Zusammenfassung
Ein wichtiger Grund für die rasante Entwicklung der Systemtheorien ist sicherlich in der immensen Entwicklungsleistung der elektronischen Datenverarbeitung zu sehen, die es ermöglicht, Systemverhalten nicht nur zu berechnen sondern auch zu visualisieren.344 Moderne Systemtheorien konzentrieren sich auf die Dynamik der Selbsttranszendenz und Wissenschaftler345 aus unterschiedliche Disziplinen haben theoretische Ansätze zu diesem Bereich konzipiert.
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Literatur
vgl. die Chemiker Prigogine, 1979; Eigen, 1975; die Biologen Waddington, Weiss; der An- thropologe Bateson, 1982, 1981 und die Systemtheoretiker Jantsch, 1992; Laszlo, 1987
vgl. Krohn, Köppers, Paslack, 1991, S. 449
stehung von Ordnung wurde nicht mehr als Spezialproblem am Rande verschiedener Gebiete, sondern als zentrales Problem, dem man überall begegnet, begriffen.“347
Krohn, Küppers, Paslack 1991, S. 454
In seinem Buch,Erfolgsgeheimnisse der Natur’ versucht Hermann Haken, in sein Konzept der Synergetik Phänomene der biologischen Evolution, der Ontogenese, der Ökonomie, der Politikwissenschaften und der Wissenschaftsentwicklung zu integrieren. Manfred Eigen behandelt in dem Buch,Das Spiel — Naturgesetze steuern den Zufall’ Problem der Ökologie, der Ökonomie und sogar der Ästhetik. Ilya Prigogine führt in seinem Buch,Vom Sein zum Werden’ ebenfalls Beispiele aus der Ökologie, der Ökonomie und Biologie an. Die Übertragung geschah meist nur auf einer metaphorischen Ebene. Wie die Buchform selbst und besonders die genannten Titel zeigen, war die,Globalisierung mit einer Popularisierungskampagne verbunden, die den expansiven Charakter dieser Phase erhöhte“ (Krohn u.a., 1991, S. 455 ).
vgl. Bühl, 1984, 1987, 1990; Willke, 1989; Luhmann, 1982, 1984, 1988; Hejl, 1981, 1984; Teubner, 1989; Bleicher, 1991; Malik, 1984; Probst, 1987; Probst, Gomez, 1989; Schlicht, 1986; Schiepek, 1987; Kriz, 1990; Bischof, 1990; Haken, Stadler, 1990; Haken, Kelso, Bunz, 1985; Stadler, Kruse, 1986, 1992
Bifurkation, lat.: bifurcum = gegabelt, bi = zwei und furca = Gabel.
vgl. Dress, Hendrichs, Köppers, 1986; Balck, Kreibich, 1991; Haken, Stadler, 1990; Hejl, Krick, Roth, 1978; Krohn, Köppers, 1992; Roth, Schwegler, 1981; Schiepek, 1987; Schmidt, 1991; Ulrich, Probst, 1984
vgl. Lewin, 1951; Koffka, 1935; Köhler, 1929; Wertheimer, 1949
vgl. Haken, Stadler, 1990; Portel, 1984; Stadler, Kruse, 1992
In dem von H. von Foerster begründeten und geleiteten Biological Computer Labaratory wurden von 1957 bis 1976 bahnbrechende Arbeiten auf den unterschiedlichsten Gebieten geleistet. Zu nennen wären hier Arbeiten in den Gebieten: Kybernetik, Kognition, Theorie biologischer und sozialer Systeme, transklassische mehrwertige Logik, Computerwissenschaft, semantische Netzwerke, relationale Datenstrukturen, Automatentheorie, Kybernetik 2. Ordnung (vgl. Foerster, v., 1985 ).
Heinz von Foerster wurde 1911 in Wien geboren. Er ist ein Neffe Ludwig Wittgensteins. Von Foerster war Professor für Informatik bzw. für Biophysik und Physiologie an der Universität von Illinois. „Von 1949 bis 1953 war er Herausgeber der für die Entfaltung der Kybernetik entscheidenden Tagungen der Josiah Macy, Jr., Fondation, auf denen sich Wissenschaftler wie Warren McCulloch, Norbert Wiener, Gregory Bateson, Margaret Mead und John von Neumann um ein Verständnis zirkulär geschlossener und rückgekoppelter Mechanismen in lebenden, neuronalen und sozialen Systemen bemühten“ (Baecker, 1993, S. 17 ).
vgl. Foerster, 1999; 1999. Grundsätzlich wollen Selbstorganisationstheorien sich von dem klassischen Stil physikalischer Naturbetrachtung lösen und durch die Betrachtung nichtdeterministischer Prozesse die Grenzen der technischen Manipulierbarkeit und naturwissenschaftlicher Voraussagen angeben (vgl. Prigogine, 1991, S. 61f ).
Probst teilt die Geschichte der Selbstorganisationsforschung in drei Phasen ein: In der Zeit des 17. bis Mitte des 20. Jahrhunderts verbarg sich hinter der unsichtbaren Hand die Vorstellung, daß es allgemeine Systemregelungen gibt, die die Ordnung der Gesellschaft oder der Nation aufrechterhalten. In der Zeit von 1920 bis 1960, der Phase der konservativen Selbstorganisation, kam die Systemtheorie zum Tragen und rückte die auf Stabilität und Anpassung ausgerichtete Kybernetik in den Vordergrund. Ab ca. 1960 setzt dann die letzte, die Phase der innovativen Selbstorganisation von Systemen, ein (vgl. Probst, 1987, S. 16f). Selbstorganisation stellt für Probst ein Metakonzept für das Verstehen der Entstehung, Aufrechterhaltung und Entwicklung von Ordnungsmustern dar (vgl. Probst, 1987, S. 14). Für die Selbstorganisation sind Begriffe wie Freiraum, Einbezug der betroffenen, Wahlmöglichkeiten und Autonomie typisch, denn es ist nicht ausgeschlossen, daß ein System eine unerwünschte Richtung einschließt. „Im selbstorganisierenden System gibt es keine Trennung zwischen dem organisierenden, gestaltenden oder lenkenden Teil und dem organisierten oder gelenkten. Gestaltung und Lenkung sind über das System verteilt (Probst, 1987, S. 81 ). Zu den philosophischen Wurzeln der Selbstorganisationsforschung vgl. auch Paslack, 1991. Zu neueren Entwicklungen der wissenschaftlichen Bearbeitung des Forschungsbereiches „Selbstorganisation“ aus unterschiedlichen theoretischen Positionen siehe Niedersen, Pohlmann, 1991.
vgl. Foerster, v., in: Schmidt, 1991, S. 138f. Probst unterscheidet zusätzlich zur Selbstreferenz drei weitere Charakteristika sich selbst organisierender Systeme: Autonomie — diese liegt dann vor,,,… wenn die Beziehungen und Interaktionen, die das System als Einheit definieren, nur das System selbst involvieren und keine anderen Systeme“ (Probst, 1987, S. 82), Redundanz — mit Redundanz ist die Fähigkeit verknüpft, zu reflektieren, Veränderungen vorzunehmen, zu erfinden, etwas zu schaffen und initiieren” (Probst, 1987, S. 81) und die Komplexität — wobei ein System als komplex gilt,,,… wenn ein Beobachter es nicht mehr vollständig beeinflussen, d.h. seinen Zustand determinieren und die für Vorhersagen des Verhaltens des Systems notwendigen Rechenvorgänge zu Ende führen kann“ (Röpke, 1977, S. 21 ).
Foerster, v., 1985, S. 31. Die sich daraus ergebene Fragestellungen lauten: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Sind unsere Weltbilder lediglich Erfindungen oder entspricht ihnen eine äußere Realität? Ist Wahrheitserkenntnis letztendlich möglich? (vgl. Foerster, v., Pörksen, 1998 ).
Luhmann beschreibt triviale und nicht-triviale Maschinen wie folgt: „Trivialmaschinen sind Systeme, die auf einen bestimmten Input nach Maßgabe einer internen Transformationsfunktion einen bestimmten Output erzeugen und dies jedesmal wiederholen, wenn derselbe Input eingegeben wird.” Im Gegensatz dazu können nicht-triviale Maschinen so viele Zustände annehmen, „… daß sie nicht berechnet werden können und ihr Verhalten nicht prognostiziert werden kann. Das gilt auch für sie selbst“ (Luhmann, 1985, S. 411 f).
Foerster, v., 1994, S. 246; v. Foerster betont, daß diese Liste keineswegs vollständig ist (vgl. Foerster, v., 1994, S. 246 ).
Der ethische Imperativ lautet: „Handle stets so, daß die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!“ (v. Foerster, 1994, S. 234
Humberto Maturana, geb. 1928 in Chile, studierte Medizin, promovierte in Biologie und ver- öffentlichte Forschungsarbeiten in England und den USA (vgl Maturana, Varela, 1992 ). z.B. die Fortpflanzungsfähigkeit, Beziehung zur Umwelt, Evolution
Maturana, 1982, S. 157
Francisco Varela, geb. 1946 in Chile, Promotion in Biologie, Forschungen im Bereich der biologischen und kybernetischen Grundlagen des Erkennens und des Bewußtseins (vgl. Maturana, Varela, 1992 ).
