Zusammenfassung
Es gibt Politikfelder, die über Jahrzehnte, ja sogar über Regierungswechsel hinweg von denselben Akteurskonstellationen geprägt werden. Dies gilt nicht für die deutsche Familienpolitik seit Mitte der 90er Jahre. Kaum ein Politikfeld hat sich in seiner Bedeutung in den letzten Jahren so stark gewandelt. Familienpolitik i. S. einer bewussten und umfassenden Steuerung von Familienverhalten und Familiensituationen gehört zu den relativ „jungen“ Policy-Feldern, die sich im Wesentlichen erst nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland entwickelt haben (genauer Gerlach 2004: 150 ff.). Die 53 Jahre seit der Institutionalisierung von Familienpolitik durch Gründung eines entsprechenden Ministeriums lassen sich jedoch durch massive Änderungen der Akteurskonstellationen sowie der Motive von Familienpolitik beschreiben. Solange der Standardlebensentwurf noch Gültigkeit hatte, waren Familieninteressen Allgemeininteressen und extrem schwach organisiert. Ganz deutlich haben sich die Konturen der Begründung und Durchsetzung politischer Maßnahmen in dieser Zeit von einem normengeleiteten zu einem interessengeleiteten Diskurs innerhalb der Neustrukturierung des Sozialstaates mit ebenso geänderter Akteurskonstellation entwickelt. Das ist nicht zuletzt an der Tatsache zu erkennen, dass zunächst die C-Parteien, Kirchen und kirchliche Familienverbände starke politische Akteure in der Familienpolitik waren, heute jedoch faktisch alle Parteien. Im Vergleich zu anderen Politikfeldern (und ebenso im internationalen Vergleich) zeigt die deutsche Familienpolitik ein besonderes Charakteristikum ihrer Interessenartikulation: zentrale Schritte der Durchsetzung von Familieninteressen wurden durch das Bundesverfassungsgericht getan.
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Gerlach, I. (2009). Wandel der Interessenvermittlung in der Familienpolitik. In: Rehder, B., von Winter, T., Willems, U. (eds) Interessenvermittlung in Politikfeldern. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91697-2_5
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