Skip to main content
  • 399 Accesses

Zusammenfassung

 Inwiefern bringen unsere Handlungen Wertbezüge zum Ausdruck? In welchem Verhältnis stehen Wert und Selbstwert zueinander? Die vorliegende Abhandlung unternimmt es, diese Fragen zu beantworten. Teil 1 ist mit Begriffsklärungen befasst, die darauf abzielen, den Gegenstandsbereich der Untersuchung zu umgrenzen. Dazu gehört die Benennung verschiedener Gesichtspunkte, nach denen ein Wert „subjektiv“ oder „objektiv“ heißen kann, die Bestimmung des Terminus „Selbstwert“ und die Einführung einiger Thesen zur Phänomenologie der Wertungserlebnisse. Teil 2 skizziert die Funktion der Gefühle für die Erfassung von Wertqualitäten beliebiger Objekte. Teil 3 erörtert den Zusammenhang von Wert und Handlung, vornehmlich auf Basis der Unterscheidung eines wertbasierten und eines wertorientierten Handelns. Der Selbstwert einer Handlung wird von objektgebundenen Wertaspekten unterschieden und im Rekurs auf die Art und Weise, wie das fühlende Subjekt in die Handlung involviert ist, näher erläutert. Im Teil 4 wird das zuvor entwickelte Begriffsinstrumentarium angewandt, um anhand ausgewählter Beispiele (Hochmut, Pharisäertum, Altruismus) die Relevanz der Unterscheidung von objektgebundenem Wert und Selbstwert zu verdeutlichen. Es wird die These vertreten, dass eine diesbezügliche Disproportionalität die intentionale Struktur der betreffenden Gefühle und Handlungen in Frage stellt und erwartbare moralische Bewertungen inhibiert bzw. unterminiert. Da die relevanten Aspekte (z. B. der Handlungsmodus) allein den konkreten Instanziierungen von Gefühlen und Handlungen, nicht aber den abstrakten Erlebnis- bzw. Handlungstypen zu entnehmen sind, führt die Reflexion des Verhältnisses von objektgebundenen Werten und Selbstwerten auch zur These der Kontextsensitivität von Wertungserlebnissen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Subscribe and save

Springer+ Basic
$34.99 /Month
  • Get 10 units per month
  • Download Article/Chapter or eBook
  • 1 Unit = 1 Article or 1 Chapter
  • Cancel anytime
Subscribe now

Buy Now

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 64.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Similar content being viewed by others

Change history

  • 12 April 2023

    Die Originalversion des Buchs wurde revidiert. Die Zusammenfassungen in Kapitel 1 und 2 wurden auf SpringerLink korrigiert.

Notes

  1. 1.

    Die Feststellung von ii)-subjektiven Werten ist demnach eine deskriptive Aussage. Es handelt sich um eine Tatsachenfeststellung: dass in der Population x zum Zeitpunkt t mit Bezug auf die Wertungsfrage y ein Konsens vorliegt.

  2. 2.

    Von i)-subjektiven, zugleich aber iii)-objektiven Werten würde z. B. der späte Husserl (2014, 350–360; 393–399; 413–420) mit Bezug auf das absolute Sollen sprechen, das lediglich bestimmte Individuen verpflichtet.

  3. 3.

    Eine Ausnahme stellen habitualisierte Urteile und Reflexionen dar, welche freilich auch problematisch sein können, sich etwa als Vorurteile und Ressentiments in stereotypen emotionalen Reaktionen niederschlagen können.

  4. 4.

    Vgl. die in Teil 1 erläuterte erste phänomenologische These: Das Erfassen so-und-so werthaft qualifizierter Dinge (Werterfahrung) ist primär gegenüber dem Denken an/über Werte.

  5. 5.

    Vgl. zur Etymologie auch die biblische Herkunft: Lk 18,10 ff.

  6. 6.

    Ob das eine oder das andere der Fall ist, wird je nach Zugrundelegung verschiedener Typen normativer Ethik (z. B. konsequentialistischer und nicht-konsequentialistischer) verschieden beurteilt. Die diesbezüglichen Differenzen können hier nicht ausgetragen werden. Dennoch ist festzuhalten, dass die hier angeführten Beispiele, sofern sie als plausibel erachtet werden, eine nicht-konsequentialistische Sichtweise nahelegen.

  7. 7.

    Anhand des Beispiels eines pharisäerhaften Handelns wäre auch genauer zu untersuchen, wie die Unterscheidung Selbstwert/objektgebundener Wert und die Unterscheidung wertbasiertes/wertorientiertes Handeln ineinandergreifen.