Autopoiese: griechisch autos = selbst, poiein = machen (vgl. Maturana, Varela, 1992, S. 51). In einer programmatischen Erläuterung heißt es: „Autopoiese ist eine Explikation der Autonomie des Lebens“ (Varela, 1981, S. 119). „Das Wort Autopoiese ist ein griechisches Wort. Genauer gesagt, es ist ein von mir erfundenes neues griechisches Wort Es setzt sich aus den zwei Begriffen autos (was,selbst` heißt) und poiein (was,produzieren` oder,schaffen` heißt) zusammen (Maturana, 1991, S. 35).
Maturana, Varela, De mâquinas y seres vivos: Una teoria de la Organización biologica, Santiago, 1973 (vgl. Maturana, 1992, S. 9 ).
Zur kritischen Auseinandersetzung mit der Theorie autopoietischer System siehe z.B.: Exner, Reithmayr, 1993; Könnecke, 1993; Radermacher, 1993; Wallner, 1993; Fischer, 1993; Linke, Kurthen, Breidbach, 1993; Breidbach, Linke, 1993; Rexilius, 1997; Filmkranz, 1997
Maturana, 1985, S. 158. Eine weitere Definition gibt Roth: „Lebewesen lassen sich als selbstreferentielle und selbsterhaltende oder auch autopoietische Systeme beschreiben, die aus Komponenten aufgebaut sind, die sich zyklisch produzieren und damit sich selbst und das Gesamtsystem erhalten (…). Die Komponenten oder Teilprozesse der Lebewesen sind zumeist von sehr spezifischer physikalischer und chemischer Art: es handelt sich um sog. selbstorganisierende Prozesse, die sich durch spontane Organentstehung auszeichnen “ (Roth, 1983, S. 91 ).
vgl. Maturana, Varela, Uribe, 1982, S. 158. Empirische Untersuchungen zur Größenkonstanz und zur Farbwahrnehmung von Lettvin, Matturana, McGulloch und Pitts Ende der fünfziger Jahre führten zu dem Ergebnis, daß zwischen Außenweltereignissen und neuronalen Zuständen keine stabile Korrelation hergestellt werden kann. Andererseits gab es aber Korrelationen innerhalb der Nervensysteme. Nervensysteme funktionieren offenbar als funktionale geschlossenen Systeme. Somit erzeugen autopoietische Systeme durch ihr Operieren permanent ihre eigene zirkuläre Organisation, die als grundlegende Größe konstant gehalten wird (vgl. Schmidt, 1994, S. 22 ).
Das Beispiel von Kastner und Widmann (Kastner, Widmann, 1991, S. 27), daß ein Auto durch die Relationen zwischen Kolben, Räder etc. organisiert ist und durch eine bestimmte Ausprägung (Limousine oder Sportwagen) strukturiert ist, ist sehr fragwürdig. Da eine letztendlich eindeutige Klassifizierung der Organisation eines Autos nicht existiert. Die Zuord-
nung eines Autos erfolgt definitorisch. Ein Elektroauto enthält kein Pleuel, zählt aber dennoch zur Klasse der Autos.
vgl. Maturana, Varela, 1987, S. 54
Maturana und Varela sind der Meinung, daß autopoietische Systeme unter Beibehaltung ihrer Organisation nur ihre Struktur ändern können (vgl. Maturana, 1981, S. 24). Manche Autoren sind jedoch der Ansicht, daß Systeme im Verlauf ihrer Entwicklung durchaus nicht nur ihre Struktur ändern können, sondern auch ihre Organisation (vgl. z.B. Kirsch, 1992, S. 195 ).
Unterschied zwischen einem autopoietischen und einem allopoietischen System ist ihre Selbstbestimmung hinsichtlich ihrer Konstruktion. Ein allopoietisches System ist fremddeterminiert (z.B. eine Maschine wird von einem Konstrukteur entworfen). Ein autopoietisches System hingegen bestimmt seine Organisation durch rekursive Verknüpfungen mit früheren Strukturen. Leitbild eines solchen autopoietischen Systems ist ein Organismus, der Zellen fortwährend aufbaut und ersetzt, aus denen er selbst besteht (vgl. Maturana, Varela, 1992, S. 51 ).
Die Referenz ist eine wichtige Beschreibungsvariable eines Systems.
Maturana, Varela, 1987, S. 108
z.B. die Drehzahl eines Motors
Die „operationale Schließung“ besagt, daß die Bestandteile eines Systems untereinander agieren und sich nicht direkt am Austausch mit der Systemumwelt in Form einer strukturellen Koppelung beteiligen (vgl. Maturana, Varela, 1992, S. 85f).
vgl, Varela, 1984, S. 25f
Maturana, Varela, 1987, S. 148
Maturana, Varela, 1987, S. 148
Anpassung wird hier verstanden als strukturelle Verträglichkeit zwischen System und Umwelt.
Solipsismus ist eine philosophische Richtung, die behauptet, daß nur die eigene Innerlichkeit existiert (vgl. Maturana, Varela, 1992, S. 146 ).
Repräsentationismus geht von der Annahme aus, daß das Nervensystem mit Repräsentationen (Vertretern, Abbildern der Wirklichkeit) arbeitet (vgl. Maturana, Varela, 1992, S. 146 ).
Maturana und Varela beziehen sich hier auf die epistemologische Odysee zwischen Szylla und Charybdis. Die „schwierige Seefahrt“ ist eine Anspielung auf das Abenteuer von Odysseus zwischen einem gefährlichen Strudel (Charybdis) und einem Ungeheuer (Szylla).
vgl. Maturana, Varela, 1992, S. 145ff
Die deutsche Übersetzung des Begriffes Perturbation als Störung ist problematisch, da dieser Begriff im Deutschen kausal bzw. negativ benutzt wird.
vgl. v. Foerster, 1985. Mit Rauschen wird hier eine Abfolge zufälliger Schwankungen verstanden, wie sie etwa aus einem Radio zu hören sind, wenn kein Sender eingestellt ist.
Kompatibilität bzw. Kommensurabilität (vgl. Maturana, Varela, 1987, S. 110 ).
Mit dem Begriff der strukturellen Koppelung weichen Maturana und Varela von traditionellen evolutionstheoretischen Annahmen, die oftmals Anpassung als das Einstellen des Organismus auf die jeweiligen Umweltbedingungen begreifen, ab.
Das Evolutionsprinzip „Survival of the Fittest“, welches auf Darwin zurückzuführen ist, legt nahe, daß schwächere und weniger gut angepaßte Individuen ausgemerzt werden und besser angepaßte Organismen überleben. Maturana und Varela sind im Gegensatz dazu der Meinung, daß ein System solange angepaßt ist, wie seine autopoietische Organisation erhalten bleibt.
In der herkömmlichen Terminologie wird von „natürlicher Auslese“ gesprochen.
Beim natürlichen Driften von Lebewesen gibt es viele Löschungen von Stämmen und viele überraschende Formen und viele Möglichkeiten, die nie aktualisiert werden (vgl. Maturana, Varela, 1987, S. 123 ).
vgl. Maturana, Varela, 1987, S. 113
Maturana und Varela unterscheiden zwischen historischem Driften (vgl. Maturana, Varela, 1987, S. 70), ko-ontogenetischem Driften (vgl. S. 204), kulturellem Driften (vgl. S. 226), natürlichem Driften (vgl. S. 119ff), ontogenetischem Driften (vgl. S. 185), phylogenetischem Driften (vgl. S. 93) strukturellem Driften (vgl. S. 127f, S. 226) und zellulärem Driften (vgl. S. 86 ).
Der radikale Konstruktivismus greift Ideen und Gedanken des philosophischen Idealismus auf und bezieht Stellung gegen einen Abbild-Realismus (vgl. Tschacher, 1990, S. 169).
vgl. Glaserfeld, 1985; Watzlawick, 1988, 1989, 1991, 1996; Berger, Luckmann, 1980
vgl. Schmidt, 1994, 25f; Maturana, 1982
Maturana, 1982, S. 269
Alfred James Lotka (1880–1949) amerikanischer Biophysiker, geb. in Österreich. Die Originalarbeit von Lotka erschien 1925.
Vito Volterra (1860–1940) italienischer Mathematiker. Die Originalarbeiten von Volterra erschien 1931.
Ein plastisches Beispiel für dieses Modell gibt Watzlawick: „In einer bestimmten Gegend Nordkanadas zeigt die Fuchsbevölkerung eine auffallende Regelmäßigkeit in der Zu-und Abnahme ihrer Dichte. Im Laufe von 4 Jahren steigt sie zunächst zu einem Höchstwert an, beginnt dann abzusinken, erreicht einen kritischen Tiefpunkt und beginnt schließlich wieder anzusteigen. Ein Grund für diese Periodizität ist weder im Einzeltier noch in der sozialen Organisation der Gattung zu finden. Erst wenn — wie es heute selbstverständlich ist — die unmittelbare Umwelt einbezogen wird, zeigt es sich, daß die in derselben Gegend lebenden wilden Kaninchen identische —Phasen durchlaufen, die allerdings gegenüber denen der Füchse um zwei Jahre verschoben sind: dem Höchststand der Fuchsbevölkerung entspricht der Tiefstand der Kaninchen und umgekehrt. Da die Füchse fast ausschließlich von Kaninchen leben und diese kaum einen anderen natürlichen Feind haben als die Füchse, erweist sich der 4Jahres-Zyklus als eine Interferenzerscheinung des Zusammenlebens dieser beiden Gattungen: je zahlreicher die Füchse, desto mehr Kaninchen werden gefressen; je weniger Kaninchen, desto weniger Nahrung ist für die Füchse vorhanden und desto weniger Füchse überleben und pflanzen sich fort, was für die Kaninchen eine Schonzeit bedeutet und ihre Zahl rasch wieder ansteigen läßt“ (Watzlawick, Beavin, Jakson, 1982, S. 6 ).
