Zusammenfassung
Im Beitrag werden der theoretische Ansatz, das methodische Design und ausgewählte Ergebnisse eines abgeschlossenen Forschungsprojekts mit dem Titel „Raumpioniere im Stadtquartier – Zur kommunikativen (Re-)Konstruktion von Räumen im Strukturwandel“ vorgestellt. Eine übergreifende Frage dieses Projekts war, welche Wirklichkeitsdeutungen bzw. Visionen Akteure, die hier als Raumpioniere bezeichnet werden sollen, von ihrem Quartier haben, wie diese Deutungen in kommunikativen Prozessen ausgehandelt werden und wie es zu einer Rekonstruktion bzw. Transformation bestehender Raumdeutungen kommt. Die dem Projekt zugrundeliegende „Theorie der kommunikativen Raum(re)konstruktion“ basiert auf dem kommunikativen Konstruktivismus, der um die Komponente einer diskursiven Konstruktion von Wirklichkeit erweitert und für raumtheoretische Zwecke angepasst wurde (vgl. Knoblauch 1995, 2005b, 2012 in diesem Band, Reichertz o. J., 2012 in diesem Band, Keller et al. 2005).
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Notes
- 1.
Das Projekt wurde von Januar 2009 bis Dezember 2011 am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner (bei Berlin) durchgeführt.
- 2.
Für Ergebnisse aus Hamburg-Wilhelmsburg vgl. Schmidt (2012).
- 3.
Vor diesem Hintergrund ist am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung im Rahmen der Forschungsabteilung „Kommunikations- und Wissensdynamiken im Raum“ ein Arbeitsschwerpunkt eingerichtet worden, der sich Fragen wie diesen zuwendet. Dies geschieht sowohl in theoretischer Hinsicht mit der Arbeit an einer „Theorie der kommunikativen Raum(re) konstruktion“ (vgl. Christmann 2010), als auch empirisch in entsprechenden Arbeiten (vgl. Christmann/Büttner 2011, Christmann/Mahnken 2012, Christmann 2012, Neumann/Schmidt 2012, Schmidt/Neumann 2012, Schmidt 2012).
- 4.
„VennMaker“ dient der Verarbeitung qualitativer Erhebungen zu personenbezogenen Netzwerken. Vgl. dazu die Informationen zum Softwaretool „VennMaker“ unter www.netzwerk-exzellenz.uni-trier.de.
- 5.
Das egozentrierte Netzwerk eines Akteurs ist von Netzwerken, die durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Gruppenmitglieder entstehen (vgl. Kap. 2.2), zu unterscheiden. Egozentierte Netzwerke werden durch Personen, Gruppen oder Organisationen konstituiert, mit denen ein Akteur projektbezogen kooperiert bzw. sich austauscht, wobei hier die Netzwerkkontakte in der Regel bilateral, räumlich und zeitlich verteilt und über unterschiedliche Kommunikationswege (z. B. face-to-face, telefonisch, per E-Mail) erfolgen. Netzwerktreffen unterschiedlicher Gruppenmitglieder zeichnen sich hingegen durch eine räumlich-zeitliche Kopräsenz der Akteure aus, die mehr oder weniger regelmäßig wiederholt wird. Das schließt nicht aus, dass Akteure im Rahmen bestimmter Netzwerktreffen mit Personen in Kontakt kommen, die gleichzeitig auch zu ihrem egozentrierten Netzwerk gehören.
- 6.
Die Transkriptionen wurden in orthographisch kontrollierter Weise erstellt. Auf Sonderzeichen wurde weitgehend verzichtet. Folgende Zeichen wurden verwendet: „ich denke-“ = Satzabbruch; „(…)“ = Auslassung im Text; „SEHR SCHÖN“ = betontes und lautes Sprechen.
- 7.
Bei den Personennamen handelt es sich um Pseudonyme.
- 8.
Indem sie die Quartiere für ihr Handeln als Bühne nutzen, geben sie dem (Sozial-)Raum Impulse: Sie bieten den Bewohnern Anregungen und eröffnen neue Perspektiven. Oft setzen sie in der Öffentlichkeit zudem Aufwertungsprozesse in Gang.
- 9.
Vgl. dazu das Konzept der „strong ties“ und „weak ties“ von Granovetter (1973).
- 10.
Die Interviewten wurden gebeten, ausgehend vom eigenen Ego, alle Personen, die im Zusammenhang mit dem eigenen Engagement von Bedeutung sind, zu benennen und im Hinblick auf ihre Bedeutung einzuschätzen (hilfreich, hinderlich, ideell nahe, ideell fern, strategisch wichtig, befreundet etc.). Die Akteure konnten neben Einzelpersonen auch Personenkollektive, d. h. Gruppen oder Institutionen, angeben.
- 11.
Zu beachten ist, dass die Beschreibungen der Beziehungsqualität von Netzwerkkontakten Deutungen der Interviewpartner sind. Wenn die Akteure in größerem Umfang verschiedene Kooperationspartner als eher ideell nahe und förderlich einschätzen, so sagt dies nicht nur etwas über das Handeln der Kooperationspartner aus, sondern auch darüber, inwieweit die Interviewpartner bereit sind, diesem Handeln „Nähe“ zur eigenen Aktivität zuzuschreiben.
- 12.
Oder wie Reichertz (2009, 229) es ausdrückt: „Kommunikation sagt also nicht nur, dass wir wer sind, sondern was wir für andere und was wir für uns selbst sind. Kommunikation sagt also nicht nur, dass wir eine Person sind, sondern auch welche Person wir sind. Kommunikation verteilt uns also in unserem Interaktionsfeld.“
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Christmann, G.B. (2013). Raumpioniere in Stadtquartieren und die kommunikative (Re-)Konstruktion von Räumen. In: Keller, R., Reichertz, J., Knoblauch, H. (eds) Kommunikativer Konstruktivismus. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19797-5_7
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