Zusammenfassung
Das Inzest-Thema ist im Spätwerk von James Joyce evident und allgegenwärtig. Um so erstaunlicher ist es, daß sich kaum ein Autor diesem Komplex wirklich nähert. Jean-Jaques Mayoux geht zwar so weit, daß er das Thema des Sexualverbrechers für Joyce als ›geweihtes Brot‹ bezeichnet, die Gegenwart des Vater-Tochter-Inzestes verharmlost er dagegen als Träumereien des Vaters Humphrey (Mayoux, 50). Diesen gelüste es zwar nach seiner Tochter Isabelle, aber damit habe es sich auch. Earwicker bleibt ein ehrwürdiger Mann. Die Faszination der Doppelbödigkeit macht die Realität zu einer Fata Morgana, deren Schein wir erliegen, genau wie Joyce es uns im »Wake« nahelegt. Klaus Reichert geht in verschiedenen Aufsätzen immer wieder auf das Inzestmotiv ein, stellt Beziehungen und Bedeutungsebenen dar und verfehlt doch die naheliegenste Frage überhaupt. Auch Joyce bleibt ein ehrwürdiger Mann. Anders als bei Earwicker ist dieses bei ihm nie in Frage gestellt. Und nicht nur die Frage, auch die Fakten fehlen, ja überhaupt die Möglichkeit wird als solche unterschlagen. In Richard Brown’s Buch: »James Joyce and Sexuality« werden weder Millicent Bloom noch Lucia Joyce namentlich erwähnt, das Stichwort: Inzest sucht man vergeblich.
»Gelangen Sie doch lieber dahin: einzusehen, daß man ›vorbildliche menschliche, moralische, humane, undwiesiealleheißen‹ Leistungen von unsern ›Dichtern & Denkern‹ nicht verlangen kann: die Leute lösen sich auf in ihre Werke, mein Herr!! — Den schäbigen Rest besieht man sich als Verehrender besser nicht … Für den ›Umgang mit Unmenschen‹ giebt es noch keinen ›Knigge‹.«
(Arno Schmidt: Müller oder vom Gehimtier, 30)
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Loll, U. (1992). Vater und Tochter — die mit Tränen erpreßte Gemeinschaft. In: James Joyce. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03420-5_14
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03420-5_14
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-03420-5
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