Auszug
Der Begriff der Entgrenzung wird in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion zur Charakterisierung zeitgenössischer Transformationsprozesse im Bereich von Bildung Erziehung und Betreuung verwendet. Er stammt aus der Industrie- und Arbeitssoziologie und wurde dort im Zusammenhang der Diagnose einer gegenwärtigen „Entgrenzung von Arbeit und Arbeitskraft“ (Voß 1998: 2) geprägt. Mittlerweile ist er in den erziehungswissenschaftlichen und sozialpädagogischen bzw. sozialarbeiterischen Diskurs eingegangen. Auch hier wird das „Entgrenzungsparadigma“ vom Pluralisierungsbegriff abgegrenzt:
„Während Pluralisierungsprozesse in einem weiter bestehenden Rahmen ablaufen, wird bei der Entgrenzung dieser Rahmen gesprengt. (...) Die Veränderungen entspringen zwar der Logik der historischen Entwicklungs- und Krisendynamik, weisen aber eine andere Logik auf als die, nach der das bisherige gesellschaftliche System reguliert wurde und wird“ (Böhnisch u. a. 2005: 97).
Zum Aspekt der neuen Logiken und der Neuordnung des gesellschaftlichen Systems kommt der Aspekt der Neuschneidung von Grenzen hinzu:
„Der Begriff (der Entgrenzung, d. V.) schließt Merkmale von Entstrukturierungen und Entstandardisierungen ein, geht aber zugleich über sie hinaus, indem er die Ausweitung bzw. die Öffnung des jeweiligen Bereichs und die Durchdringung mit jeweils anderen Bereichen signalisiert. (...) Zugleich bringen die Entgrenzungen auch selbst wieder Grenzen hervor und lassen Kernbereiche des Ausgangssystems bestehen“ (Kirchhöfer 2004: 24).
In diesem Sinne ist auch Ganztagsbildung als Entgrenzungsphänomen zu sehen.
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Fegter, S., Andresen, S. (2008). Entgrenzung. In: Coelen, T., Otto, HU. (eds) Grundbegriffe Ganztagsbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91161-8_82
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