freiheiten in der Präambel und eine Ablehnung in der Struktur erkennt.

  126. 126.

    Vgl. Bundestag/Bundesarchiv, S. 69 und Kimminich, Menschenrechtsschutz im geteilten Deutschland, S. 155.

  127. 127.

    Diese Freiheiten, die nach dem Sturz der Diktatur als Basis einer neuen Weltordnung dienen sollten, nannte Roosevelt in seiner Kongressrede vom 6.1.1941: Meinungsfreiheit (freedom of speech and expression), Religionsfreiheit (freedom of every person to worship God in his own way), Freiheit von Not (freedom from want) und Freiheit von Furcht (freedom of fear). Vgl. dazu Wolgast, S. 215. Die Rede im Volltext findet sich unter Roosevelt.

  128. 128.

    Maunz 2, § 14 III 3.

  129. 129.

    Maunz 2, § 14 III 3.

  130. 130.

    von Münch in: von Münch, GG, Art. 2 Rdn. 64; Herzog/Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2, Rdn. 49 Fn. 2.

  131. 131.

    von Münch, GG, Art. 2 Rdn. 64; Denninger stützt das Grundrecht auf die „demokratische Grundordnung“ Denninger, VVDStRL, Nr. 37, 1979, S. 7 ff., 27 ff.

  132. 132.

    Siehe unten § 8, III, 4.

  133. 133.

    Dencker, StV 1994, S. 683.

  134. 134.

    Bzw. nach herrschender Terminologie „des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“.

  135. 135.

    Vollständig müsste es daher „Grundrecht auf Freiheit von handlungsbeeinflussender Einschüchterung“ heißen, die Formulierung wird hier und im Folgenden allein aus Gründen der Prägnanz verkürzt.

  136. 136.

    Dazu oben § 7, III, 5, c).

  137. 137.

    Der Einzelne, der eine Überwachung seiner Handlungen fürchtet, ist sich bewusst, dass er selbst sich dafür entscheidet, der hemmenden Angst vor Überwachung oder der aktivierenden Gegenmotivation zur eigentlich gewünschten Äußerung zu folgen. Es kommt also auf das psychische Erleben des Einzelnen an. Fühlt er sich einem wie auch immer verursachten und vermittelten Druck des Staates ausgesetzt, liegt keine autonome Entscheidung vor. Psychologisch gesehen handelt es sich bei Eingriffen entweder um Bestrafung oder um sog. negative Verstärkung. Strafe verstärkt das Nicht-Auftreten eines bestimmten Verhaltens. Tritt es doch auf, wird es bestraft. Negative Verstärkung belohnt Vermeidungsverhalten. Die Belohnung kann aber bereits darin bestehen, dass ein erwartetes Übel nicht eintrifft. Das Vermeiden bestimmter Handlungen, um staatlicher Repression zu entgehen, wird positiv verstärkt, weil ein erwartetes Übel nicht eintritt. Der andernfalls zu erwartende Stress bleibt aus und ein Gefühl der Erleichterung setzt ein, Musahl, S. 155 ff.

  138. 138.

    Dabei handelt es sich keineswegs um zu disqualifizierende „Laienphilosophie“, vgl. Moore.

  139. 139.

    „Scham als Angst vor Schande und die Vermeidungshaltung ‚peinlich aufzufallen‘ unterscheiden sich von ihrer Leiblichkeit her nicht nur in den Blickrichtungen und im schwächeren Fluchtimpuls bei der Peinlichkeit, sondern auch darin, dass erstere der Angst selbst verwandter ist. […] Damit ist die leiblich schwächere Peinlichkeit aber nicht etwa sozial weniger wirkungslos, ganz im Gegenteil […]“, Landweer, S. 166 f.

  140. 140.

    Angst führt allgemein zu Vermeidungsverhalten. Zu den psychischen Mechanismen vgl. die Konzepte zur sozialen Phobie, Essau, S. 52 ff.; Esser, S. 518 ff.; Bassler, S. 66 ff.

  141. 141.

    Es geht nicht um die Unterscheidung zwischen Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit, sondern lediglich um die Qualität des staatlichen Einflusses auf die Selbstbestimmung, bei der von einem Eingriff gesprochen werden kann, vgl. oben § 7, III, 5, c), aa). Ein ähnliches Problem besteht bei der Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 StGB im materiellen Strafrecht, vgl. Eser in: Schönke/Schröder, § 24 Rdn. 42 ff. Dort wird eine Differenzierung nach autonomen und heteronomen Gründen für die Freiwilligkeit des Rücktritts vertreten. Grundlage sind psychologisierende oder wertende Ansätze. Diese Lehre hat aber rücktrittsfreundliche Ziele und tendiert daher mit teleologischen Argumenten zu einer leichten Bejahung der Freiwilligkeit. Beim Rücktritt geht es zudem um die Unterscheidung zwischen „ganz frei“ und „unfrei“. Dies ist insoweit nicht auf den verfassungsrechtlichen Eingriffsbegriff übertragbar.

  142. 142.

    Vgl. oben § 7, III, 4.

  143. 143.

    Vgl. oben § 8, II, 2, c).

  144. 144.

    Vgl. oben § 7, III, 1.

  145. 145.

    Dazu oben § 7, III, 3, b), bb).

  146. 146.

    Zum Beispiel: Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität durch Burkhard Hirsch, abgedruckt in Vormbaum/Asholt, S. 9.

  147. 147.

    Vgl. oben § 7, III, 5, c) und § 7, III, 1, b), bb).

  148. 148.

    „Tabus sind unhinterfragt, strikt, bedingungslos, sie sind universell und ubiquitär, sie sind mithin Bestandteil einer funktionierenden menschlichen Gesellschaft. Dabei bleiben Tabus als Verhaltensregeln unausgesprochen oder werden allenfalls durch indirekte Thematisierung (z. B. Ironie) oder beredtes Schweigen angedeutet: Insofern ist das mit Tabu Belegte jeglicher rationalen Begründung und Kritik entzogen. Gerade auf Grund ihres stillschweigenden Charakters unterscheiden sich Tabus von den ausdrücklichen Verboten mit formalen Strafen aus dem Bereich kodifizierter Gesetze. […] Auslöser für tabuistische Vorkehrungsmaßnahmen ist ein Spektrum von Wahrnehmungen, das von Ehrfurcht und Scheu über Angst und Panik bis hin zum Ekel reichen kann.“, Wikipedia, Tabu.

  149. 149.

    Vgl. Karsten, Zeitschrift für Ethnologie 1916, S. 165; Theye, S. 225 ff.

  150. 150.

    Seethaler; David Eagleman gibt ein Erlebnis des Musiksammlers Arthur Alberts wieder, der in den 1940ger Jahren mit einem Tonbandgerät Aufnahmen von Gesängen in Afrika machte. (S. 9): „Doch mit seinem Tonbandgerät handelte er sich immer wieder Ärger ein. Ein Westafrikaner, der seine Stimme auf Band hörte, beschuldigte Alberts, seine Zunge gestohlen zu haben. Alberts entkam einer Tracht Prügel nur knapp, indem er einen Spiegel aus der Tasche zog und den Mann davon überzeugte, dass seine Zunge noch da war. […] Als Alberts einem anderen Stammesangehörigen die Musik vorspielte, staunte der über den ‚mächtigen Zauber‘.“

  151. 151.

    So auch Roth, S. 312 ff.; Cremer, S. 162.

  152. 152.

    So Kahl, S. 1 und Fn. 2 m. w. N.

  153. 153.

    Vgl. oben § 8, III, 4, a).

  154. 154.

    Vgl. schon oben im Rahmen des Eingriffsbegriffs, § 7, III, 5, c). Wenn der Betroffene irrational handelt, entscheidet er in eigener Verantwortung „freiwillig“ und wird nicht unter relevanten psychischen Druck gesetzt. Diese Frage ist mit dem „Tabu-Phänomen“ verwandt, vgl. oben § 8, III, 4, a), aber nicht identisch. Beim „Tabu“ muss überhaupt kein psychischer Effekt das menschliche Verhalten beeinflussen. Bei der Frage nach der Vernünftigkeit geht es um die Erheblichkeit eines vorhandenen Effekts.

  155. 155.

    Die als bekannt vorausgesetzten verheerenden mittelbaren Auswirkungen auf Leib, Leben, Freiheit und Eigentum der von solchen verdeckten Ermittlungen betroffenen Bürger machen deutlich, dass die Einschüchterungswirkung einen realistischen Hintergrund hat. Vgl. § 4, II, 3.

  156. 156.

    Vgl. hierzu das System der DDR, § 4, II, 2, in der gerade trotz im Gesetz verankerter Rechtsstaatlichkeit Missbrauch nicht verhindert wurde.

  157. 157.

    BVerfGE 30, 1, 47.

  158. 158.

    Vgl. oben § 8, III, 3, a).

  159. 159.

    Vgl. oben § 7, III, 3.

  160. 160.

    Die gesetzlichen Regelungen sind insoweit nicht konstitutiv. Selbstverständlich greift auch der Staat ein, der ohne Rechtsgrundlage nur faktisch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen nutzt. Der Einschüchterungseffekt ist dann umso größer.