  8. 8.

    Wenn davon ausgegangen werden kann (wie auf Basis unserer Erfahrung kaum zu bestreiten), dass die Beziehung zum eigenen Kind Teil der Identität der Mutter ist, dann sollte pharisäisches Handeln im Rahmen einer Mutter-Kind-Beziehung, wie es oben als eine Möglichkeit in Erwägung gezogen wird, nicht als egoistisch beschrieben werden, sondern eher als selbstentfremdet. Pharisäisches Handeln ist nicht eo ipso egoistisch, kann aber egoistisch sein. Wenn ich im oben skizzierten Beispiel entgegen meinem eigenen unmittelbaren Interesse handle, die Ursache der Probleme meines Sohnes beseitigen zu wollen, so verletzt das nicht nur den Anspruch auf Wertschätzung, den mein Sohn zu Recht an mich stellt, sondern auch meinen Selbstwert als Mutter. Was hier zur Disposition steht und weiterer Klärung bedürfte, ist die Bedeutung eines selbstwertgeleiteten Handelns in nahen und intimen sozialen Beziehungen (Hampton 1993). Gemäß dem Sinn der betreffenden Beziehung ist die Frage nach dem Selbstwert, so ist anzunehmen, gar nicht unabhängig von der Frage nach dem objektiven Wert eines Handelns zu beantworten. In engen persönlichen Beziehungen (zwischen Eltern und Kindern, Ehepartner/innen, Liebenden) verliert die Unterscheidung von objektgebundenem Wert und Selbstwert ihre Eindeutigkeit, weil die Förderung des ersteren unmittelbar den letzteren stärkt und vice versa.

  9. 9.

    Zur Debatte um Parteilichkeit und Unparteilichkeit in der ethischen Theorie vgl. Baron 1991; Friedman 1989; Feltham und Cottingham 2010.

  10. 10.

    Zur Charakterisierung des Pharisäertums vgl. Scheler 1954, 37; 49; 197 f.

  11. 11.

    Eine pauschale Skepsis und Unterstellung einer pharisäischen Gesinnung ist natürlich fehl am Platz. Öffentlich demonstrierte Werteorientierung kann gerade in politischen Kontexten auch andere Gründe haben, zum Beispiel, dass die eigenen Wähler/innen auf einen weltanschaulich identifizierbaren Wertekatalog ‚eingeschworen‘ werden sollen. Auch das kann je nach Durchführung problematisch sein, etwa im Hinblick auf paternalistische Implikationen.

  12. 12.

    Diese Haltung kann verschiedene Gründe haben. Ein moralpsychologisch interessanter Grund wäre etwa das ängstliche Ausweichen vor der eigenen Persönlichkeit: dass man sich selber nicht die nötige Gewissensstärke zutraut, objektgebundene Werte und Selbstwert austarieren zu können oder dass man befürchtet, jede Art von Selbstsorge würde unkontrolliert in Egoismus umschlagen. Es scheint, dass Frauen aufgrund natürlicher und anerzogener emotionaler Qualitäten und Eigenheiten anfälliger dafür sind, ‚sich selbst aus dem Weg zu gehen‘ und ein überforderndes Ideal der Selbstlosigkeit anzustreben (Blum et al. 1973). Die sozialpsychologische Basis dieser Vermutung ist die bei weitem überwiegende Zuständigkeit der Frauen für die Fürsorge-Aufgaben in familiären und außerfamiliären Strukturen. Daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass Männer unter moralischen Gesichtspunkten zu Selbstherrlichkeit neigen, wäre natürlich voreilig und ungerechtfertigt. Die Frage des moralischen Selbstbewusstseins und seiner gendersensitiven Ausprägung unter variablen gesellschaftlichen Lebensbedingungen ist von vielen Faktoren abhängig (z. B. Milieuzugehörigkeit, Bildung, religiöse Orientierung).

  13. 13.

    Insofern der Selbstwert der Handelnden je nach primärer Objektbeziehung nach verschiedenen qualitativen Aspekten angesprochen wird und je nach individueller Disposition in verschiedener Gewichtung im Handeln präsent ist, kann von ‚Selbstwert‘ auch im Plural gesprochen werden.

  14. 14.

