Auszug
Max Webers Versuch, eine Kulturwissenschaft zu begründen, die den Wertbezug des Handelns betont, ohne dabei auf wissenschaftliche Objektivität zu verzichten, war und ist Gegenstand unzähliger Debatten. Vor allem die Streitfrage, welcher methodologische Status das „Verstehen“ im Vergleich zum „Erklären“ hat, erzürnt die Gemüter. An Webers Soziologie, deren „Sonderstellung“ gegenüber aller Naturwissenschaft in der Mehrleistung besteht, dass sie Handlungen verstehen kann und dadurch eine erklärende Wissenschaft ist, meinen Wissenschaftstheoretiker aus unterschiedlichen Lagern anschließen zu können. Sowohl Antinaturalisten als auch Naturalisten sehen in Webers methodologischen Schriften einen — zu modifizierenden — Vorläufer für ihr eigenes Wissenschaftsverständnis, was die Heftigkeit der Debatten erklärt.1 Dabei gerät allerdings leicht ein der Frage nach dem angemessenen Erklärungsschema vorgelagertes Problem aus dem Blickfeld: die Konstitution des kulturwissenschaftlichen Erklärungsobjekts.
Antinaturalisten (vgl. Girndt 1967, Lachmann 1973) behaupten für die Erklärung von Handlungen die Nichtanwendbarkeit kausaler Erklärungen (im Sinne der Subsumtion unter nomologische Regeln). Nach Hans Albert (vgl. 1994: 146) involviert gerade Webers Lehre vom Verstehen die Überwindung des Antinaturalismus in der Kulturwissenschaft.
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Isenböck, P. (2006). Verstehen und Werten. Max Weber und Jürgen Habermas über die transzendentalen Voraussetzungen kulturwissenschaftlicher Erkenntnis. In: Albert, G., Bienfait, A., Sigmund, S., Stachura, M. (eds) Aspekte des Weber-Paradigmas. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90121-3_4
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