  161. 161.

    Vgl. oben § 7, III, 3, a).

  162. 162.

    Missverständlich aber Epniney, Der Staat, Nr. 34, 1995, S. 582.

  163. 163.

    Die im Hinblick auf § 90 Abs. 2 BVerfGG prozessuale Frage, ob bereits abstrakt generelle Gesetze, also hier die §§ 98 ff. StPO, Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG darstellen, ist bei materiellen Strafgesetzen ausdiskutiert, vgl. Henke/Gröschner, S. 82 und gilt auch für belastende strafprozessuale Maßnahmen, BVerfGE 30, S. 16 ff., Leits. Nr. 1 und B II; Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität durch Burkhard Hirsch, abgedruckt in Vormbaum/Asholt, S. 9.

  164. 164.

    Der Nachweis ist ein verfassungsprozessuales Problem, vgl. § 7, III, 3, b).

  165. 165.

    Der Eingriff kann jedoch durch die „verfassungsmäßige Ordnung“ gerechtfertigt sein, steht also unter allgemeinem Gesetzesvorbehalt.

  166. 166.

    Vgl. zur Übertragung des Grundsatzes auf Schutzbereichsabgrenzungen: Quaritsch in: Isensee/Kirchhof, HSTtR 5, § 120 Rdn. 81. Dagegen spricht sich wegen „seines ‚dubiosen‘, unbestimmten an keiner Norm der Verfassung ausgerichteten Inhalts“ eine Ansicht in der Literatur aus, die den Grundsatz aber immerhin als Hilfsfunktion im Rahmen verfassungskonformer Auslegung gelten lassen will, vgl. Hochreiter, S. 117 f.

  167. 167.

    Vgl. das Zitat oben, in dem das BVerfG die Gefahr für das „Gemeinwohl“ anspricht, § 8, III, 2, ee).

  168. 168.

    Vgl. oben § 7, III, 3.

  169. 169.

    Wenn der Betroffene verurteilt wird, ist eine Begründung des Eingriffs durch eine zurechenbare Verursachung der Verurteilung durch verdeckte Maßnahmen natürlich eine Eingriffsbegründung, vgl. die Anforderungen des Eingriffsbegriffs oben § 7, III. Das löst aber nicht die Probleme der dogmatischen Einordung vor der Verurteilung oder ohne Verurteilung, wenn die Maßnahme eine entlastende Erkenntnis bringt. Das kann nicht den Eingriff bedingen.

  170. 170.

    Vgl. unten § 9, II.

  171. 171.

    Für das prozessrechtliche Rechtsschutzbedürfnis muss besonders begründet werden, warum bereits die zugehörige Befugnisnorm ein Eingriff ist und warum ein Eingriff auch nach seiner Beendigung noch belastende Nachwirkungen hat, etwa durch Wiederholungsgefahr oder erhebliche Grundrechtsbetroffenheit.

  172. 172.

    Jedenfalls nicht nur.

  173. 173.

    Vgl. oben § 7, III, 2.

  174. 174.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 261.

  175. 175.

    Vgl. oben § 7, III, 2, b).

  176. 176.

    Vgl. oben § 8, III, 3, a).

  177. 177.

    8 Maßnahmen im Jahr 2010, vgl. BTDrucks 17/3038 vom 24.09.2010.

  178. 178.

    Vgl. § 4, II, 3.

  179. 179.

    Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 30 ff.

  180. 180.

    Vgl. § 7, III.

  181. 181.

    Britz spricht treffend von einer „kaskadenartigen Konkretisierung“, Britz, S. 4.

  182. 182.

    Das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat sich im Zivilrecht erst nach dem Aufbrechen der traditionellen, am Eigentumsrecht orientieren Herrschaftsstruktur eines Subjekts über ein Objekt durchsetzen können, vgl. Götting in: Götting/Scherz/Seitz, § 1 Rdn. 29. Doch wurde diese Herrschaftsstruktur nur auf die eigene Person als Herrschaft des Subjekts über sich selbst erweitert, um den ethischen Wert des Menschen vor totaler Kommerzialisierung zu bewahren. Einen weitergehenden philosophischen Ansatz vertrat Max Stirner, der das „Eigentum an sich selbst“ ohne jeden kollektivistischen Einschlag radikal individualistisch begründete: „Was man der Idee der Menschheit zuschrieb, das gehört Mir. Jene Handelsfreiheit z. B., welche die Menschheit erst erreichen soll, […] Ich nehme sie Mir als mein Eigenthum vorweg und treibe sie einstweilen in der Form des Schmuggels. Freilich möchten nur wenige Schmuggler sich diese Rechenschaft über ihr Thun zu geben wissen, aber der Instinct des Egoismus ersetzt ihr Bewußtsein. Von der Preßfreiheit habe Ich dasselbe oben gezeigt. Alles ist mein eigen, darum hole Ich Mir wieder, was sich Mir entziehen will, vor allem aber hole Ich Mich stets wieder, wenn Ich zu irgend einer Dienstbarkeit Mir entschlüpfet bin. Aber auch dieß ist nicht mein Beruf, sondern meine natürliche That.“, Stirner, S. 438. Hubmann kritisierte, dass man „Immaterialgüterrechte in Analogie des Eigentums zu behandeln habe“ , Hubmann, S. 116. Die zivilrechtliche Dogmatik hat zwar längst ihrerseits verfassungsrechtliche Begründungen in sich aufgenommen, doch wurden damit nie alle eigentumsähnlichen Ansätze aufgegeben. Deshalb kann der dynamische Aspekt als Grundlage aktiver Entschließungs- und Handlungsfreiheit ohne dogmatische Probleme mit einem statischen Recht (Menschenwürdegarantie) verbunden werden, nach dem Beobachtungen eigener Tätigkeit durch andere und deren Verwertung durch diese verboten werden können. Die übergeordneten Aspekte sind das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht an der Persönlichkeit und das Recht auf Individualität, vgl. Götting in: Götting/Scherz/Seitz, § 1 Rdn. 1–3. In verfassungsrechtlichen Kategorien kann aber nur Art. 2 Abs. 1 GG die Grundlage sein. Die Fragen kommerzieller Nutzbarkeit und eigentumsähnlicher Normativierung können daher nicht als Begründung dienen, vgl. Götting in: Götting/Scherz/Seitz, § 1 Rdn. 3.

  183. 183.

    Eine andere Frage ist, ob alle Grundrechte auf eine philosophischen Metaebene in der Menschenwürde „wurzeln“. Entscheidend, ist dass die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG unantastbar ist und die nachfolgenden Grundrechte antastbar sind, unabhängig davon, wie diese Metapher von der „Wurzel“ zu verstehen ist.

  184. 184.

    Die Preislosigkeit der Menschenwürde war schon für Kant eines ihrer Wesensmerkmale. Im Gegensatz zum Preis ist Würde bei Kant der absolute, niemals gegenrechenbare „innere Wert“ der Menschheit. Der Grund für die Menschenwürde ist die Vernunft und damit die allein menschliche Eigenschaft, nach ethischen Maßstäben urteilen und handeln zu können, vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, GMS 2. Abs. III. 60 ff. Mit zu „achten“ in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG wird die ebenfalls von Kant erwähnte „Achtung“ und mit der „Unveräußerlichkeit“ der Menschenrechte in Art. 1 Abs. 2 GG, wird das Konzept der Preislosigkeit Kants zitiert.

  185. 185.

    Selbst die Ansicht, die bei der Definition des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde eine gewisse Relativierung durch gegenläufige Interessen einfließen lassen will, gibt der Menschenwürde ein besonderes Gewicht. Zu dieser Ansicht und den unterschiedlichen Ergebnissen, vgl. unten § 8, IV, 3, b).

  186. 186.

    BVerfGE 109, 279, 320 ff.; Lindemann, JR 2006, S. 193; Warntjen, S. 48 ff.

  187. 187.

    Er kann sich bei spezielleren Grundrechten entsprechend aus Art. 10 Abs. 1 oder 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 10 Abs. 2 ergeben.

  188. 188.

    Stürner, NJW 1981, S. 1757.

  189. 189.

    Anderes würde nur gelten, wenn Art. 1 Abs. 1 GG kein subjektives Recht enthielte, sondern nur ein objektives Recht wäre. Die Frage, ob der Anspruch auf Achtung der Menschenwürde ein objektiver Grundsatz oder ein subjektives Grundrecht des Einzelnen ist, wird kontrovers diskutiert. In erster Linie geht es um die prozessuale Konsequenz, wer eine Verletzung des Anspruchs auf Achtung der Menschenwürde einklagen kann, Art. 93 Nr. 4a GG. Diese Frage kann für das vorliegende Thema offen bleiben. Für die verdeckten Ermittlungen ist nur relevant, ob auch dann eine Verletzung der Pflicht zur Achtung der Würde vorliegt, wenn der Einzelne sich nicht gekränkt fühlt oder die Maßnahme gar nicht bemerkt. Eine Würdekonzeption wird aber nicht vertreten, nach der nur in solchen Fällen die Menschenwürde missachtet wird, in denen der Einzelne das Antasten seiner Würde spürt und sie gerade ihm zum Nachteil gereicht. Es wird zumindest ein normativer Einschlag der Menschenwürde anerkannt, nach dem eine individuelle Betroffenheit nicht mit einer individuellen Fühlbarkeit oder Freiheitsbeeinträchtigung einhergehen muss. Das BVerfG hat dazu nicht eindeutig Stellung genommen, aber beiläufig die Menschenwürde als Grundrecht eingeordnet, vgl. BVerfGE 1, 322, 343; 14, 249, 255; 50, 256, 262; 61, 126, 137; 72, 105, 114 ff. In der Literatur ist die Einordnung strittig. Die Argumente aus Wortlaut und Systematik sprechen eher dafür, dass es sich um einen besonderen Grundsatz handelt, auf den weder die Schutzbereichsdogmatik noch die Eingriffslehre der Freiheitsgrundrechte anzuwenden sind, Dreier, GG2, Rdn. 128; kritisch Herdegen in: Maunz/Dürig, GG57, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 26. Zudem würde nach dieser Ansicht eine solche Einordnung „Relativierung und Abwägung des Art. 1 Abs. 1 GG Vorschub leisten“, Dreier, GG2, Art. 1 Rdn. 127. Ein Rechtsschutzdefizit besteht auch bei einer Einordnung als rein objektivem Grundsatz nicht, vgl. Art. 93 Nr. 4a GG, da Art. 1 Abs. 1 GG auch vom BVerfG immer in Verbindung mit Freiheitsgrundrechten geprüft werde. Nach dieser Ansicht gäbe es keine Notwendigkeit, die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG als beschwerdefähiges Grundrecht einzustufen. Enders, S. 94 ff.; zum Streitstand siehe Dreier, GG2, Art. 1 Rdn. 129, Fn. 422, 423. Für die Einordnung des Menschenwürdeschutzes als Grundrecht, Stern in: von Mangoldt/Klein/Starck, 93 Rdn. 663, Kloepfer, Leben und Würde des Menschen, S. 71 ff. Danach gibt Art. 1 Abs. 1 GG dem Einzelnen ein Individualgrundrecht auf Respektierung der Würde durch die Staatsgewalt. Auch nach hier vertretener Ansicht ist die Menschenwürde ein individuelles Grundrecht, aber zugleich objektiver Wert. Die objektive Seite kann nicht individuell eingeklagt werden, auf sie kann der Einzelne auch nicht verzichten. Hinsichtlich des individuellen Anspruchs ist beides zulässig. Eine Absage ist der Auffassung Dreiers zu erteilen, nach der es sich nur um ein objektive Recht handelt. Daher wird im Folgenden nicht nur von einer Schutz- oder Achtungspflicht, sondern von einem (individuellen) Anspruch auf Achtung der Menschenwürde gesprochen.

  190. 190.

    Enders, S. 129.

  191. 191.

    Dürig meint, es sei „ein Unding, ein subjektives Recht annehmen zu wollen, dessen Anspruchsinhalt man gleichzeitig vom konkreten Rechtsträger abstrahiert“ Es handele sich um die Setzung einer zentralen Norm des nur objektiven Rechts, Dürig in: Maunz/Dürig, GG2, Art. 1 Abs. 1 GG Rdn. 4 in Fn. 3. Zustimmend und diese Ansicht erweiternd, Enders, S. 129 ff. Dem ist aber nicht zuzustimmen. Der oberste Wert des Grundgesetzes steht auch dem einzelnen Menschen zu. Schon nach der Konzeption Kants ist die Menschenwürde einerseits Idee und andererseits Eigenschaft des Einzelnen (der Mensch selbst ist seine Würde). Das Gegenargument Dreiers, die Menschenwürde habe sich noch immer mit Grundrechten verbinden lassen, kann nicht überzeugen, Dreier, GG2, Art. 1 Rdn. 129. Diese Methode des BVerfG ist gerade für die Verbindung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit unsystematisch, da die Würde den Integritätsschutz betrifft und nichts mit der Handlungsfreiheit zu tun haben muss. Gerade für den Integritätsschutz ist ein eigenständiges Individualrecht auf Menschenwürde notwendig.

  192. 192.

    Vgl. dazu die ausführliche Streitdarstellung unten, § 8, IV, 2.

  193. 193.

    Dreier, GG2, Rdn. 50, 58.

  194. 194.

    BVerfGE 109, 279, 314 ff.

  195. 195.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 378a.

  196. 196.

    „Wenn Art. 1 Abs. 1 GG sagt: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘, so will er sie nur negativ gegen Angriffe abschirmen. Der zweite Satz: ‚… Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt‘ verpflichtet den Staat zwar zu dem positiven Tun des ‚Schützens‘, doch ist dabei nicht Schutz vor materieller Not, sondern Schutz gegen Angriffe auf die Menschenwürde durch andere, wie Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung usw. gemeint.“, BVerfGE 1, 97, 105.

  197. 197.

    Vgl. die Diskussion um den Vorschlag v. Mangoldts als Reaktion auf den Nationalsozialismus in Art. 1 Abs. 2 GG die folgende Formulierung zu verwenden: „deshalb erkennt das Deutsche Volk de naturgegebenen Rechte erneut als Grundlage aller menschlichen Gemeinschaft an“. Dies wurde abgelehnt, weil das GG nicht nur eine metanoia, eine Umkehr und Abkehr vom Nationalsozialismus sein sollte. Dass es aber auch eine solches Reaktion war, zeigt die zustimmende Replik Schrages auf Heuss: „Viele unter uns und Tausende andere haben die Würde in der Nazizeit hochgehalten, haben dafür Opfer gebracht und sind dafür in den Tod gegangen. Aber die Würde wurde getreten wie es schlimmer nicht möglich war.“, zu alledem Bundestag/Bundesarchiv, S. 65 ff., 73.

  198. 198.

    Aus dem Verbot der Behandlung als bloßes Mittel zu anderen Zwecken hat sich die sog. Objektformel entwickelt. Danach darf der Einzelne nicht wie ein Objekt, wie eine Sache behandelt werden. Dies Formel baut auf der Philosophie Kants auf und wurde zunächst in der Literatur, namentlich von Wintrich und Dürig entwickelt, vgl. dazu unten § 8, IV, 2, b).

  199. 199.

    BVerfGE 30, 25 f.; 109, 279, 312 f.

  200. 200.

    Teifke, S. 12 ff.

  201. 201.

    BVerfGE 30, 25 f.

  202. 202.

    BVerfGE 109, 279, 313. Vgl. auch BVerfGE 34, 238, 249.

  203. 203.

    BVerfGE 109, 279, 313.

  204. 204.

    BVerfGE 109, 279, 313 f.

  205. 205.

    BVerfGE 109, 279, 314 f.

  206. 206.

    Strenggenommen ist nach dem BVerfG schon das Äußern der Gedanken ein Schritt hinaus aus dem „forum Internum“. Danach kommt es für die Zugehörigkeit eines Verhaltens nicht auf die formale Art der Äußerung, sondern entscheidend auf deren Inhalt an. Unter welchen Umständen dies gegeben ist, wird weiter unten zu beantworten sein.

  207. 207.

    BVerfGE 109, 279, 319.

  208. 208.

    BVerfGE 109, 279, 321.

  209. 209.

    BVerfGE 109, 279, 323.

  210. 210.

    BVerfGE 80, 367.

  211. 211.

    BVerfGE 80, 367, 373 f.

  212. 212.

    BVerfGE 80, 367, 375. Kritisch dazu Kleb-Braun, CR 1990, S. 344 ff; Händel, NJW 1964, S. 1139; Wolter, Strafverteidiger 1990, S. 175 ff; Schmidt, Jura 1993, S. 591 und schon Sax, JZ, 1965, S. 1 ff.

  213. 213.

    BVerfGE 124, 43, 70.

  214. 214.

    Dürig, AöR, Bd. 81, S. 117 ff.

  215. 215.

    „[…] die Objektformel als abstrakte Bestimmung des Menschenwürdebegriffs ist ohne weiteres konsensfähig. Teilweise wird sie, da sie Selbstverständliches zum Ausdruck bringe, als Leerformel bezeichnet.“ Teifke, S. 11; zur Kritik wegen der inhaltlichen „Leere“, Michael/Morlok, Rdn. 135.

  216. 216.