    Einen bedrückenden Anwendungsfall liefern die Aktivitäten jenes deutschen Krankenpflegers, Niels H., der in den letzten Jahren an zwei Kliniken in Deutschland, in Delmenhorst und Oldenburg, dutzende Patient/innen durch die gezielte Verabreichung nicht-indizierter, falscher Medikamente in eine lebensbedrohliche Situation, nämlich einen artifiziell herbeigeführten Herzinfarkt, versetzt hatte, um sich daraufhin im Zuge der Reanimation als Super-Ersthelfer zu präsentieren. Viele PatientInnen starben infolge dieses egoistischen Selbstbestätigungsexperimentes, welches 2017 im Zuge der Anklage und des Gerichtsprozesses öffentlich bekannt wurde. (Zuletzt wurde Mordanklage in 97 Fällen erhoben.)

  15. 15.

    Eine genauere Erörterung, welche vor allem darauf abzielt, die Komplexität der Situationswahrnehmung und insbesondere den Zusammenhang von Gefühlsreaktion, Werterfassung und moralischer Bewertung herauszuarbeiten, gebe ich (2016a) anhand von Ferdinand von Schirachs Essay „Notwehr“.

Literatur

  • Baron, Marcia. 1991. Impartiality and Friendship. Ethics 101(4): 836–857.

    Article  Google Scholar 

  • Blum, Larry et al. 1973. Altruism and Women’s Oppression. Philosophical Forum 5(1): 222–247.

    Google Scholar 

  • Drummond, John J. 2007. Moral Phenomenology and Moral Intentionality. Phenomenology and the Cognitive Sciences 7: 35–49.

    Article  Google Scholar 

  • Drummond, John J. 2013. The Intentional Structure of Emotions. Logical Analysis and the History of Philosophy/Philosophiegeschichte und logische Analyse 16: 244–263.

    Google Scholar 

  • Drummond, John J., und Sonja Rinofner-Kreidl, Hrsg. 2018. Emotional Experiences: Ethical and Social Significance. London: Rowman & Littlefield International.

    Google Scholar 

  • Drummond, John J., und Sonja Rinofner-Kreidl. 2020. Morality and the Emotions. In Handbook of Phenomenology of Emotions, Hrsg. Hilge Landweer und Thomas Szanto, 288–298. London: Routledge.

    Google Scholar 

  • Feltham, Brian, und John Cottingham, Hrsg. 2010. Partiality and Impartiality: Morality, Special Relationships, and the Wider World. Oxford: Oxford University Press.

    Google Scholar 

  • Friedman, Marilyn. 1989. The Impracticality of Impartiality. Journal of Philosophy 86: 645–656.

    Article  Google Scholar 

  • Hampton, Jean. 1993. Selflessness and the Loss of Self. Social Philosophy & Policy 10(1): 135–165.

    Article  Google Scholar 

  • Husserl, Edmund. 2014. Grenzprobleme der Phänomenologie. Analysen des Unbewusstseins und der Instinkte. Metaphysik. Späte Ethik. Texte aus dem Nachlass (1908–1937), Hrsg. Rochus Sowa und Thomas Vongehr. Dordrecht et al.: Springer.

    Google Scholar 

  • Rinofner-Kreidl, Sonja. 2013. Husserls Fundierungsmodell als Grundlage einer intentionalen Wertungsanalyse. Metodo. International Studies in Phenomenology and Philosophy 1(2): 59–82.

    Google Scholar 

  • Rinofner-Kreidl, Sonja. 2016a. Moral Perception: On What It Requires and How It Benefits from Reading Fictional Texts. In Ethical Reflections on the Mind/Body Problem, Hrsg. Beatrice Centi, 307–348. Firenze: Le Lettere.

    Google Scholar 

  • Rinofner-Kreidl, Sonja. 2016b. Disenchanting the Fact/Value Dichotomy: A Critique of Felix Kaufmann’s Views on Value and Social Reality. In The Phenomenological Approach to Social Reality: History, Concepts, Problems, Hrsg. Alessandro Salice und Hans-Bernhard Schmid, 317–348. Cham: Springer.

    Chapter  Google Scholar 

  • Scheler, Max. 1954. Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. Neuer Versuch der Grundlegung eines ethischen Personalismus, Hrsg. Maria Scheler. Bern: Francke Verlag. 4., durchges. Auflage.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Sonja Rinofner-Kreidl .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2022 Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Rinofner-Kreidl, S. (2022). Wert und Selbstwert. In: Ruckenbauer, HW., Moser, S. (eds) Säkularismus, Postsäkularismus und die Zukunft der Religionen. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04955-1_23

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-04955-1_23

  • Published:

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-04954-4

  • Online ISBN: 978-3-476-04955-1

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics