Zusammenfassung
Die Befassung der Sozialwissenschaften mit der Organisation Militär reicht bis weit in die Zeit vor der Etablierung etwa von Soziologie oder Politikwissenschaft als eigenständigen Disziplinen zurück. So verweist bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts Adam Smith (1723–1790) auf die engen Beziehungen zwischen der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung eines Staates und dem Militär. Diesen Gedanken nimmt mehr als ein Jahrhundert später auch Werner Sombart (1863–1941), einer der Gründungsväter der deutschen Soziologie auf, wenn er das Prinzip der Arbeitsteilung oder die Trennung von intellektueller und körperlicher Arbeit auf den urmilitärischen Grundsatz von Befehl und Gehorsam bezieht und in der hierarchischen Organisation und funktionalen Differenzierung der industriellen Arbeit die militärische Linien- und Stabsorganisation wiedererkennt. Während Auguste Comte (1798–1857) in seinem ‚Inkompatibilitätstheorem‘ von der grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Militär und demokratischer Industriegesellschaft ausgeht, ist es Max Weber (1864–1920), der im Militär ein geeignetes Vorbild für die zweckmäßige Ausrichtung gesellschaftlicher Kräfte sieht und die militärische Ordnung ebenfalls als ein Idealmuster für industrielle Produktionsprozesse auffasst. Im militärfreudigen Deutschland des Kaiserreiches finden sich auch bei anderen Klassikern militärbezogene Studien wie auch Analysen über den politischen Gebrauch des Militärs, beispielsweise bei Steinmetz’ „Soziologie des Krieges“ (1907), Nicolais „Biologie des Krieges“ (1919) oder Schumpeters „Soziologie der Imperialismen“ (1918/19). Karl Demeter schließlich legte 1930 mit einer Studie über die soziale Herkunft des deutschen Offizierkorps eine der ganz wenigen Arbeiten vor, welche die Entstehung der später weltweit führenden Militärsoziologie in den Vereinigten Staaten nachhaltig beeinflusste. Demeters Arbeiten stellten indes zugleich einen Höhepunkt wie auch das Ende der militärbezogenen Sozialwissenschaft in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg dar. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten waren Soziologie, Psychologie und Politikwissenschaft keine erwünschten Disziplinen mehr und wurden zunehmend durch ‚Rassenkunde‘ und andere pseudobiologische Ideologieansätze in den Hintergrund geschoben.
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© 2006 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
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Gareis, S.B., Klein, P. (2006). Militär und Sozialwissenschaft – Anmerkungen zu einer ambivalenten Beziehung. In: Gareis, S.B., Klein, P. (eds) Handbuch Militär und Sozialwissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90086-5_1
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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