    Dürig in: Maunz/Dürig, GG2, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 28; Dürig, AöR, Bd. 81, 1956, S. 127. Die Formel geht auf die Vorarbeit Wintrichs zurück: „Da die Gemeinschaft sich aus freien eigenständigen Personen aufbaut, die durch ihr Zusammenwirken das Gemeinschaftsgut verwirklichen, muß aber der Mensch auch in der Gemeinschaft und ihrer Rechtsordnung immer ‚Zweck an sich selbst‘ (Kant) bleiben, darf er nie zum bloßen Mittel eines Kollektivs, zum bloßen Werkzeug oder zum rechtlosen Objekt eines Verfahrens herabgewürdigt werden.“ Wintrich, Über Eigenart und Methode verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, S. 235 f. Die Formel lehnt sich an Kants zweite Formel des kategorischens Imperativs an: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ „Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem Gesetz, dass jedes derselben sich selbst und alle andere niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle.“ Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, GMS 2. Abs. III. 60 ff; Menschenwürde ist danach die vernünftige Einsicht in die wechselseitige Verpflichtung, andere Menschen auch „als Zweck an sich selbst“ und „niemals bloß als Mittel“ zu behandeln. „Die Menschheit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von keinem Menschen (weder von anderen noch sogar von sich selbst) bloß Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden, und darin besteht eben seine Würde (die Persönlichkeit).“ Kant, Metaphysik der Sitten. Tugendlehre, MST § 38 (III 321). Bei Kant ist die Achtung der Würde normativer Achtungsanspruch. Nur die „Würde der Menschheit als vernünftiger Natur“ ohne einen zu erreichenden Zweck, „also die Achtung für eine bloße Idee“ dient als sittliche Vorschrift. Vgl. Kant, Grundlegug zur Metaphysik der Sitten, GMS 2. Abs. III. 65 f. Konsequent zur Würde als „Idee“ ist eine Verlegung der Würde daher nicht möglich, aber eine Verletzung der Pflicht, die Würde zu bewahren. Nur das ist auch sinnvoll, da die Würde nicht etwa endet, wenn ein Mensch umgangssprachlich „entwürdigt“ wird. Sie kann gerade nicht verloren gehen. Der Einzelne muss nach Kant die Würde stellvertretend für die Würdeidee als Ganzes individuell bewahren. „Seine Pflicht ist es, die Würde der Menschheit in seiner eigenen Person nicht zu verleugnen“, Kant, Über Pädagogik, VIII 240 f. Dieses idealistische Würdekonzept hat auch Eingang in die Erwägungen des parlamentarischen Rates gefunden.

  217. 217.

    Vgl. oben § 8, IV, 2, a).

  218. 218.

    Vgl. § 8, IV, 2, a).

  219. 219.

    Teifke, S. 12 ff.

  220. 220.

    Vgl. BVerfGE 30, 1, 40.

  221. 221.

    Dabei handelt es sich um eine metaphysische Frage, die hier offen bleiben muss.

  222. 222.

    BVerfGE 80, 367, 373 f.

  223. 223.

    Damit geht das Gericht über die Ausgrenzung von konkreten Straftaten aus dem Kernbereich hinaus.

  224. 224.

    Ihr zuzuordnen sind Sachverhalte höchstpersönlichen Charakters wie Tagebucheinträge oder Sexualität, wobei die Zuordnung auch davon abhängt, ob ein Sachverhalt aus sich heraus die Privatsphären anderer und nicht nur die des Betroffenen berührt.

  225. 225.

    Vgl. § 8, VI, 1, c), cc).

  226. 226.

    Zur Erforderlichkeit eines zweistufigen – präventiven und nachträglichen – Kernbereichsschutzkonzepts vgl. unten § 15.

  227. 227.

    Vgl. § 4, II, 2.

  228. 228.

    Vgl. oben § 4, II, 1, c).

  229. 229.

    heise online, 17.12.2011.

  230. 230.

    Vgl. AG Heidenheim NJW 1981, 1628.

  231. 231.

    Vgl. § 8, IV, 2, b).

  232. 232.

    Aber selbst psychisch Kranke oder unvernünftige Kinder dürfen nicht vom Staat in allen Lebenslagen ohne zwingenden Grund überwacht werden. Auch sie haben Menschenwürde. Über die „Idee“ oder den „absoluten Wert“ der Würde ist die Konzeption an grundlegender Stelle für weitere Erwägungen offen. Denn auch geistig stark behinderte Menschen und Säuglinge tragen die Idee der Würde in sich und sollen daher, soweit dies möglich ist, so behandelt werden als ob sie einen Funken Vernunft in sich hätten und dürfen jedenfalls nicht mit dem Ausdruck der Verachtung für ihr „Sosein“ behandelt werden. Dies ergibt sich daraus, dass sie entweder Vernunft in sich entwickeln können oder wenigstens daraus, dass sie als Teil der ganzen Menschheit stellvertretend auch an deren Würde teilhaben. Diese normative Zuschreibung lässt sich nicht durch andere Begriffe umgehen. Der Begriff der rein rationalen Vernunft ist nach Erkenntnissen der Neurowissenschaften um „Ich-Bewusstsein“ oder „Empfindungsfähigkeit“ zu erweitern, vgl. Heun, Humangenetik und Menschenwürde. Beginn und Absolutheit des Menschenwürdeschutzes, S. 209 f; Braun, Die besten Gründe für eine kategorische Auffassug der Menschenwürde, S. 86 und zum Einfluss der Neurowissenschaften auf den Begriff der Menschenwürde, Wetz, S. 174 ff. Dies ändert nichts daran, dass es Fälle gibt, in denen auch diese Fähigkeiten fehlen und trotzdem von menschlicher Würde ausgegangen werden muss. Sonst ist der allgemeine Wert der Würde gefährdet. Aus der Würdetheorie Kants und den Grundlagen der Mitleidsethik ergibt sich noch nicht zweifelsfrei, warum die Menschenwürde als „Idee“ oder „Wert“ kollektiviert und abstrahiert wird und nicht wie die ihr nachfolgenden Grundrechte nur vor individuellen Beeinträchtigungen schützt. Dieser Grund liegt in der über die individuelle Erniedrigung hinausgehende Gefahr für die Behandlung aller anderen. Dieses „Dammbruchargument“ ist die notwendige realistische Ergänzung zu dem logisch schlüssigen idealistischen Würdekonzept Kants, dass die Gleichsetzung von Idee und Realität axiomatisch voraussetzt. Vgl. zum Dammbruchargument bei Menschenwürde und Folter, Weilert, S. 179; Taupitz, S. 3 warnt allerdings vor der Gefahr, dass das „Dammbruchargument“ in der Menschenwürdediskussion leicht als „Totschlagargument“ oder „rhetorisches Trumpf-As“ verwendet werden kann, vgl. zum „Dammbruchargument“ auch Hefendehl, JZ 2009, S. 165 ff. Ohne diesen Ansatz ist ein Antasten der Menschenwürde durch eine individuell folgenlose Maßnahme aber nicht möglich; sonst könnten nur körperliche Erniedrigungen die Menschenwürde missachten. Bereits das verbale Absprechen der Menschenwürde kann eine Missachtung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG sein, vgl. zum Beispiel das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (RGBl. I S. 1146) – das sogenannte Blutschutzgesetz – sowie das Reichsbürgergesetz (RGBl. I S. 1146) von 1935. Der drohende Schaden ist, dass ein Mensch nicht nur punktuell, sondern ganzheitlich als „Sache“ oder „Tier“ und nicht als Mensch behandelt wird, dass ihm Leib, Leben und Freiheit so genommen werden, dass er seinen autonomen Lebensentwurf nicht mehr ausleben kann. Wenn das verächtliche, erniedrigende Verhalten des Täters, dermaßen widerlich ist, dass die Behandlung des Opfers den Aussagewert hat, „Du bist für mich kein Mensch mehr!“, dann erst ist die Würde missachtet.

  233. 233.

    BVerfGE 27, 1, 7.

  234. 234.

    BVerfGE 27, 1, 8.

  235. 235.

    Siehe oben § 8, IV, 2, a), bb).

  236. 236.

    Vgl. dazu die Ausführungen unten, § 35.

  237. 237.

    Zum Problemkomplex Menschenwürde und Bewegungsprofile eingehend Roggan, Grenzenlose Ortung im Strafverfahren?, S. 153 ff.

  238. 238.

    Vgl. oben § 8, IV, 2, a), cc).

  239. 239.

    BVerfGE 34, 238, 245.

  240. 240.

    Herdegen in: Maunz/Dürig, GG57, Rdn. 43 ff.; Dederer, JöR 2009, S. 117 ff.

  241. 241.

    Herdegen in: Maunz/Dürig, GG57, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 43 ff.

  242. 242.

    Herdegen in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 45.

  243. 243.

    Vgl. auch Makrutzki, S. 65 ff.; 103, der speziell verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen von V-Personen behandelt. Diese Ansicht müsste konsequent für alle anderen Maßnahmen der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gelten.

  244. 244.

    Makrutzki, S. 65 ff.; 103.

  245. 245.

    Das führt auf der anderen Seite zu einem engen Verständnis des Schutzbereichs der Menschenwürde: Das Töten eines Menschen muss nicht gegen seine Menschenwürde verstoßen und ist jedenfalls nicht wegen des Achtungsanspruchs aus Art. 1 Abs. 1 GG in jedem Falle verboten, obwohl eine stärkere Missachtung des Menschen als seine Vernichtung nicht möglich ist. Die Trennung von Lebensschutz und Menschenwürde ergibt sich schon aus der Systematik des Grundgesetzes, das diese Rechte in Art. 1 und Art. 2 GG trennt. Auch in der Philosophie wird das „Dasein“ vom „Sosein“ getrennt, vgl. Heidegger, S. 42. Die sachliche Basis der normativ-dogmatischen Funktion der Menschenwürde findet nach Enders, S. 129, ihre tatbestandliche Grundlage in der Unterscheidung von innerem „Sein“ und äußerer Entfaltung der Persönlichkeit.

  246. 246.