Iterationen sind sich wiederholende Vorgänge bei denen jeder Systemzustand der Input für den sich daraus ergebenden nächsten Systemzustand ist, der dann seinerseits zum Ausgangspunkt des nächsten Systemzustands wird usw. Dieser iterative Charakter, der jedem dynamischen System innewohnt, befähigt dieses, Phänomene wie Periodizität oder deterministisches Chaos hervorzubringen.
Bereits Anfang dieses Jahrhundert beschäftigte sich F. Richardson mit der „Grenz-Frage“. Bei einer Untersuchung in verschiedenen Enzyklopädien mußte er erstaunliche Längenunterschiede (von bis zu 20%) bei den Angaben zur Länge der Küstenlinien und Ländergrenzen feststellen. Bei eigenen experimentellen Längenmessungen fand er heraus, daß die Länge einer Küstenlinie und einer Ländergrenze um so mehr zunimmt, je kleiner der Maßstab ist. Die Arbeit wurde erst 1961 posthum veröffentlicht, und Mandelbrot stieß rein zufällig auf sie (vgl. Kriz, 1992, S. 45 ).
Selbstähnlichkeit bezeichnet den Tatbestand, daß sich im „Kleinen“ die gleichen Strukturen wie im „Großen” finden lassen. Selbstähnliche Objekte zeichnen sich dadurch aus, daß bei Wegnahme eines noch so kleinen Teils im Teil selbst immer eine Figur enthalten bleibt, die unter genügend starker Vergrößerung wieder das gesamte Bild ergibt.
Die Cantor-Menge (auch Cantor-Staub genannt) wurde nach dem deutschen Mathematiker Georg Cantor benannt.
Kriz, 1992, S. 54. Mandelbrot beschäftigte sich mit dem intuitiven Eliminieren „uneffektiver“ Dimensionen und schlug den Begriff der „effektiven Dimension” vor. Es zeigt sich jedoch, daß die effektive Dimension vom Auflösungsgrad und damit von der jeweiligen BeobachterObjekt-Beziehung abhängig ist. Am Beispiel eines Wollknäuels erläutert Mandelbrot dies: „Einem Beobachter, der weit genug entfernt ist, erscheint das Knäuel als eine nulldimensionale Figur: ein Punkt. (…) Mit 10 cm-Auflösung betrachtet, ist das Knäuel eine dreidimensionale Figur. Bei 10 mm-Auflösung ist es ein Wirrwarr von dimensionalen Fäden. Bei 0,1 mm-Auflösung wird jeder Faden zur Säule, und das Ganze wird wieder eine dreidimensionale Figur (…) “ (Mandelbrot, 1987, S. 29 ).
Die Vorstellung des Begriffes „Dimension“ in der Geometrie gehen schon auf Euldid (um 300 v.Ch.) zurück Die Dimensionszahl D drückt die Beziehung zwischen der Skalierung s und der Anzahl der Teile a aus, die in ein Ganzes überführt werden. Eine Gerade kann so beispielsweise in drei, vier oder fünf Teile unterteilt werden. Die Dimensionszahl bleibt 1. Ein Punkt hat z.B. die Dimension 0. Eine Gerade oder Teile davon haben, wie gesagt, die Dimension 1. Eine Ebene oder Teile davon, die nicht auf einer Geraden liegen, die Dimension 2 und der Raum oder Teile davon, die nicht in einer Ebene liegen, die Dimension 3 (vgl. Kriz, 1992, S. 54, S. 57).
Fraktal, lat. fractum = in Stücke gebrochen, gebrochen. „…das Wort Fraktal wurde von Mandelbrot erfunden, um eine umfangreiche Klasse von Objekten unter einem Begriff zu vereinen, die in der Entwicklung der reinen Mathematik eine historische Rolle gespielt haben“ (Dyson, 1978 in Kriz, 1997, S. 37). Führt man Rückkoppelungen unendlich oft durch, erhält man ein sehr kompliziertes Gebilde, das man Fraktal nennt.
Eine sehr schöne Darstellung dieser per Computer erzeugten fraktalen Strukturen findet sich im GEO-Wissen Heft Nr.2 1990, S. 98ff
Selbstähnlichkeit ist eine Eigenschaft, die Fraktale zeigen. Verschieden starke Vergrößerungen der Objekte ähneln einander. Dies wird in der Abbildung des „Apfelmännchens“ am Ende dieses Kapitels deutlich. Am Rand der Apfelmännchenfigur werden unter einer Lupe wie-der Apfelmännchen sichtbar, deren Ränder wiederum kleine Apfelmännchen enthalten — bis ins Unendliche.
Nichtlineare Systeme sind Systeme, deren Entwicklung durch nichtlineare Gleichungen beschreibbar sind. Wenn die Elemente eines Systems nichtlinear wechselwirken, kann das Ganze mehr sein als die Summe seiner Teile. Chaos ist nur in nichtlinearen Systemen möglich.
Chaos, griech.: gestaltlose Urmasse. Das Wort Chaos stammt aus der griechischen Mythologie: Nach Hesiods Theogonie um 700 v.Chr. war im Anfang das Chaos — eine grenzenlose gähnende Leere, aus der dann Gaia entstand, die Erde. Ähnlich heißt es in der Genesis, dem Eröffnungskapitel der Bibel: „Und die Erde war wüst und leer“. Mathematiker und Naturwissenschaftler sprechen dagegen von „chaotischen” Systemen, wenn deren Entwicklung nicht determiniert, nicht vorhersagbar ist (vgl. Welsch, 1992, S. 62; Briggs, Peat, 1990, S. 21 ).
Mathematisch kann dies am Beispiel des sogenannten Feigenbaum-Szenarios veranschaulicht werden (vgl. Kriz, 1992, S. 35ff; Schrader, 1990, S. 184). „Wie unendlich viele ineinandergeschachtelte Puppen enthält das Feigenbaumdiagramm unendlich oft sich selbst“ (Schrader 1990, S. 185 ).
Periodenverdoppelung ist eine grundlegende mathematische Gesetzmäßigkeit auf dem Weg ins Chaos.
Die Feigenbaumzahlen wurden nach Mitchell Feigenbaum benannt, der weitreichende Hypothesen über die Universalität von Konstanten zur Berechnung der Periodenverdoppelung aufstellte (vgl. Kriz, 1997, S. 33).
Bereits allerkleinste Ungenauigkeiten und Rundungsfehler können dazu führen, daß zwei beliebig nahe beieinander liegende Zahlen rasch zu sehr unterschiedlichen Folgen führen (vgl. Kriz, 1997, S. 25).
Selbst im exakten Bereich der Mathematik führen schon einfachste Operationen unter bestimmten Bedingungen zu prinzipiell unberechenbaren Ergebnissen (vgl. Kriz, 1997, S. 23).
Der Begriff „Struktur“ wird dem Begriff „Ordnung” vorgezogen, da der Begriff „Ordnung“ allzu leicht als statisches und zeitloses Muster mißverstanden werden könnte (vgl. Kriz, 1992, S. 19).
Als Katastrophen werden hier abrupte Wechsel bzw. Veränderungen bezeichnet, mit denen ein System auf plötzliche geringfügige Veränderungen der externen Zustände reagiert.
Multistabilität ist ein altbekanntes Phänomen der Gestalttheorie, z.B. Kippfiguren, bei denen Figur und Grund abwechseln und mit veränderten Bedeutungen hervortreten. Damit wird deutlich, daß psychische Qualitäten eine eigene Dynamik besitzen, die durch äußere Reize lediglich angeregt werden.
Als Attraktoren (lat. attrahere = anziehen) werden geometrische Strukturen, die das Langzeitverhalten im Zustandsraum darstellen, bezeichnet.
vgl. Kriz, 1992, S. 158. Während Differentialgleichungen die Art und Weise beschreiben, wie sich Systeme innerhalb eines gegebenen Zustandsraumes beständig ändern, versucht die topologische Geometrie sämtliche potentielle Verhaltensweisen eines Systems als geometrische Abstraktion zu veranschaulichen.
Schmidt-Denter (vgl. Schmidt-Denter, 1992) sieht die Chaos-Forschung in die Kontinuität europäischen Denkens eingebunden und verweist auf Bertalanffy. Schiepek und Strunk nennen als weitere Vorläufer die Gestaltpsychologie (von Ehrenfels, Köhler, Wertheimer, Metzger), Piagets kognitive Selbstorganisationstheorie, Lewins Feldtheorie, Buytendijks Studien zur Formenbildung in der Natur, von Uexküls Gestaltkreis und Diltheys Ganzheitsphilosophie des Seelenlebens (vgl. Schiepek, Strunk, 1994, S. 30 ).
