Auszug
Für die geplante Sekundäranalyse der Daten der öibf-Studie (Schlögl/Lachmayr, 2004a) wurde ein theoretisches Ausgangsmodell spezifiziert, das sich an Theorien der rationalen Bildungswahl, an verfügbaren empirischen Studien zur Bildungsungleichheit und an theoretischen Ansätzen zu geschlechtsspezifischen Leistungs- und Verhaltensunterschieden orientiert. Berücksichtigt wurden bei der Modellspezifikation die verfügbaren Daten, wodurch sich bestimmte Restriktionen ergaben (siehe dazu weiter unten). Untersucht werden als abhängige Variable der Besuch einer maturaführenden Schule unmittelbar nach der ersten und nach der zweiten Bildungsentscheidung sowie der geplante Besuch einer maturaführenden Schule vor der zweiten Bildungsentscheidung.
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Literatur
Als wichtig erachtet werden des Weiteren institutionelle Rahmenbedingungen (Erikson/ Jonnson, 1996). Damit sind die rechtlichen Rahmenbedingungen gemeint, die den Aufbau des Schulsystems, das Alter der Erstselektion, die Trägerschaft (privat oder staatlich), die Ausbildung der LehrerInnen, die budgetäre Ausstattung usw. bestimmen. Im Hinblick auf die soziale Ungleichheit erachten Robert Erikson und Jan O. Jonnson (1996) ein frühes Selektionsalter, „Sackgassen“ im Bildungssystem und einen komplexen und unübersichtlichen Aufbau für besonders problematisch. Rolf Becker (2000) verweist auf einen weiteren Faktor, nämlich die Aufnahmeentscheidung durch die Schule.
Wir folgen hier den Ausführungen und der Schreibweise von Erikson und Jonsson (1996).
Für Hartmut Esser (1999) ist der Statusverlust der entscheidende Faktor. Auch von Raymond Boudon (1974) wird ihm eine wichtige Bedeutung beigemessen.
Diese Vermutungen werden durch eine neuere Untersuchung von Rolf Becker und Anna Etta Hecken (2007) bestätigt, in der auf der Basis einer Befragung von Abiturklassen in Sachsen die Entscheidung für die Aufnahme eines Studiums untersucht wird. Die Ergebnisse zeigten einen starken Einfluss der erwarteten Kosten. Die erwarteten Kosten waren dabei stärker von der sozialen Schicht abhängig als die erwarteten Bildungserträge.
Auf diese verweisen auch Kai Uwe Schnabel und Knut Schwippert (2000, S. 264), die nach Ansicht der Autoren stark von der sozialen Herkunft der LehrerInnen geprägt ist.
Angemerkt sei, dass sich der Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und Schulleistungen auch im Sinne von Pierre Bourdieu (1984) durch unterschiedliche Ausstattungen mit kulturellem und sozialem Kapital erklären lässt. Erikson und Jonsson (1996) äußern sich kritisch gegenüber dem Erklärungsansatz von Bourdieu. Dieser kann ihrer Ansicht nach die stattgefundenen Änderungen in der Bildungsungleichheit und die Bildungsexpansion nicht erklären, da Bourdieu von einer stabilen Reproduktion sozialer Ungleichheit ausgeht. Erikson und Jonsson betonen aber selbst, dass die Beziehung zwischen sozialer Schicht und Schulleistungen relativ stabil ist. Ihre Einwände sind somit nicht überzeugend. Wir halten daher beide Theorien für die Ableitung eines Zusammenhangs zwischen sozialer Schicht und Schulleistungen für geeignet. Auch der angenommene direkte Effekt zwischen sozialer Schicht und Schulbesuch lässt sich mit Hilfe der Kapitaltheorie von Bourdieu ableiten.
Insgesamt gesehen sind die vorliegenden empirischen Befunde zu geschlechtsspezifischen Unterschieden hinsichtlich des Schulerfolgs in unterschiedlichen Familienformen nicht einheitlich. Der DJI-Familiensurvey (Hartl, 2002; Walper/Wendt, 2005), die Bamberger Längsschnittstudie „Familienänderung und Schulerfolg“ (Schlemmer, 2004) sowie die überblicksarbeiten von Bohrhardt (2000), Busse und Helsper (2004) weisen in dem Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung hin. Neben der Familienform gilt es den Einfluss dahinter stehender anderer Faktoren (wie Kontakthäufigkeit zum getrennten Elternteil, Qualität der Eltern-Kind-Beziehung, u.a.m.) gleichzeitig mit zu berücksichtigen (Francesconi et al., 2005; Hartl, 2002; Schlemmer, 2004). Bacher und Paseka (2006) betonen ebenfalls die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung, denn das Fehlen eines männlichen Modells könne sich umgekehrt auch positiv auf die Bildungsbeteiligung auswirken, nämlich dann, wenn männliche Bezugspersonen tradierte Rollenbilder mit tendenziell bildungsferner Einstellung vertreten.
Auch das vielfach verwendete Konzept der hegemonialen Männlichkeit von Robert Connell (1999) legt eine differenzierte Betrachtung nahe und sieht Buben nicht als homogene Gruppe.
Der Terminus der „sozialen Konstruktion von Geschlecht“ etablierte sich im deutschsprachigen Raum in den 1990er Jahren (v.a. durch Gildemeister/ Wetterer, 1992) und stammt aus einer interaktionistisch-ethnomethodologischen Forschungstradition (Garfinkel, 1967; Goffman, 1994; Hirschauer, 1994; Kessler/McKenna, 1978; West/Zimmermann, 1991)
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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Bacher, J., Lachmayr, N., Beham, M., Weber, C., Hasengruber, K., Proinger, J. (2008). Theoretische Vorüberlegungen und Hintergrundinformationen. In: Bacher, J., Beham, M., Lachmayr, N. (eds) Geschlechterunterschiede in der Bildungswahl. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91129-8_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91129-8_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16045-0
Online ISBN: 978-3-531-91129-8
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)