    Dagegen hält Dreier in: Dreier, GG2, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 49 die Menschenwürde insoweit für ein untaugliches Instrument.

  247. 247.

    Dass in der Sache bei der Bildung des Menschenwürdebegriffs nicht nur Interessen des Betroffenen, sondern auch gegenläufige Interessen berücksichtigt werden, zeigt Alexy u. a. an dem Beispiel des Abhörurteils des BVerfG (BVerfGE 30, 1). Zwar findet keine Abwägung der Menschenwürde gegen Sicherheitsinteressen statt, aber der Begriff der Menschenwürde bzw. der Menschenwürdeverletzung wird eng ausgelegt, so dass das Abhören von Gesprächen nicht unbedingt dazu gehört. Alexy unterscheidet zwischen Menschenwürdeprinzip, das auch gegen andere Prinzipien abgewogen werden darf und dem Ergebnis dieser Abwägung, der Menschenwürderegel, die nicht mehr der Abwägung offen stehe, vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 96 f. Vgl. dazu auch den Streit um die Abwägbarkeit der Menschenwürde unter § 8, IV, 3, b). Aus einem ähnlichen Ansatz leitet Brugger, JZ 2000, S. 165 f., ab, dass die Folter von Terroristen unter bestimmten Umständen (sog. Rettungsfolter zur Gefahrenabwehr) nicht gegen die Menschenwürde verstoße. Die Menschenwürde ist dann trotz Einsatz eines grundsätzlich verwerflichen Mittels nicht berührt, wenn bestimmte Gründe vorliegen. Dass die „Rettungsfolter“ nach h. M. gegen den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde verstößt, ist nicht von dogmatischen Gesichtspunkten, sondern von subjektiven ethischen Überzeugungen abhängig.

  248. 248.

    Vgl. Dreier in: Dreier, GG2, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 22 m. w. N.

  249. 249.

    So nachdrücklich auch Herdegen in: Maunz/Dürig, GG57, Rdn. 44, der die Zweckrichtung einmal als Abwägungstopos bei der Begriffsbildung nutzen will und ein anderes Mal als Verletzungsgrund an sich einordnet. Vgl. auch Herdegen, JZ 2001, S. 775; Dreier in: Dreier, GG2, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 90. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht gilt für den Einblick in den Kernbereich Letzteres: Die Absicht oder das sichere Wissen in den Kernbereich einzudringen, begründet unabhängig von weiteren noch so lauteren Absichten allein die Missachtung der Menschenwürde.

  250. 250.

    Vgl. unten § 23, I, 2.

  251. 251.

    Vgl. dazu unten § 15, IV, 4.

  252. 252.

    So ist etwa die Auslieferung eines Bürgers an Terroristen, die diesen foltern und töten wollen, nicht gestattet, auch wenn diese damit drohen, ein Atomkraftwerk zu sprengen. Vgl. auch zur Verfassungswidrigkeit des Luftsicherheitsgesetzes BVerfGE 115, 118, 159: „Unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (Menschenwürdegarantie) ist es schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich in einer derart hilflosen Lage befinden, vorsätzlich zu töten.“

  253. 253.

    Vgl. Hobbes, Vom Menschen, Vom Bürger, S. 69, der den Rückfall in den Naturzustand mit dem Vergleich, „der Mensch wird des Menschen Wolf“, beschreibt. Gerade diesen Naturzustand möchte Hobbes um jeden Preis vermeiden. Jenseits des Staates, den er mit menschlicher Zivilisation gleichsetzt, droht der Mensch nur als Tier zu agieren. Die Menschenwürde des jeweils anderen wird nicht mehr geachtet, da er nur als Objekt der Bedürfnisbefriedigung oder zu meidender bzw. bekriegender Ressourcenkonkurrent gesehen wird. Der Ausspruch „homo homini lupus“ ist ursprünglich ein Zitat des Römischen Komödiendichters Plautus.

  254. 254.

    Siehe unten § 15.

  255. 255.

    Eisenberg, JR 2011, S. 407.

  256. 256.

    Vgl. dazu unten § 34, III.

  257. 257.

    BVerfGE 56, 37, 43.

  258. 258.

    BVerfGE 34, 238.

  259. 259.

    BVerfGE 34, 238, 249, in dieser Entscheidung ging es allerdings um eine Aufnahme, die auf eigene Initiative eines nicht betroffenen Privatmanns gefertigt wurde.

  260. 260.

    Jäger, Beweisverfahren und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 164 f.; Krey, Sonderband der BKA Forschungsreihe 1993, Rdn. 169; Meyer-Goßner, StPO50, Einl. Rdn. 29a; Rogall in: SK-StPO, Vor § 133 Rdn. 139 f.; Hellmann, Rdn. 444; vgl. auch die Darstellung bei Verrel, NStZ 1997, S. 361, 415.

  261. 261.

    Ellenbogen, Kriminalstatistik 2006, S. 547.

  262. 262.

    Engländer, ZIS (www.zis-oline.com); Kühne, Rdn. 904 f.; Eidam, S. 82 ff.; Eisenberg, Beweisrecht der StPO: Spezialkommentar, Rdn. 571a; Roxin, NStZ 1997, S. 19; Weßlau, ZStW, Bd. 110, S. 1; Renzikowski, JZ, Bd. 52, 1997, S. 710, 714 sieht es als Bestandteil des Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

  263. 263.

    BGHSt 52, 11.

  264. 264.

    Engländer, ZIS (www.zis-oline.com), S. 166; so ähnlich schon Esser, JR 2004, S. 106.

  265. 265.

    Engländer, ZIS (www.zis-online.com), S. 166.

  266. 266.

    Als einer der wenigen setzt sich Bosch, S. 27 ff. mit den verfassungrechtlichen Grundlagen auseinander. Vgl. auch Rogall in: Wolter, SKStPO, Vor § 133 Rdn. 132.

  267. 267.

    Engländer, ZIS (www.zis-oline.com), S. 166; Weßlau, ZStW Bd. 110, S. 10.

  268. 268.

    Vgl. zu den eigenen Ansätzen unten § 30 und § 34 und zum grundsätzlichen Unterschied zwischen verdeckten Maßnahmen und Zwang zur Selbstbelastung.

  269. 269.

    Vgl. aber die später zu behandelnde besondere Problematik des Verdeckten Ermittlers § 30.

  270. 270.

    So schon Fischer, S. 95 ff.; Starck in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Rdn. 51; Möller, JZ 2005, S. 317.

  271. 271.

    Überwachungsprotokolle oder -aufnahmen werden sogar als Sachbeweis bezeichnet, vgl. (Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung)Vormbaum, S. 47.

  272. 272.

    Vgl. unten § 30, I, 3 und ausführlich an diese Ausführungen anknüpfend § 34, III, 2.

  273. 273.

    Vgl. unten Fünfter Teil.

  274. 274.

    Thomas Böckenförde, S. 400; vgl. auch Jarass/Pieroth, Art. 10 Rdn. 6.

  275. 275.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 826 f.

  276. 276.

    Zum Schutzbereich im Detail, vgl. Pieroth/Schlink, Rdn. 826 ff.

  277. 277.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 829 f.

  278. 278.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 835.

  279. 279.

    Vgl. 3. unter § 2, I.

  280. 280.

    BVerfGE 67, 157, 172.

  281. 281.

    Vgl. Badura in: Dolzer/u. a., Art. 10 Rdn. 31. Anders die h. M. Hermes in: Dreier, GG2, Art. 10 Rdn. 28; Pieroth/Schlink, Rdn. 836 m. w. N., die aber über das Argument, „private Beförderer gehören nicht zum Staat“ kaum hinaus kommt. Für eine Wirkung auch zu Lasten der privaten Dienstleister spricht die Herkunft des Postgeheimnisses, das in der Verfassungsgeschichte ursprünglich als gesondertes Recht gegen den privaten Postdienstleister vom gegen den Staat gerichteten Briefgeheimnis getrennt war, vgl. oben. Durch die Privatisierung der Staatspost wird also gleichsam die historische Funktionsverteilung wiederhergestellt, die der originären Bedeutung des Postgeheimnisses in der Verfassungstradition entspricht.

  282. 282.

    Nicht nur die Organisation erfolgt privatrechtlich, sondern auch die Anteilsmehrheit der Unternehmen liegt inzwischen bei Privaten. Zur Bedeutung für die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen, vgl. unten § 8, VI, 3, b).

  283. 283.

    BVerfGE 106, 28, 37.

  284. 284.

    BVerfGE 115, 166.

  285. 285.

    Eine Doppelnatur haben insoweit statische IP-Adressen, die sowohl Verkehrs- als auch Bestandsdaten sind. Denn mit diesen Daten lässt sich ein konkreter Computer und dessen wahrscheinlicher Inhaber bestimmten. Dynamische IP-Adressen sind nur Verkehrsdaten, soweit eine solche Zuordnung nicht erfolgen kann.

  286. 286.

    BVerfGE 125, 260, 309.

  287. 287.

    BVerfGE 125, 260, 333.

  288. 288.

    Dies kann das BVerfG freilich nicht durchhalten, denn wenn der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betroffen ist, ist auch nach dem BVerfG jede absichtliche Überwachung eine Missachtung der Menschenwürde, gerade weil persönliches Vertrauen schutzwürdig ist, vgl. § 8, IV, 2, a), aa); BVerfGE 109, 279, 321. Nach hier vertretener Auffassung gehört dieses Vertrauen, auch wenn es nicht sehr privaten Inhalte betrifft, zum Schutzbereich des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung. Die „Alles-oder-Nichts-Lösung“ (Missachtung der Menschenwürde bei der Eindringen in höchst private Vertrauensbeziehungen, aber kein Grundrechtsschutz bei darüber hinausgehendem Ausforschen von Kommunikation in Vertrauensbeziehungen) überzeugt nicht.

  289. 289.

    BVerfGE 120, 274, 340 f.

  290. 290.

    BVerfGE 120, 274, 341.

  291. 291.

    Dass dies Vorgehen aber auch nicht in andere Grundrechte eingreifen soll, ist höchst fraglich. Jedenfalls wenn der Staat an eine Kontaktperson herantritt und diese freiwillig staatlicher Überwachung zustimmt, kommt nach hier vertretener Ansicht ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit von Einschüchterung in Betracht. Denn diese Privatperson ist nur Vermittler eines Zugriffs, der dem staatlichen Verantwortungsbereich zugerechnet werden muss, siehe oben § 8, III, 6. Dieses spezielle Problem wird unten unter im Detail behandelt.

  292. 292.

    BVerfGE 115, 166.

  293. 293.

    BVerfGE 115, 166, 188 f.

  294. 294.

    Unruh, S. 12.

  295. 295.

    Nach hier vertretener Ansicht ist das Grundrecht aus Art. 10 GG als spezielle Regelung des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung einzuordnen, da die Überwachung der Fernkommunikation wie jede heimliche Überwachung die oben beschriebenen Einschüchterungseffekte hat. Für die Anforderungen an eine Rechtfertigung des Eingriffs ist nur ein Gleichlauf beider Grundrechte konsequent. Die Identität der Schrankenregelungen erkennt auch das BVerfG in seinen Entscheidungen zur E-Mail-Beschlagnahme und zur Vorratsdatenspeicherung, wenn es die für das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht entwickelten „Maßgaben“ auf das speziellere Grundrecht aus Art. 10 GG überträgt, vgl. BVerfGE 124, 43, 56 f.; 125, 260, 310. Beide Grundrechte sind gleichrangig (vgl. dazu § 9, II, 4, a)) und die Schrankendogmatik ist austauschbar. Daher ergibt die vom des BVerfG ausführlich begründete Unterscheidung zwischen Art. 10 GG und dem Computergrundrecht auf den ersten Blick keinen Sinn. Aulehner, S. 404 f. kritisiert die verfassungsrechtliche Dogmatik allgemein. Das Herausgreifen eines singulären Grundrechtsverhältnisses erfolge „gleichsam selbstverständlich“ und werde einer komplexen Situation aus verschiedenen ranggleichen Grundrechts- und Verfassungspositionen oft nicht gerecht.

  296. 296.

    Das Urteil zur E-Mail Überwachung (BVerfGE 115, 166) setzt sich mit der Abgrenzung eingehend auseinander. Für die Frage, wie stark das Schutzniveau für die Sicherung der jeweiligen Grundrechte sein muss, ist die Bedeutung der Schutzbereichsunterscheidung zwischen Art. 10 GG und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die überragende Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen weitgehend nivelliert.

  297. 297.

    Dies ist hier ausführlich mit der Herleitung des Grundrechts auf Freiheit von Einschüchterung gezeigt worden, vgl. oben § 8, III.

  298. 298.

    Siehe § 8, VI, 2, c).

  299. 299.

    Teilnichtig nach BVerfGE 125, 260.

  300. 300.

    BVerfGE 125, 260, 326.

  301. 301.

    Auch „Internet-Telefonie“ genannt. Zu den technischen Hintergründen vgl. Bonnekoh, S. 26 ff. und zu der Subsumtion unter das TKG ebenfalls Bonnekoh, S. 72 ff. Dies ist auch für die dynamische Verweisung aus der StPO in das TKG bezüglich des derzeit teilnichtigen § 100g StPO bedeutsam.

  302. 302.

    BVerfGE 120, 274, 308.

  303. 303.

    BVerfGE 120, 274, 308.

  304. 304.

    BVerfGE 120, 274, 307.

  305. 305.

    BVerfGE 120, 274, 307.

  306. 306.

    BVerfGE 115, 166.

  307. 307.

    BVerfGE 106, 28, 37 f.

  308. 308.

    BVerfGE 125, 260, 309.

  309. 309.

    BVerfGE 115, 166.

  310. 310.

    BVerfGE 115, 166.

  311. 311.

    „So gewährt Art. 10 Abs. 1 GG auch Schutz, wenn an einem Endgerät, etwa einem Telefon, ein Abhörgerät angebracht und genutzt wird. […] Im Vordergrund steht [der Schutz des] Vertrauens in die Sicherheit der zur Nachrichtenübermittlung eingesetzten Telekommunikationsanlage […]“, BVerfGE 106, 28, 37 f.

  312. 312.

    Vgl. oben § 3, III, 3.

  313. 313.

    Dass auch diese Anlagen nicht weniger intensiv, aber auf andere Weise geschützt werden müssen, ist eine andere Frage, die analog der Schutzbereichsabgrenzung zwischen Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG beantwortet werden muss. Vgl. oben § 8, VI, 2.

  314. 314.

    Vgl. oben § 8, VI, 2, c).

  315. 315.

    BVerfGE 115, 166.

  316. 316.

    BVerfGE 115, 166, 187; BVerfGE 106, 28, 38.

  317. 317.

    Vgl. § 8, VI, 2, a).

  318. 318.

    Vgl. § 8, VI, 2, b).

  319. 319.

    BVerfGE 120, 274, 340 f.

  320. 320.

    BVerfGE 120, 274, 309.

  321. 321.

    Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen – Ein Schritt in Richtung Informationsgesellschaft, /* KOM/97/0623 endg. */.

  322. 322.

    Vgl. unten § 23, IV, 5, g).

  323. 323.

    Vgl. zur Streitdarstellung Meininghaus, S. 261 ff.

  324. 324.

    Übernommen von Meininghaus, S. 48 ff.; Klesczewski, ZStW 2011, 745.

  325. 325.

    BGH NJW, S. 1828 geht auf in Phase 3 (Zwischenspeicherung) nicht von Telekommunikation aus. Da der BGH aber statt § 100a StPO § 99 SPO prüft und ausdrücklich darauf hinweist, die E-Mail-Beschlagnahme sei in jeder Hinsicht vergleichbar mit der Beschlagnahme anderer Mitteilungen, welche sich zumindest bei einem Postdienstleister befinden, scheint er insoweit nicht das Fernmeldegeheimnis, sondern das Brief oder Postgeheimnis für betroffen zu halten.

  326. 326.

    Vgl. Keller, KR 2009, S. 491; Klesczewski, ZStW 2011, S. 746 m. w. N.

  327. 327.

    Vgl. Pieroth/Schlink, Rdn. 838.

  328. 328.

    Der E-Mail-Beschlagnahme kommt auch eine handlungssteuernde Einschüchterungswirkung zu. Menschen die eine solche Beschlagnahme fürchten, werden unter Umständen ihre Handlungsmöglichkeiten zur externen Speicherung nicht wahrnehmen.

  329. 329.

    Weicht der Begriff der Telekommunikation in der StPO vom verfassungsrechtlichen Begriff ab? Vgl. unten § 23, V, c).

  330. 330.

    Zöller, S. 33 ff.

  331. 331.

    Näher inhaltlich dazu und zur Überflüssigkeit des sprachlichen Bildes Michael/Morlok, § 21 Rdn. 543.

  332. 332.

    Vgl. § 9 ff.

  333. 333.

    Vgl. dazu unten Vierter Teil und Fünfter Teil.

  334. 334.

    Vgl. zur begrifflichen Unterscheidung zwischen Heimlichkeit und Zwang oben, § 2, II, 2.

  335. 335.

    BVerfGE 125, 260, 311.

  336. 336.

    Vgl. 3. in: § 2, I.

  337. 337.

    BVerfGE 125, 260, 325.

  338. 338.

    BVerfGE 125, 260, 325.

  339. 339.

    Vgl. oben § 10, I.

  340. 340.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 252.

  341. 341.

    Hermes in: Dreier, GG1, Art. 13 Rdn. 13.

  342. 342.

    Dreier, GG2, Art. 13 Rdn. 12.

  343. 343.

    Vgl. Epping, Rdn. 656.

  344. 344.

    BGHSt 50, 206 ff.; vgl. auch Kolz, NJW 2005, S. 3248.

  345. 345.

    Zur genauen Umgrenzung des Schutzbereiches und des Begriffs „Wohnung“ vgl. BVerfGE 32, 54. Danach ist der Begriff der Wohnung weit auszulegen. Vgl. auch Epping, Rdn. 654 f.; Jarras in: Jarass/Pieroth, Art. 13 Rdn. 4. Hafträume gehören nach Ansicht des BVerfG nicht dazu, vgl. BVerfG, NJW 1996, 2643. Anderer Ansicht Ruthig, JuS 1998, S. 512.

  346. 346.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 946 ff.

  347. 347.

    Epping, Rdn. 656.

  348. 348.

    BVerfGE 32, 54, 69 ff.; zustimmend Herdegen in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 13 Rdn. 34 und Stern in: Stern/Sachs/Dietlein, § 99 IV 3.

  349. 349.

    So aber BVerfGE 97, 228, 265.

  350. 350.

    Vgl. Battis, JuS 1973, S. 29 f.

  351. 351.

    Diskutiert von Epping, Rdn. 658.

  352. 352.

    Hermes in: Dreier, GG1, GG1 Art. 13 Rdn. 27.

  353. 353.

    Hermes spricht von der „Kreation eines neuen Grundrechts […], das mit Art 13 GG nur noch die Schranke des Absatzes 2 gemeinsam hat“. Hermes in: Dreier, GG2, Art. 13 Rdn. 27.

  354. 354.

    So auch in der Grundkonzeption, allerdings für das hier abgelehnte allgemeine Persönlichkeitsrecht, Hermes in: Dreier, GG1, Art. 13 Rdn. 12. Dieser Ansicht ist in Bezug auf die geringe Relevanz der dogmatischen Einordnung für die Ergebnisse Recht zu geben.

  355. 355.

    Vgl. Hermes in: Dreier, GG1, Art. 13 Rdn. 12.

  356. 356.

    Dies wird nicht dadurch geändert, dass bestimmte andere Personen rechtlich dazu befugt sind, diesen Raum zu betreten. Zu denken wäre an die hierarchische Rangordnung in einem Unternehmen. Auch ein Hausbesetzer ist zudem vom Schutzbereich erfasst, soweit sich die Besetzung gefestigt hat. Denn es kann für den Schutz der Privatsphäre der Wohnung gegen den Staat nicht davon abhängen, ob ein anderer Privater eine Räumungsklage gegen den Bewohner durchsetzen kann. Daher kommt es auch nicht auf die rechtlichen Herrschaftsverhältnisse an, sondern auf die faktische Herrschaft. Dies gilt aber nur, wenn diese dermaßen qualifiziert ist, dass der Betroffene die Räume zu seinem privaten Rückzugsraum gemacht hat – also dort wohnt. Der sich nur vorübergehend in fremden Räumen aufhaltende Einbrecher gehört nicht dazu. Auch der Strafgefangene hat nach der zutreffenden Ansicht des BVerfG (NJW 1996, 2643.) keine Wohnung in der Haftanstalt, weil der Staat die faktische Herrschaft über die Räume nie verloren hat. Wenn der Gefangene zeitweise allein gelassen wird, hat er dennoch keine faktische Macht über den Haftraum, den er nicht einmal verlassen darf. Darin liegt der Unterschied zum Hausbesetzer, der die Räume des Eigentümers durch eigene Macht aktiv in seine Herrschaft gebracht hat.

  357. 357.

    Sicher in den Schutzbereich fielen zudem die Arbeitsräume, der in § 162 StPO genannten Berufsgruppen, deren Kommunikation mit Anderen besonderen Vertrauensschutz verdient.

  358. 358.

    Dort sind in aller Regel ohnehin Überwachungskameras der Bank installiert, so dass der Gedanke unbeobachtet zu sein, gar nicht erst aufkommen kann.

  359. 359.

    Vgl. § 8, I, 4, b).

  360. 360.

    Vgl. dazu auch den gesellschaftlichen Wandel zu Intimisierung der Wohnung und Öffnung der Arbeitsräume bei Hermes in: Dreier, GG2, Art. 13 Rdn. 14 f.

  361. 361.

    Beiflächen zu Häusern, wie Gärten oder Höfe, gehören in der Regel nicht zum (analog) erweiterten Schutzbereich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese Flächen zum dauernden privaten Rückzug (wohnen) genutzt werden und durch physische Grenzen abgeschirmt sind oder eine große Entfernung zum nächsten bebauten Grundstück oder öffentlicher Infrastruktur besteht. In diesen Fällen verführen sie dazu, in ähnlich ungezwungener Weise zu kommunizieren wie innerhalb der eigentlichen Wohnung. Zu weiteren Beispielen vgl. Hermes in: Dreier, GG2, Art. 13 Rdn. 19 ff.

  362. 362.

    Vgl. zur grundsätzlichen Gleichrangigkeit der Grundrechte § 9, II, 4, a).

  363. 363.

    Siehe oben § 1, I.

  364. 364.

    „Die technische Wohnungsüberwachung zu Strafverfolgungszwecken ist durch Abs. 3 auf Lauschangriffe begrenzt.“ Kühne in: Sachs, GG6, Art. 13 Rdn. 41.

  365. 365.

    BVerfGE 120, 274, 310 f.

  366. 366.

    BVerfGE 120, 274.

  367. 367.

    BVerfGE 113, 29, 45.

  368. 368.

    Das BVerfG geht auch hier konsequent vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus.

  369. 369.

    BVerfGE 120, 274, 303.

  370. 370.

    BVerfGE 115, 166, 187.

  371. 371.

    Rux, JZ 2007; Rux, JZ 2007.

  372. 372.

    Hornung, JZ 2007.

  373. 373.

    Vgl. oben § 8, VII, 2, c).

  374. 374.

    Vgl. § 8, VII, 1, b), dd).

  375. 375.

    Pieroth/Schlink, Rdn. 253 ff. und § 7, III.

  376. 376.

    Vgl. Kühne, S. 340. Wenn in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen wird, ohne dass dies gerechtfertigt werden kann, ist das Grundrecht verletzt.

  377. 377.

    BVerfGE 109, 279, 309 ff.

  378. 378.

    BVerfGE 109, 279, 382 ff.

  379. 379.

    BVerfGE 109, 279; Abweichende Meinung 382, 390 f.

  380. 380.

    Vgl. BVerfGE 57, 250, 284.

  381. 381.

    Wie zu zeigen sein wird, ist höchst zweifelhaft, ob der Gesetzgeber die Formulierung aus Art. 13 Abs. 3 GG tatsächlich umgesetzt oder ob er sie vielmehr „abgeschrieben“ hat und für unbesehen auch für weitere Fälle außerhalb der Regelung der akustischen Wohnraumüberwachung verwendet (§§ 100a Abs. 1 Nr. 2, 100f Abs. 1 Hs. 4 StPO), vgl. § 13, II und zu § 100c StPO speziell § 24, III, 2.

  382. 382.

    Vgl. dazu unten den eigenen Vorschlag zur Entwicklung objektiver Kriterien § 8, IV, 3, c).

  383. 383.

    Vgl. § 14.

  384. 384.

    BVerfGE 30, 1, 15 f., 18 f.

  385. 385.

    BVerfGE 107, 299.

  386. 386.

    Vgl. unten § 17.

  387. 387.

    BVerfGE 67, 157, 169, zum Spezialfall des Art. 10 Abs. 1 GG.

  388. 388.

    Die Überwachung religiöser Handlungen kann über Einschüchterungseffekte zur Vermeidung dieser Praktiken führen.

  389. 389.

    Beobachtung von wissenschaftlicher Forschung, von Presseerzeugnissen oder der Internetaktivität Betroffener kann über die beschriebenen Einschüchterungseffekte die Presse- und Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG berühren.

  390. 390.

    Die Überwachung der Familienmitglieder oder gar das Anwerben von V-Personen aus diesem Bereich kann den familiären Zusammenhalt belasten.

  391. 391.

    Gerade die Versammlungsfreiheit wird durch die Angst vor Überwachung behindert.

  392. 392.

    Personen die sich Vereinigungen anschließen wollen, die wahrscheinlich heimlich überwacht werden, zum Beispiel Motoradclubs oder rechtsextreme Parteien, werden sich unter Umständen von dieser Erwartung abschrecken lassen.

  393. 393.

    Die Berufsfreiheit kann ebenfalls durch Einschüchterungseffekte betroffen sein.

  394. 394.

    BVerfGE 101, 361, 386.

  395. 395.

    Vgl. zum aufeinander aufbauenden Verhältnis von Freiheit und Eigentum Wieland in: Dreier, GG2, Art. 14 Rdn. 1.

  396. 396.

    BVerfGE 57, 250, 274 f.; 75, 183, 190 f.; BVerfG NJW 1996, S. 1811; BVerfG DVBl 2001, 118.

  397. 397.

    BVerfG DVBl 2001, 118.

  398. 398.

    Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26, Einl. Abschn. I Rdn. 103.

  399. 399.

    Die EMRK ist ursprünglich ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der im Rahmen des Europarats geschlossen wurde und dafür sorgen soll, dass die in ihm genannten Menschenrechte eingehalten werden. Kraft gesetzlicher Übernahme kommt der EMRK der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zu. Die EMRK steht in ihrem Rang unterhalb der Grundrechte des Grundgesetzes. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BVerfG der Inhalt und Entwicklungsstand der EMRK bei der Auslegung des Grundgesetzes zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu beachten, auch wenn eine parallele Bestimmung zu § 31 BVerfGG fehlt, BVerfG NJW 2004, 3407 ff.; BVerfGE 74, 358, 370. Denn Art. 46 EMRK verpflichtet die Mitgliedstaaten, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des EGMR zu befolgen. Die EMRK wirkt danach als Auftrag an den Gesetzgeber, über die Ausstrahlungswirkung bei der Auslegung auf das deutsche Strafverfahrensrecht. Vgl. Satzger, Jura 2009; Eisele, JA 2005.

  400. 400.

    Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26, Einl. Abschn. I Rdn. 103.

  401. 401.

    Vgl. den Versuch einer Klärung der Verankerung im Grundgesetz bei Tettinger, S. 2 ff.

  402. 402.

    Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26, Einl. Abschn. I Rdn. 107.

  403. 403.

    Der Anglizismus „fair“ bedeutet allgemein „anständig, ehrlich, gerecht, tolerant, rücksichtsvoll“. Er ist im deutschen Sprachraum zunächst im Bereich des internationalen Handels und vor allem im Sport über das „fair play“ Ende des 19. Jahrhundert verwendet worden, vgl. Schulz/Basler, S. 641. „Fair“ bedeutet im letzteren Sinne zunächst „regelgerecht“ aber auch „kameradschaftlich, anständig“. Damit ist aber auch die Konnotation verbunden, dass beide Seiten des sportlichen Wettkampfs eine Chance haben zu gewinnen. Dies ist ein schiefes Bild, das dem Strafprozess nicht gerecht wird. Gegenüber den strafprozessualen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen ist der Betroffene von vornherein ohne Chance. Durch das verdeckte Vorgehen ist ihm jede Gegenwehr abgeschnitten. Solange er nichts von dem Verfahren weiß, wird er keine Anträge stellen, er wird sich nicht an den Richter wenden, der ihn folglich auch nicht anhört. Die Strafverfolgungsbehörden hören den Betroffenen vielmehr ab, ohne dass er sich dagegen wehren kann oder nutzen andere, unvorhergesehene verdeckte Mittel. Selbst das im Deutschen, traditionell im Bereich des Sports und nicht des Rechts gebräuchliche „fair“ passt nicht auf die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen. Eine gegenüber dem Beschuldigten verdeckte strafprozessuale Ermittlung ist in sportlichen Kategorien ein „permanentes Foul“ am Betroffenen. Zur Bedeutung dieses eingedeutschten Wortes vgl. Schulz/Basler, S. 1063 f.

  404. 404.

    Selbst die Verneinung eines gesonderten Grundrechts auf eine faires Verfahren bedeutet selbstverständlich nicht, dass es verfassungsrechtlich zulässig wäre, unfair zu mit Verdächtigen zu verfahren. Es geht nur um die dogmatische Verankerung, die sich alternativ direkt in den Freiheitsgrundrechten finden lässt.

  405. 405.

    Es ist bereits höchst zweifelhaft, ob Art. 6 EMRK auf das Ermittlungsverfahren anzuwenden ist. Art. 6 EMRK ist dem Wortlaut nach nur auf einen Angeklagten im gerichtlichen Verfahren anwendbar. Der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren ist nicht Angeklagter. Er befindet sich nicht im gerichtlichen Hauptverfahren, das dann mit dem „ganzen Verfahren“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK gemeint wäre. Dafür spricht auch der Sinnzusammenhang der Norm, die offenbar nicht auf das Ermittlungsverfahren zugeschnitten ist. Entschieden für eine Anwendbarkeit auf das Ermittlungsverfahren hat sich der EGMR ausgesprochen, der das Ermittlungsverfahren in eine Gesamtwürdigung des Verfahrens einbezieht. Der EGMR hat sich in verschiedenen Entscheidungen mit der Fairness der verdeckten Ermittlungsmethoden beschäftigt, EGMR, Schenk v. Schweiz, Serie A Nr. 140; EGMR, Allan v. Vereinigtes Königreich (48539/99), StV 2003, 257 m. Anm. Gaede; EGMR, Teixeira de Castro v. Portugal, Reports 1998-IV; EGMR, Kostovski v. Niederlande, Serie A Nr. 166; EGMR, Kruslin v. Frankreich, Serie A Nr. 176; Huvig v. Frankreich, Serie A Nr. 176-B; EGMR Valenzuela Contras v. Spanien, Reports 1998-V. Nach hier vertretener Ansicht wäre nur ein Bezug zu Art. 8 EGMRK zutreffend, den der EGMR in anderen Entscheidungen zu verdeckten Ermittlungsmaßnahmen auch feststellt, vgl. EGMR, Bykov v. Russland, Nr. 4378/02 (NJW 2010, 213); Lüdi v. Schweiz, Serie A Nr. 238. Auch in der Literatur ist die Anwendung auf das Ermittlungsverfahren kein Streitthema, vgl. Gaede, Fairness als Teilhabe – Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK, S. 7, 188 ff., der den abweichenden Sprachgebrauch zum deutschen Strafverfahren mit einer zwingenden völkerrechtlichen Auslegung der Vorschrift erklärt. Der Streit soll in dieser Arbeit aber nicht weiter vertieft werden.

  406. 406.

    Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26, Einl. Abschn. I Rdn. 107 f.

  407. 407.

    „Anerkannt ist, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit als „Kernbereich“ der Garantie eines fairen Strafverfahrens (Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) auch dann verletzt sei kann, wenn die Ermittlungsbeamten ein Schweigen des Beschuldigten durch Täuschung zu überwinden trachten […].“ Eisenberg, JR 2011, S. 407.

  408. 408.

    Vgl. oben § 8, V, 3.

  409. 409.

    Dies wirft die Frage auf, zu welchen Folgen der einfache Rechtsmissbrauch bzw. einfache Rechtsanwendungsfehler – ohne Kernbereichsbetroffenheit – bei den verdeckten strafprozessualen Ermittlungen auf der Ebene der Beweisverwertung führt. Die Beantwortung dieser Frage ist ohne Auseinandersetzung mit den allgemeinen gänzlich ungelösten Problemen den Beweisverwertung nicht möglich. Diese Probleme können nicht im Rahmen der vorliegenden Arbeit gelöst werden. Sie müssen im größeren Zusammenhang der Beweisrechtsdogmatik behandelt werden.

  410. 410.

    BVerfGE 38, 105, 111; Tettinger, S. 31 m. w. N.

  411. 411.

    Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26, Einl. Abschn. I Rdn. 117.

  412. 412.

    Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26, Einl. Abschn. I Rdn. 118.

  413. 413.

    Schon Mittermaier, ZStR 1861, Spalte 37 meinte: „Gerechtigkeit hört auf, wenn nicht Gleichheit der Waffen gegeben ist.“ Das BVerfG leitet sie direkt aus dem Gebot des fairen Verfahrens ab, BVerfG NJW 1975, 103; 1983, 1043.

  414. 414.

    Vgl. nur § 113 StGB usw.

  415. 415.

    Dabei wird dann in der Literatur versucht, durch eine Umdeutung des ursprünglichen Begriffs die Waffengleichheit auch für das Ermittlungsverfahren zu retten. Sie sei nicht „als mathematische oder logische Egalität“ zu verstehen Kühne, § 9 Rdn. 174. Woraus man schließen muss, dass die Anwendung der Waffengleichheit auf das Ermittlungsverfahren unlogisch ist und daher besser erst gar nicht auf selbiges angewendet werden sollte. A. a. zur Geltung des Grundsatzes der Waffengleichheit vgl. Kühne, § 9 Rdn. 174.

  416. 416.

    Müller, NJW 1976, S. 1065.

  417. 417.

    Lüderssen, Verbrechensprophylaxe durch Verbrechensprovokation, S. 365.

  418. 418.

    Vgl. oben Zweiter Teil.

  419. 419.

    Das Umgehungsargument nutzt der EGMR beim angeblichen Unterlaufen der Aussagefreiheit durch einen Verdeckten Ermittler, EGMR StV, 2003, 257, 259. Dabei unterliegt der EGMR jedoch einer petitio principii, da er den Schutz nicht nur vor Zwang, sondern vor Täuschung voraussetzt, anstatt ihn zu begründen. So auch Engländer, ZIS (www.zis-oline.com), S. 165 Fn. 15 m. w. N.

  420. 420.

    Vgl. dazu bereits § 7, II, 1, f).

  421. 421.

    Ebenfalls bei den Grundrechten setzt Joerden an, der die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit durch rechtsstaatsadäquate „Einhegung“ begrenzt sieht, vgl. Joerden, S. 84 ff. Die Rechtfertigung entnimmt er nicht wie hier direkt den Schutzpflichten, sondern der Sozialbindung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dazu schlägt er zehn Parameter möglicher Legitimierbarkeit für eine Schrankenbildung vor, vgl. Joerden, S. 89. Diese Parameter finden sich teilweise auch in den hier vorgeschlagenen konkreten Verhältnismäßigkeitskriterien, vgl. § 9, VI.

  422. 422.

    Vgl. oben § 6, IV, 1. Vgl. auch unten § 9, VI.

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Bode, T.A. (2012). § 8 Freiheitsgrundrechte und Menschenwürdeschutz. In: Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen. Schriftenreihe der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-32661-5_8

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