Zusammenfassung
Die Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung ist das zentrale Ziel jedes Gesundheitssystems und aller Professionellen der Gesundheit, die dazu das gesellschaftliche Mandat erhalten haben. Ob sie nun spezifische akute Krankheiten durch Heilverfahren bekämpfen, ob sie chronisch kranke Menschen versorgen und betreuen, ob sie Krankheiten verhindern oder Gesundheit erhalten wollen, sie arbeiten damit letztlich alle an der großen gemeinsamen und gesellschaftlich organisierten Aufgabe mit, die Menschen möglichst gesund zu erhalten oder sie im Krankheitsfall möglichst rasch wieder gesund zu machen. Die Schwerpunkte dieser gesellschaftlich organisierten Gesundheitsarbeit können aber ganz verschieden sein. Unser Gesundheitssystem ist bekanntlich nach wie vor kurativ ausgerichtet und wird von der Profession der Medizin geprägt, die ein weitgehend biologisches Krankheitsverständnis und einen technologischen Zugang zur Heilung von Krankheiten hat. Die Diskussion und Kritik am bio-medizinischen Krankheitsmodell und seine Erweiterung zu einem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell (Engel 1979) war und ist eine der Grundlagen von Public Health. Die in der (sozial-)epidemiologischen Forschung der letzten Jahrzehnte erbrachten Erkenntnisse, dass viele Krankheiten nur über ein Zusammenspiel von somatischen, verhaltensbedingten und psychosozialen Risikofaktoren zu erklären sind und dass die Verteilung von Krankheiten in der Bevölkerung systematisch nach sozialem Status, Geschlecht, Alter und Kultur variiert, legen Ansätze der Prävention nahe, die Lebensverhältnisse und individuelles Verhalten, soziale Systeme und Personen sowie Faktoren auf der organischen, psychischen und sozialen Ebene zu beeinflussen suchen. Die Prävention von Krankheiten gehört traditionell zu den zentralen Handlungsansätzen von Public Health (Maschewsky- Schneider, 2005), weil sie die gesundheitliche Lage der Bevölkerung ganz entscheidend beeinflussen kann, indem sie die Entstehung von Krankheiten verhindert oder verzögert. Aufgrund hoher Prävalenzraten hat sich die Prävention in den frühen Phasen (19. Jahrhundert) stärker auf Infektionskrankheiten, in späte ren Phasen (zweite Hälfte 20. Jahrhundert) stärker auf „Zivilisationskrankheiten“ wie z.B. Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebserkrankungen oder psychische Erkrankungen gerichtet. Die Prävention wird insbesondere dann eine unverzichtbare Strategie zur Gesunderhaltung der Bevölkerung, wenn die Aussichten, Krankheiten wieder vollständig zu heilen, gering sind. In den Industriegesellschaften verläuft ein großer Teil der Erkrankungen chronisch-degenerativ und ist ätiologisch mit Lebensstilen und -verhältnissen verbunden. Ihre Prävention wäre somit nicht nur gesundheitspolitisch sinnvoll, sondern auch potentiell möglich. Dennoch ist bis heute der präventive Ansatz der Gesundheitsversorgung gesellschaftlich gering gewichtet, und es sind kaum professionelle Strukturen innerhalb und außerhalb des Gesundheitssystems vorhanden, die diese Aufgabe kontinuierlich verfolgen.
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Faltermaier, T., Wihofszky, P. (2011). Gesundheitsförderung und Prävention im Kontext von Public Health. In: Schott, T., Hornberg, C. (eds) Die Gesellschaft und ihre Gesundheit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92790-9_13
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