Auszug
Die Thematik um Sozialisationseffekte von Medien ist so alt wie die Medien selbst. Schon in der Frage um die Wirkung von Theaterdarstellung haben sich in den Positionen von Platon und Aristoteles zwei Perspektiven etabliert: der identifikatorische und der karthasische Charakter. Auch mit dem Aufkommen des Buchs als Massenmedium wurde Frauen das Lesen vorenthalten, um sie nicht den aufklärerischen Bestrebungen der Literatur auszusetzen. Aber erst die elektronischen Medien, also jene, die zu ihrer Produktion und/oder Rezeption technische Mittel benötigen, haben zu gesellschaftlich relevanten Diskussionen um die Wirkung von Medien insbesondere Massenmedien geführt. Egal ob es sich um das Kino, das Radio, das Fernsehen, den Videorekorder oder in neuerer Zeit um Computer und Internet handelt: die durch diese Medien transportierten Inhalte oder sogar die Medien selbst wurden für spezifische Sozialisationseffekte verantwortlich gemacht. Meist handelt es sich dabei um die Wirkung von Gewaltdarstellungen, Werbung oder politische Ideologien. Diese Perspektive der Mediensozialisation vernachlässigt jedoch Diskussionen innerhalb der Sozialisationsforschung der letzten Jahrzehnte. Der dort vor allem durch die Arbeiten von Geulen (1985) und Hurrelmann (2002) vorfindbare Paradigmenwechsel von einer normativen Sichtweise, die Sozialisation vor allem unter der Perspektive der Anpassung des Subjekts an die Gesellschaft verstand, zu einer interaktionistischen Sichtweise, in der von einem aktiven, die gesellschaftliche Wirklichkeit konstruierenden Subjekt (Berger/Luckmann 1977) ausgegangen wird, sollte auch einen Einfluss auf Theorien der Mediensozialisation haben. Nimmt man das von Klaus Hurrelmann formulierte Postulat ernst, dass Sozialisation verstanden werden sollte als jener „Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt“ (Hurrelmann 2002: 15), dann wird deutlich, dass unter Mediensozialisation ein sehr komplexer Prozess verstanden werden muss.
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Aufenanger, S. (2008). Mediensozialisation. In: Sander, U., von Gross, F., Hugger, KU. (eds) Handbuch Medienpädagogik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91158-8_9
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