Laszlo weißt darauf hin, daß streng genommen die Bezeichnung für die Chaostheorie: „Theorie nichtlinearer, dynamischer Systeme, die sich mit der Untersuchung von chaotischen Attraktoren befaßt“, heißen müßte.
Sombek, Vering, Willert, 1993, S. 56f
Die populärwissenschaftlich verfaßte Geschichte der Chaosforschung von Gleick (vgl. Gleick, 1990) führte dazu, das ein breiteres Publikum für die Chaosforschung interessiert werden konnte.
vgl. z.B. Feichtinger, Kopel, 1994, S. 9. Kritisch mit dieser Frage auf der Grundlage der Theorie von Kuhn setzt sich Habemeier mit dieser Frage auseinander (vgl. auch Nürnberger, 1993, S. 75ff).
Henri Poincaré (1854–1912) französischer Mathematiker, Professor an der Universität Paris. Er gilt als einer der letzten Universalisten seines Fachgebietes. Poincaré veröffentlichte über 400 Bücher und Artikel. Eine der bedeutendsten Arbeiten war die Entwicklung der Topologie (vgl. Stewart, 1990, S. 65f ).
vgl. Cramer, 1993, S. 164; Highfeld, 1992, S. 353
Pierre Simon de Laplace (1749–1827), Mathematiker. Der Mathematiker Laplace war der Meinung, daß „der momentane Zustand des,Systems` Natur (…) offensichtlich eine Folgen dessen (ist), was er im vorherigen Moment war, und wenn wir uns eine Intelligenz vorstellen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt alle Beziehungen zwischen den Teilen des Universums verarbeiten kann, so könnte sie Orte, Bewegungen und allgemeine Beziehungen zwischen all diesen Teilen für alle Zeitpunkte in der Vergangenheit und in der Zukunft vorhersagen“ (zit. n. Breuer, 1977, S. 8 ).
Die Erkenntnisse von Lorenz finden sich u.a. im Aufsatz „Deterministic Nonperiodic Flow“, 1963
vgl. Cramer, 1993, S. 159; Coveny, Highfield, 1992, S. 272f; Cramer, 1993, S. 159; Coveny, Highfield, 1992, S. 272f
Gleick, 1990, S. 29
Beim „Runden“ tritt gegenüber dem wahren Wert eine kleinste Abweichung auf.
Die Wissenschaftspraxis baute auf den deterministischen Grundannahmen von Netwton und Laplace auf: Ein annähernd genauer Input erzeugt einen annähernd exakten Output. Aufgrund dessen dürfen sehr kleine Abweichungen vernachlässigt werden.
Im Gegensatz zu Pietschmann, nach dem der „Schmetterlingseffekt“ seinen Namen genau dieser Geschichte verdankt, verweist Laszlo darauf, daß der Schmetterlingseffekt nach dem schmetterlingsähnlichen Muster des zugrundeliegenden Attraktors und nicht auf die Geschichte zurückzuführen ist (vgl. Laszlo u.a., 1992, S. 67).
Es lassen sich generell drei Systemzustände explizieren: 1. Der.stabile Zustand, in diesem Zustand reagieren Systeme auf äußere Einflüsse bzw. Störungen angemessen und somit berechenbar. 2. Der chaotische Zustand, in diesem Zustand reagiert ein System auf äußere Einflüsse unangemessen empfindlich und es läßt sich nicht berechnen. Ähnliche Wirkungen führen zu völlig unterschiedlichen Ergebnisse. 3. Der (41lierende Zustand, Übergangsphase, in diesem Zustand reagieren Systeme weder eindeutig berechenbar noch völlig unberechenbar. Es können zwar keine exakten Ergebnisse der Systemreaktionen prognostiziert werden, jedoch gibt es feste Regeln und Konstanten, mit denen die Möglichen Systemreaktionen eingegrenzt werden können (vgl. Nürnberger, 1993, S. 10f ).
Der Phasenraum ist ein Phantasiegebilde mit sechs Dimensionen. Im Phasenraum bedeutet ein jeder Ort nicht nur Position, sondern auch Geschwindigkeit. Der Vorteil dieses mathematischen Raumes ist, daß Punkte oder Linien gewissermaßen eine Kurzschrift für wirkliche Bewegungen sind. So sagen z.B. Kurven im Phasenraum den Wissenschaftlern alles über die Entwicklung des zugehörigen dynamischen Systems, egal ob es sich um Wirtschaftszahlen oder die Bevölkerungsvermehrung handelt.
Der Lorenz-Attraktor ist benannt nach seinem Entdecker Edward Lorenz und bekannt wegen seiner an ein Eulengesicht erinnernden Form.
vgl. Ratzek, 1992, S. 70; Laszlo u.a., 1992, S. 67
vgl. Abraham, 1991, S. 5; Rezat, 1993, S. 146; Thwaites, 1993, S. 178; Laszlo, 1987, S. 60
Diese Form ist schon seit Newton bekannt (vgl. Abraham, 1991, S. 5). Ein Pendel erliegt dieser unwiderstehlichen Punktattraktion wenn es, durch Reibung gebremst, in immer kleineren Ausschlägen seinem Ruhepunkt entgegenschwingt.
Der Typus der periodischen Attraktoren (z.B. das Ticken einer Uhr) war in diesem Jahrhundert der vorherrschende. Im Phasenraum dargestellt wird ein solcher Attraktor als geschlossene Kurve, etwa als Kreis, Ellipse oder zu einem Ring gebogene Schraubenlinie. Einige Autoren (vgl. Tschacher, 1990, S. 50; Thwaites, 1993, S. 178) differenzieren die periodischen Attraktoren in periodische und quasiperiodische Attraktoren.
Ein Pendel kann schwingen, wenn zwischen seiner natürlichen Schwingungszeit und der Antriebsperiode kein gemeinsames Vielfaches existiert. Im Phasenraum, der ja auch Geschwindigkeit in räumliche Position übersetzt, bewegt sich das Pendel auf der Oberfläche eines „Torus“. „Torus” nennen Mathematiker Gebilde von der Form eines Rettungsringes.
Diese Systeme zeigen im Unterschied zu einem rein zufälligen Verhalten aber eine gewisse Symmetrie und weisen Inseln von stabilen und periodischen Zuständen auf z.B. die Zuckungen eines Pendels binnen einer Minute mögen — entsprechend vergrößert — der Bewegung im Verlauf einer Stunde ähneln. Dies ermöglicht die Einstufung von Systementwicklungen als „wahrscheinlich“ bzw. „unwahrscheinlich” (vgl. Thwaites, 1993, S. 178f ).
Systeme, die sich durch Attraktoren beschreiben lassen, besitzen eine sensitive Abhängigkeit ihrer Systementwicklung von den Ausgangsbedingungen und durchlaufen niemals zweimal den gleichen Punkt (vgl. Rezat, 1993, S. 146).
vgl. Brühl, 1990, S. 124; Feichtinger, Kopel, 1994, S. 9. Allerdings wird der missionarische Eifer mancher Chaosforscher von einigen Autoren auch kritisiert (vgl. Feichtinger, Prskawet, 1992 ).
Dissipation, lat.: dissipare = zerstreuen d.h. der zeitliche Übergang einer Energieform in Wärmeenergie. Prigogine wählte für die von ihm entdeckten Prozesse die Bezeichnung dissipative Strukturen, „… um die paradoxe Rolle von dissipativen Vorgängen bei ihrer Entstehung hervorzuheben“ ( Prigogine, Stengers, 1981, S. 21 ).
Die „B-Z“ Reaktion vollzieht sich in einer Lösung aus den Bestandteilen Malonsäure, Kaliumbromat und einigen weiteren Chemikalien. Dabei bilden Bromid-Ionen Brom-Moleküle, die dann mit Malonsäure reagieren und wieder zu Bromid werden. Beobachtet man eine solche Lösung in einer Schale, so kann beobachtet werden, wie ohne weiteres Zutun abwechselnd rote und blaue konzentrische Ringe nach außen wandern. Diese chemische Schwingung wird solange fortgesetzt, bis die Malonsäure verzehrt ist (vorausgesetzt es tritt keine weitere
Störung auf). Unter bestimmten Bedingungen weisen diese „chemischen Uhren“ eine chaotische Reaktion auf. Das vorhandene ordentliche Muster der „B-Z”-Reaktion beginnt dann zu zerfließen, mit dem Ziel, die Anpassung an die Umwelt durch Ausprobieren gewissermaßen zu optimieren.
Bemerkenswert bei dieser Form der Selbstorganisation von „chemischen Uhren“ ist, daß die bisher üblichen chemischen Vorstellungen zur Erklärung nicht ausreichen, da diese bei der Reichweite in der Größenordnung von einigen Molekülen enden. In diesem Fall aber sind Myriaden von Molekülen an einer Makrostruktur beteiligt (vgl. Kriz, 1997, S. 63).
Prigogine, Stengers, 1981, S. 156
Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Werk von Ilya Prigogine siehe z.B. Altner, 1986
Ilya Prigogine, Professor für physikalische Chemie an der FU Brüssel. Für seine experimentelle Untersuchung eines als „Brüsselator“ benannten chemischen Systems erhielt er 1977 den Chemie-Nobelpreis. Prigogine gilt als einer der ersten, die die fachübergreifende Bedeutung der Erforschung von evolutionären Prozessen erkannt haben.
Autokatalyse ist eine wichtige Bedingung der Nichtlinearität.
Bifurkation bedeutet Gabelung und wird im Zusammenhang mit der Bestimmung aller Arten von qualitativer Neugestaltung verschiedener Situationen gesehen, als eine Reaktion auf eine Veränderung der Parameter, von denen diese Situation abhängt.
Im Rahmen der traditionellen Physik und Chemie blieb die Frage, wie naturgesetzliches Leben entstehen konnte, ein Rätsel. Der französische Biochemiker Monod glaubte, z.B. daß das Erscheinen der ersten Zelle ein singulärer Zufallsprozeß war (vgl. Monod, 1971 ). Der Physiker Nils Bohr forderte gar, daß das Leben per se als Grundtatsache in der Biologie angenommen werden müsse (vgl. Bohr, 1986 ). Auch der zweite thermodynamische Hauptsatz sprach gegen die Entstehung des Lebens gemäß physikalisch-chemisch Gesetzen.
Proteine bilden die wichtigsten Bausteine der belebten Materie. Jede Zelle besteht aus einer Vielzahl von verschiedenen Proteinen, die teils als Bauelemente und teils als Steuer-und Wirkstoffe Verwendung finden. Proteine sind Makromoleküle, d.h. sie bestehen selbst aus kleineren Moleküleinheiten, den Aminosäuren. Diese Aminosäuren wiederum sind zu einem langen Fadenmolekül verkettet, wobei die Reihenfolge und die räumliche Anordnung der einzelnen Aminosäuren die Eigenart des betreffenden Proteins bestimmt. Die Steuerung des Proteinaufbaus erfolgt durch das genetische System. Dabei stellt die Desoxyribonukleinsäure (DNS) die Trägersubstanz der genetischen Information dar. Nukleinsäuren gehören wie die Proteine zur Klasse der biologischen Makromoleküle. Ihre Bausteine die Nukleotide, sind zu langen Ketten aneinandergereiht und bilden die Erbinformation. Die gesamten Informationen zum Bau und zur Funktion eines Lebewesens und alle erdenklichen Proteinbaupläne sind verschlüsselt in den Nukleinsäuren durch eine schriftzeichenartige Aneinanderreihung von Nukleotiden niedergelegt.
Die systemtheoretisch orientierte Biologie hat die Frage der Gültigkeit des Prinzips der natür- lichen Selektion im Bereich des molekularen stets verneint (vgl. Köppers, 1986, S. 92).
Für diese Entdeckung erhielten Altman und Cech 1989 den Nobelpreis.
Die Synergetik wurde von Herman Haken, geb. 1927, Studium der Mathematik und Physik, seit 1960 Professor für theoretische Physik an der Universität Stuttgart, begründet. Haken entwickelte die Synergetik im Zusammenhang mit seinen Forschungen zur Lasertheorie, die das kollektive selbstorganisierte Emissionsverhalten angeregter Atome untersucht (vgl. Haken, 1991 ). Die Synergetik stellt wohl die umfassendste systemtheoretische Konzeption dar (Haken, 1981; 1983 ).
Die Amerikaner Charles H. Townes und Arthur L. Schawlow entdeckten 1958 die Grundlagen der „light amplification by stimulated emission of radiation“, der Lichtverstärkung durch angeregte Emission von Strahlungen, und die Russen A.M. Prochorow und N.G. Bassow entwickelten sie später weiter. Diese Forschungen galten im Prinzip einem gasförmigen, festen oder flüssigen Stoff, der, in eine Röhre gefüllt, so unter Spannung gesetzt wird, daß er zu leuchten beginnt. Das Licht wird an den Enden der Röhre von Spiegeln reflektiert und verstärkt, bis es als besonders stark fokussierter, gleichwelliger, energiereicher Strahl austritt. Mit dem Laser sind hohe Energiemengen für eine genau bestimmbare Zeit auf einen fast beliebig kleinen Punkt zu konzentrieren (vgl. GEO EPOCHE, 1999, S. 58 ).
Haken verwendet für physikalische Vorgänge häufig umgangssprachlich besetzte Ausdrücke.
Haken, 1991, S. 70
Nach welchen Gesetzen des Wettbewerbs selektiert wird, bleibt noch offen. Ein Indiz für die Identifizierung von Ordnern ist, daß es sich dabei um Elemente handelt, die sich langsam verändern (vgl. Haken, 1991, S. 139 ).
Aufgrund des Welle-Teilchen-Dualismus ist eine Unterscheidung ob Welle oder ob Teilchen nicht möglich.
Das heißt die Auswahl der Lichtwellen erfolgt durch Ausmerzung der nicht angepaßten und nicht durch eine Auswahl der am besten angepaßten Lichtwellen.
Elektronenverhalten in Abhängigkeit von der Spiegelanordnung
vgl. Kriz, 1992, S. 143 (allein die „Springer Series in Synergetics“ umfaßt bereits rund 50 Bände)
Eine ausführliche Darstellung der strukturell-funktionalen Theorie, die von Talcott Parsons entwickelt wurde, würde den Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten. Aus diesem Grund werden an dieser Stelle nur einige zentrale Begriffe erläutert. Weitere Darstellungen der strukturell-funktionalen Theorie finden sich bei Scott (vgl. Scott, 1986, S. 139), Brandenburg (vgl. Brandenburg, 1971) und Kieser und Kubicek (vgl. Kieser, Kubicek, 1978). Zur Kritik an der strukturell-funktionalen Theorie siehe z.B. Habermas (Habermas, 1963 ), Prewo, Rietzer, Stracke, 1973; Dahrendorf (Dahrendorf, 1977) und Dreitzel (Dreitzel, 1980 ).
Eine der größten Bedeutungen der strukturell-funktionalen Theorie liegt darin, daß sie in ihren entwickelten Formen die Möglichkeit der Integration verschiedener sozialwissenschaftlicher Ansätze in eine allgemeine Theorie des Handelns eröffnet (vgl. Hartfiel, 1976, S. 649).
Unter dem „personalen System“ wird ein System von Bedürfnis-Dispositionen verstanden, welches in einem Individuum organisiert ist und durch die Vermittlung von organisch-psychischen Bedürfnislagen und kultureller Umwelt zustande kommt (vgl. Hartfiel, 1976, S. 650).
Als „kulturelles System“ wird das System von kognitiven, expressiven und von Wertsymbolen verstanden, die für den Handelnden in einer bestimmten Situation mögliche Handlungen beschränken und so wiederum soziales Handeln und die „verstehende” Kommunikation von Personen ermöglichen (vgl. Hartfiel, 1976, S. 650).
vgl. Hartfiel, 1976, S. 649. Ein soziales System bezeichnet ein System, worin Handlungen durch Institutionalisierung zu festen Beziehungsmustern geworden sind. Dabei verfestigen sich Orientierungspunkte von interagierenden Personen zu Positionen. Die handelnde Person wird zum Träger einer „Rolle“ und die Grenzen eines „sozialen Systems” werden als relativ
stabiles Gefüge von Beziehungsmustern zwischen den Handelnden in ihrer Eigenschaft als Rollenträger definiert.
Unter Integration wird hier verstanden das als „Internalisierung“ bezeichnete Eindringen des kulturellen in das soziale System, das als Institutionalisierung bezeichnete Eindringen des kulturellen in das soziale System und die mit dem Begriff „Sozialisation” beschriebene Auseinandersetzung des personalen mit dem sozialen System (vgl. Hartfiel, 1976, S. 650).
Am Beispiel der Regenmacherzeremonie „primitiver“ Gesellschaften soll dies verdeutlicht werden. Eine kausale Erklärung, die in einen religiösen Kontext eingebunden ist, würde folgendermaßen lauten: Wird die Zeremonie durchgeführt (Ursache), werden die Götter versöhnlich gestimmt (Wirkung). Im Gegensatz dazu würde eine funktionale Erklärung folgendermaßen lauten: Die Regenmacherzeremonie hat die Funktion für die Gemeinschaft, den sozialen Zusammenhalt zu fördern (vgl. Reimann, 1991, S. 179).
Die Regenmacherzeremonie weist z.B. die Strukturmerkmale sozialer Zusammenhalt, Überlieferung und Festigung kultureller Werte auf. Andererseits kann das Strukturmerkmal sozialen Zusammenhalts durch mehrere Sachverhalte z.B. Regenmacherzeremonie oder anderweitige Stammes-Rituale erfüllt werden (vgl. Reimann, 1991, S. 181f ).
So kann z.B. Sozialisation der Ausprägung „intern“ zugeordnet werden und Wirtschaft der Ausprägung „extern”.
Das AGIL-Schema hat seinen Namen aus den englischen Initialen folgender Funktionen erhalten (vgl. Kneer, Nassehi, 1994, S. 30): Adaption (Anpassungsfunktion, damit ist die Aufnahme und Bereitstellung von Ressourcen und Energie aus der Umwelt gemeint), Goal Attainment (Zielerreichungsfunktion, damit ist die teleologische Orientierung an Handlungszielen gemeint), Integration (Integrationsfunktion, die sich auf die Gemeinschaftsbildung und die normative Orientierung bezieht), Latent Structure Maintenance (die Strukturerhaltungsfunktion bezeichnet die Sicherung der Gemeinsamkeit der kulturellen Überzeugung).
Luhmann (Rechts-und Sozialwissenschaftler), geb. 1927, war ursprünglich Jurist und Verwaltungsbeamter. Nach einem Studienaufenthalt bei Talcolt Parsons an der Harvard Universität Anfang der sechziger Jahre begann er damit, die allgemeine Systemtheorie für die Soziologie nutzbar zu machen. Die Systemtheorie von Luhmann wurde in der Zeit nach der Studentenbewegung vor allem von den Vertretern der kritischen Sozialwissenschaften, im besonderen von den Vertretern der Frankfurter Schule, als Sozialtechnologie und Herrschaftsinstrument kritisiert. Nach dem „Niedergang“ der Kritischen Theorie ist die Luhmannsche Systemtheorie erneut in den Blickpunkt gerückt und zu „neuen Ehren” gekommen. Die Kritik an der Systemtheorie ist im besonderen durch die Debatte von Luhmann mit Habermas als damaligem Exponenten der „Frankfurter Schule“ bekannt geworden. Diese Kontroverse ist im Sammelband „Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie” nachzulesen.
Eine Zusammenfassung des funktional-strukturellen Ansatzes von Luhmann findet sich z.B. bei Schmid, Treiber, 1975
Luhmanns Werk wird von Moldenhauer als ein riesiger Verweisungszusammenhang beschrieben, der die Begrifflichkeit festlegt, in der über soziale Sachverhalte und Zusammenhänge zu reden sei. Moldenhauer betont, daß Aussagen auf dieser Ebene in allen Theorieentwürfen unvermeidlich den Charakter der Apodiktizität und als Korrelat den Charakter potentieller Beliebigkeit haben (vgl. Moldenhauer, 1988, S. 160 ).
In der Zwischenzeit sind eine ganze Reihe von Einführungen in die Luhmannsche Systemtheorie entstanden (vgl. Kiss, 1990; Kneer, Nassehi, 1993; Fuchs, 1992; Reese-Schäfer, 1992; Bendel, 1993; Stark, 1994; Gripp-Hagelstange, 1995; Krieger, 1996; Krause 1996). Zur kritischen Auseinandersetzung mit der Theorie Luhmanns siehe z.B.: Sigrist, 1997; Hildebrandt, 1997; Mühlfeld, 1997; Beermann, 1993; Gerhards, 1993; Schulte, 1993
Luhmann schränkt dies selber ein: „Die allgemeine Systemtheorie kann gegenwärtig nicht als eine konsolidierte Gesamtheit von Grundbegriffen, Axiomen und abgeleiteten Aussagen vorgestellt werden. Sie dient einerseits als Sammelbezeichnung für sehr verschiedenartige Forschungsunternehmen, die ihrerseits insofern allgemein sind, als sie ihren Anwendungsbereich und dessen -Grenzen nicht spezifizieren“ (Luhmann, 1992, S. 34; vgl. hierzu: Krause, 1996, S. 10f; Krieger, S. 7).
Luhmann, 1992, S. 19; Kneer, Nassehi, 1994, S. 7
Gripp-Hagelstange, 1997, S. 110. Luhmann intendiert ein Hintergehen der Subjekt-ObjektUnterscheidung. Sein Ansatz ist gekennzeichnet durch ein Ausblenden des Intersubjektiven sowie dem Immerschon der Welt und der Nichtrelevanz der Frage nach dem Ding an sich. Luhmanns Theorie sieht die Reduktion von ontologischen Vorgaben vor und seine Abkehr von philosophiegeschichtlichen Bezügen ist radikal (vgl. auch Reese-Schäfer, 1992 ).
Unter einer Paradoxie versteht Luhmann nicht unbedingt nur ein logisches Problem, „… sondern ein Beobachtungshindernis, daß etwas zugleich wahr und falsch ist, zugleich Recht und Unrecht ist, also zugleich beide Seiten einer Unterscheidung aktualisieren will, zugleich einfach und komplex, zugleich groß und klein ist“ (Luhmann, 1991, S. 839).
vgl. Gripp-Hagelstange, 1997, S. 110f
Fuchs bezeichnet die Luhmannsche Systemtheorie als eine nicht-hierarchische und labyrinthische Theorie (vgl. Fuchs, 1993, S. 7)
Gripp-Hagelstange beschreibt als die schwierigste Aufgabe der Hinführung zur Theorie Luhmanns, die Aporie, „… daß etwas verstanden werden soll, daß ohne Vorverständnis nicht zu verstehen ist, dieses Vorverständnis aber im Grunde nur herzustellen ist, wenn das Eigentliche bereits verstanden ist“ (Gripp-Hagelstange, 1997, S. 111).
Die Theorie der sozialen Systeme wurde in verschiedenen Gebieten schon relativ umfangreich diskutiert z.B. in der Pädagogik (vgl. z.B. Luhmann, Schorr, 1982, 1986, 1990; Oelkers, Tenorth, 1987) und in der Betriebswirtschaftslehre (vgl. z.B. Kasper, 1990; Kirsch, Knyphausen, 1992 ).
Im folgenden soll eine der wichtigsten Differenzen zwischen Parsons und Luhmann kurz beschrieben werden. Während für Parsons die Problematik, die in den unterschiedlichen Erwartungen und Erwartungserwartungen von Interagierenden liegt, nur lösbar war mittels einer den Beteiligten bekannten und von ihnen als verbindlich anerkannten normativen Ordnung, anhand derer sich stabile Handlungserwartungen ausbilden lassen, gibt Luhmann dem Begriff der Kontingent eine modaltheoretische Definition, nach der das kontingent ist, was zwischen der Unmöglichkeit und der Notwendigkeit liegt, also auch anders sein könnte, als es ist. Damit verzichtet Luhmann bewußt auf eine Lösung des Problems, sondern bezieht es in seine theoretische Konzeption mit ein. Die Unwahrscheinlichkeit der Interaktion kann zwar nicht aufgehoben, jedoch mit Hilfe von Medien reduziert werden.
Komponenten derart, daß die Komponenten durch ihre Interaktion wiederum dasselbe Netzwerk produzieren.
Selbstreferenz betont die Zustände eines Systems und bedeutet, daß ein System die Abfolge seiner Zustände selbst organisiert bzw. selbst bestimmen kann.
Luhmann versteht unter Elementen solche Teile, die sich im System nicht weiter zerlegen lassen, obwohl sie selbst hochkomplex sein können (vgl. Luhmann, 1991, S. 43).
Selbstreferenz und Autopoiese markieren entscheidende Innovationen in der Theorie sozialer Systeme von Luhmann (vgl. Kneer, Nassehi, 1994 ).
Im Luhmannschen Ansatz gibt es statt der Menschen drei über strukturelle Kopplung miteinander verbundene, autonome Systeme, die jeweils autonom ihre Informationen bezogen auf ihre Umwelt erzeugen. „Es gibt mehrere empirische Grundlagen für Kognitionsprozesse…, insbesondere Leben, Bewußtsein und Kommunikation…“ (Luhmann, 1990, S. 523).
Kommunikation wird bei Luhmann nicht auf Sprache beschränkt (vgl. Luhmann, 1994, S. 66).
Das bedeutet jedoch nicht, daß psychische Prozesse unwichtig für das Entstehen von sozialen Prozessen sind. Luhmann betrachtet Psyche und Organismus wiederum als autopoietische Systeme, die der Umwelt eines sozialen Systems angehören (vgl. Luhmann, 1994, S. 289). Obwohl psychische, organische und soziale Systeme getrennt werden, sieht er latente Verbindungen, da Menschen die Träger der Kommunikation sind.
Luhmann, 1994, S. 43. Luhmann begründet diese Konzeption damit, daß sowohl die handlungstheoretischen wie auch die klassisch systemtheoretische Ansätze das Problem der emergenten Effekte nicht in einem zufriedenstellenden Maße zu lösen vermögen. Die Handlungstheorien betrachten soziales Verhalten als Aggregation von Einzelhandlungen (vgl. Luhmann, 1984, S. 581ff) und die traditionell funktionalistischen Systemtheorien betrachten die Sinnhorizonte handelnder Akteure als ein Phänomen, welches vollständig durch die Strukturen determiniert ist, und können folglich daraus keine individuellen Spielräume ableiten. Somit sind beide Theorien in den wechselseitigen Autonomiespielräumen zwischen dem Ganzen und seinen Teilen gefangen. Auf diesem Hintergrund propagiert Luhmann seine These einer eigenständigen Selbstreproduktion psychischer und sozialer Systeme.
Luhmann, 1986, S. 267. Als erstes muß Ego eine Information (im Sinne von Shannon Weavers) auswählen, die er mitzuteilen beabsichtigt. Die Auswahl der Information erfolgt nicht beliebig, sie wird über die Ordnungsform Sinn ausgewählt, und es ergeben sich für soziale Systeme andere Sinnkriterien als für psychische Systeme. Anschließend muß Ego ein Verhalten wählen, mit dessen Hilfe er die gewählte Information mitzuteilen beabsichtigt. Im nächsten Schritt muß Alter das, was Ego sagt, verstehen. Dazu muß dieser zwischen Information und Mitteilung differenzieren können (vgl. Luhmann, 1988, S. 11f ).
Eine erste Unterscheidung kann nur operativ eingeführt, nicht ihrerseits beobachtet (unterschieden) werden. Alles Unterscheiden von Unterscheidungen setzt diese ja voraus, kann nur nachher erfolgen, erfordert also Zeit bzw., in anderen Worten, ein in Operationen befindliches autopoietisches System“ (Luhmann, 1990, S. 80).
Luhmann nennt als weitere logisch reflexiv gebaute Unterscheidungen: Differenz und Identität, Operation und Beobachtung, Form und Medium.
Geschlossene Systeme müßten ohne jeden Umweltkontakt operieren können, was noch nicht einmal bei technisch-physikalischen Systemen gegeben ist.
Allopoietische Systeme sind nicht selbststeuerungs-bzw. selbstorganisationsfähig (z.B. Trivialmaschine bei v. Foerster).
Autopoietische Systeme sind selbststeuerungs-bzw. selbstorganisationsfähig (vgl. Maturana, Varela, 1987). Der Ansatz Hejls weist deutliche Differenzen zu Luhmanns AutopoiesisRezeption auf. Hejl plädiert dafür, soziale Systeme eben synreferentiell und nicht autopoietisch zu nennen, was Luhmann befürwortet. Gesellschaften sind gemäß Hejl nicht mehr als soziales System zu verstehen, da sie keine gemeinsamen Realitätskonstrukte ausbilden. Während er Individuen als Basiskomponenten der Gesellschaft ansieht, geht Luhmann von kommunikativen Ereignissen als ihren Grundbausteinen aus (vgl. Hejl, 1992, S. 135f ).
Luhmann definiert Medium analog der Wahmehmungstheorie von Heider folgendermaßen: „Medium in diesem Sinne ist jeder lose gekoppelte Zusammenhang von Elementen, der für Formung verfügbar ist, und Form ist die rigide Kopplung eben dieser Elemente, die sich durchsetzt, weil das Medium keinen Widerstand leistet“ (Luhmann, 1990, S. 53). Ein Medium ist eine bestimmte Möglichkeit der Ermöglichung unbestimmter Möglichkeiten, eine Formung zugängiger loser Zusammenhänge von bestimmten Elementen (vgl. Krause, 1996, S. 132). Die Systemtheorie nennt z.B. als Medien: Macht, Geld, Recht, Wahrheit etc.
In der Unterscheidung fungiert jede Seite als die andere der anderen. (…) Die Unterscheidung selbst muß dagegen als das Nicht-Andere des Unterschiedenen begriffen werden. Sofern das Unterscheiden an der Unterscheidung teilnimmt, ist es nicht anders als das jeweils andere“ (Luhmann, 1990, S. 87).
Niklas Luhmann benennt dies prägnant: „Umorientierung von Einheit auf Differenz als Startpunkt der Theorieentwicklung“ (Luhmann, 1986, S. 23).
Umwelt wird in der Systemtheorie nicht auf die natürliche Umwelt in Form von Tieren, Pflanzen, Wälder oder Luft begrenzt.
Unter Selektion wird die systemeigene Auswahl von neuartigen Umweltereignissen zur Wiederverwendung im System verstanden.
Kontingent bezeichnet, was weder notwendig noch unmöglich ist. Was geschieht, geschieht, aber es kann nur verstanden werden oder man kann nur sinnvoll daran anschließen, wenn das aktuell Gegebene im Horizont des auch-anders-möglich erscheint“ (Fuchs, 1993, S. 115).
Ego und Alter stellen abstrakte Bezugseinheiten der Formung und Erwartung dar. Ego und Alter stellen vom Menschen ausgehende und auf diesen in einer ausgewählten Hinsicht bezogene Gesichtspunkte dar (vgl. Krause, 1996, S. 15 ).
Eine Black Box ist eine unbekannte Maschine, von der man annimmt, daß sie determinier-bar ist, in der der determinierbare Mechanismus jedoch dem Blick entzogen ist“ (Glanville, 1988, zit. n. Kneer, Nassehi, 1994, S. 22). „Ich stelle mir einfach zwei schwarze Schachteln vor, black boxes, so heißt das wohl, die sich gewissermaßen umkreisen und belauern, aber miteinander umgehen müssen (….). Was die eine Schachtel bei der anderen sieht, ist schon die Reduktion, eine Abbreviatur, ein Kürzel, und das sieht jede Schachtel bei der anderen, und darauf stellt sich jede Schachtel ein, und was dann geschieht als Umgang miteinander, mag zu Beginn eine trial/error-Kette wechselseitiger Beeinflussungsversuche sein, aber der experimentelle Charakter verliert sich mit den Lemerfolgen und den Möglichkeiten von Verhaltensprognosen… Es kommt zu einer Art Stabilität von etwas, das auf nichts anderem aufruht als auf Unterstellungen, die sich der Komplexität der Systeme gleichsam abgewinnen, aber an keiner Zeitstelle diese Komplexität wirklich kontrolliert” (Fuchs, 1993, S. 118).
Zum Beispiel wird Ego sich das Erleben irgendeiner Verhaltensäußerung Alters zurechnen.
Die Alterperspektive von Ego und die Egoperspektive von Alter gehen nicht in einer eigenen sozialen Perspektive wie die Teile eines Ganzen auf“ (Krause, 1996, S. 16).
Reduktion von Komplexität hat für Menschen vor allen Dingen eine entlastende Funktion. „Für Luhmann ist der Mensch vor allem ein reduktionsbedürftiges Wesen“ (Meinberg, 1984, S. 254).
So wird z.B. die soziale Komplexität dadurch bewältigt, daß die Mitglieder unterschiedliche Rollen ausdifferenzieren und damit eine bestimmte Form einer internen Arbeitsteilung bilden (vgl. Willke, 1987, S. 63).
Von Reflexivität (prozessualer Selbstreferenz) wollen wir sprechen, wenn die Unterscheidung von Vorher und Nachher elementarer Ereignisse zu Grunde liegt“ (Luhmann, 1994, S. 601).
Von Reflexion wollen wir sprechen, wenn die Unterscheidung von System und Umwelt zu Grunde liegt“ (Luhmann, 1994, S. 601).
Re-entry heißt Eintritt einer Unterscheidung in sich selbst. Beim Vorgang des „re-entry“ wird dieselbe Unterscheidung rekursiv auf sich selber angewandt. Differenzieren sich z.B. Subsysteme aus, so geschieht ein „re-entry” der Unterscheidung System/Umwelt. Die Unterscheidung eines Systems als System geschieht, in dem es sich als verschieden von seiner Umwelt identifiziert. Das System benutzt also die Unterscheidung von System und Umwelt, um sich als System unterscheiden zu können oder anders formuliert das System setzt seine Unterscheidung als System zu einer Unterscheidung als System voraus (vgl. Krause, 1996, S. 60 ).
Soziale wie psychische Systeme sind sinnhaft konstituierte Systeme. Psychische Systeme verarbeiten Sinn in Form von Gedanken und Vorstellungen. Soziale Systeme verarbeiten Sinn in Form von sprachlich vermittelter Kommunikation (vgl. Luhmann, 1991, S. 192ff; Willke, 1993, S. 68 ).
Kommunikation versteht Luhmann, als,,… das Prozessieren einer Unterscheidung als Unterscheidung — und zwar der Unterscheidung von Information und Mitteilung“ (Luhmann, 1990, S. 20f).
Nach Luhmann können soziale Systeme nur existieren, wenn auf eine Kommunikation eine erfolgreiche Anschlußkommunikation erfolgt. Diese ist aber nur möglich, wenn das Selektionsangebot der ersten Kommunikation angenommen wird und so ein Beitrag zum selektierten Thema erfolgt (vgl. Luhmann, 1991, S. 93f ).
Willke gibt folgende Definition von Emergenz: „Emergent soll eine Ordnung oder eine Eigenschaft heißen, wenn sie aus der bloßen Aggregation von Teilen oder aus den summierten Eigenschaften der Teile nicht mehr erklärbar ist“ (Willke, 1978, S. 381). „Emergenz bezeichnet das plötzliche Auftreten einer neuen Qualität, die jeweils nicht erklärt werden kann durch die Eigenschaften und Relationen der beteiligten Elemente, sondern durch eine jeweils be-
sondere selbstorganisierende Prozeßdynamik (…)“ (Krohn, Küppers, 1992, S. 392). Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile aufgrund der zwischen den Teilen vorherrschenden Interaktion. Das System besitzt neue Eigenschaften, die nicht auf die Elementeneigenschaften zurückführbar sind. „Komplexe Systeme bestehen nicht einfach aus Bestandteilen mit deren elementaren Eigenschaften (dies ist die Anschauung des Substantialismus), sondern die komplexeren Systeme mit ihren Eigenschaften entstehen aus den wechselwirkenden Komponenten. Nur wenn man einem Substantialismus anhängt, wird das Auftreten emergenter Eigenschaften rätselhaft” (Roth, Schwegler, 1992, S. 3).
Operative Geschlossenheit bedeutet, daß ein Gedanke einen Gedanken voraussetzt und nur ein Gedanke wiederum an einen Gedanken anschließen kann (vgl. Krause, 1996, S. 23).
Kognitive Offenheit bezeichnet den Vorgang, daß ein psychisches System, das durch ein Ereignis in seiner Umwelt irritiert ist, sich veranlaßt sieht, aus den wahrgenommenen Ereignissen für sich eine Information zu generieren und diese als Gedanken in seinen Gedankenstrom einzubinden (vgl. Krause, 1996, S. 23).
Strukturdeterminiert bedeutet, daß ein autopoietisches System selektiv die in seiner Geschichte durch Auseinandersetzung mit der Umwelt gewonnenen Erfahrungen in seinem Gedächtnis abspeichert (vgl. Krause, 1996, S. 25).
Umweltangepaßtheit meint, daß sich ein System in einer Umwelt nur halten kann, wenn genügend Voraussetzungen vorhanden sind, die für die Operationen des Systems notwendig sind (z.B. ohne Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft kein wirtschaftliches System, ohne Gesprächsfähigkeit und -bereitschaft kein Gespräch) (vgl. Krause, 1996, S. 25).
vgl. Fuchs, 1998, S. 118. „Autopoietische Systeme sind historische Systeme: Sie erzeugen ihre Ereignisse in einem durch sie selbst spezifizierten, sie selbst spezifizierenden Kontext, sie setzen sich selbst voraus, sie sind selbst-resultativ und deswegen immer gnadenlos geschichtlich“ (Fuchs, 1998, S. 118 ).
Luhmann, 1985, S. 403; vgl. Luhmann, 1986, S. 77
Der Begriff der Selbstreferenz bezeichnet die Einheit, die ein Element, ein Prozeß, ein System für sich selbst ist (vgl. Luhmann, 1994, S. 58 ). Selbstreferenz bedeutet, daß Systeme ausschließlich mit systeminternen Elementen operieren. Die Selbstreferenz sichert so die Autonomie eines Systems gegenüber seiner Umwelt.
Psychische Systeme, die von anderen psychischen Systemen oder von sozialen Systemen beobachtet werden, nennt Luhmann Personen (vgl. Luhmann, 1994, S. 155). „Als Personen sind hier nicht psychische Systeme gemeint, geschweige denn ganze Menschen. Eine Person wird vielmehr konstituiert, urn Verhaltenserwartungen ordnen zu können, die durch sie und nur durch sie eingelöst werden können. Jemand kann für sich selbst und für andere Person sein. Das Personsein erfordert, daß man mit Hilfe seines psychischen Systems und seines Körpers Erwartungen an sich zieht und bindet, und wiederum: Selbsterwartung und Fremderwartung“ (Luhmann, 1994, S. 429 ).
Habermas beschreibt Vernunft aus einer anderen Perspektive: „Die Vernunft gilt weder als etwas Fertiges, als eine objektive Teleologie, die sich in der Natur oder der Geschichte manifestiert, noch als bloß subjektives Vermögen. Vielmehr geben die in historischen Entwicklungen aufgesuchten Strukturmuster verschlüsselte Hinweise auf die Pfade unabgeschlossener, abgebrochener, fehlgeleiteter Bildungsprozesse, die über das subjektive Bewußtsein des Einzelnen hinausgreift“ (Habermas, 1985, S. 69).
Ein soziales System entsteht z.B., wenn zwei Personen (psychische Systeme) sich gegenseitig „stören“. Beide wollen ihr Verhalten aufeinander abstellen, bzw. jede Person will an das Verhalten der anderen Person anschließen. Dieses wechselseitige Spiel von gegenseitigem Anschließen wird durch die Sinnhorizonte der beiden Personen bestimmt, die für den jeweils anderen jedoch unzugänglich bleiben. Das hat zur Folge, daß die unterschiedlichen Sinnhorizonte, in diesem Gespräch dieser beiden Personen, nie durch eine Person determiniert werden können, da es immer der Zufälligkeit der jeweils anderen Person unterworfen ist. Der Begriff der doppelten Kontingenz beschreibt genau dieses Wechselspiel.
Als Beispiele für Interaktionssysteme führt Krause z.B. folgende an: eine flüchtige zwischenmenschliche Begegnung auf der Straße, ein Kneipengespräch, ein wissenschaftliches Seminar etc. (vgl. Krause, 1996, S. 31).
Wahmehmbarkeit kann über das Medium Körper oder Sprache oder beide geschehen.
Informationen versteht Luhmann als zeitpunktfixierte Ereignisse, die den Strukturgebrauch aktualisieren (vgl. Luhmann, 1994, S. 102).
Entscheiden wird hier als eine Auswahl aus verschiedenen Entscheidungsaltemativen treffen verstanden.
Mitgliedschaft wird verstanden, als ein Merkmal, „…. das auf die Absehbarkeit von bestimmten Personen als Mitglieder und auf die Anerkennung von personenunabhängig geltenden Mitgliedschaftsbedingungen abhebt“ (Krause, 1996, S. 32). „Formale Organisation bringt zum Ausdruck, daß man nur aufgrund einer Entscheidung Mitglied des Systems ist und daß auch das Verhalten in der Organisation, soweit es formal reguliert ist, als Entscheidung behandelt werden kann. Hier wird die Erwartung sozusagen miteinkalkuliert, daß sie zur Entscheidung führt” (Luhmann, 1988, S. 295f).
Mit binärer Codierung ist der Gebrauch eines strikt zweiwertigen Schemas gemeint,,,… mit dem sich ein System indifferent setzt gegen Informationsverarbeitungszumutungen, die auf einem anderen als eben seinem Schema beruhen (Fuchs, 1993, S. 194 ). Der binäre Code als notwendiger Bestandteil von Funktionssystemen sichert das Erkennen der Anschlußfähigkeit von Organisationen im System sowie das Produzieren und Reproduzieren der Differenz von System und Umwelt. Er ist eine „Totalkonstruktion“ für einen bestimmten Anwendungsbereich (z.B. Recht, Wirtschaft) der alles, was in seinen Relevanzbereich fällt, dem einen oder
dem anderen Wert zuordnet (Wahr — Unwahr; Zahlung — Nichtzahlung). Der binäre Code fixiert unter Ausschließung von dritten Möglichkeiten einen positiven und einen negativen Wert. Dabei bezeichnet der positive Wert das, womit man etwas anfangen kann und der negative „… dient nur der Reflexion der Bedingungen unter denen der positive Wert eingesetzt werden kann (Luhmann, 1996, S. 35 ).
z.B. Wissenschaft, Wirtschaft, Recht, Politik. „Die Wirtschaft bezieht sich auf die Regulierung von Knappheit, die Wissenschaft auf die Konditionierung wahrheitsfähigen Erlebens, die Liebe auf die Ermöglichung höchstpersönlicher Kommunikation, die Politik kümmert sich um kollektiv bindende Entscheidungen, die Erziehung reduziert das Risiko selbstläufiger Sozialisation…“ (Fuchs, 1993, S. 190 ).
Die Ausdifferenzierung der Gesellschaft bewirkt, daß sich jedes Teilsystem nur einem spezifischen für sie relevanten Ausschnitt aus der Welt zuwendet und diesen bearbeitet. Dadurch erhöht sich systemintem das Potential des Möglichen, die Kontingenz wächst gesamtgesellschaftlich gesehen ins Unermeßliche. Diese Folge der funktionalen Differenzierung ist eines der Probleme der Postmodeme: das Kontingenzproblem.
Programmierung bedeutet in diesem Fall Wiedereintritt eines ausgeschlossenen Dritten. So ist z.B. ein Diskussionsbeitrag nur dann von Belang, wenn er zum Thema paßt. Das Thema ist somit in diesem Fall das Programm. Eine Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht kann nur erfolgen, wenn es eine Regel gibt, die eine Zuordnung ermöglicht. In diesem Fall wäre das Gesetz das Programm (vgl. Krause, 1996, S. 40 ).
z.B. kann die Wirtschaft die Wissenschaft an der Konditionierung von Geldzahlungen beteiligen, aber sie kann mit Geld keine Wahrheit produzieren.
Ein Beispiel für ein Mediencode ist: Geld ist ein Medium, das binär codiert ist. Somit heißt das Medium Geld und der Code des Mediums heißt Zahlen/Nichtzahlen. Der Begriff des Mediums bezeichnet also die positive Seite des Codebegriffs.
Autopoietische Systeme können sich in ihrer Umwelt nur erhalten, wenn es ihnen gelingt, sich mit dieser die Inanspruchnahme eines Mediums zu teilen. Dabei muß das gemeinsam beanspruchte vom systemeigenen Medium unterschieden werden.
In diesem Fall sind gemeinsame Elemente ausgeschlossen.
Bei der festen Kopplung zeichnet das sich selbst in seinen Beziehungen zur Umwelt beobachtende System in das beanspruchte Medium eine bestimmte Form ein. Krause führt als Beispiel an, daß die Zahlungshandlung im Medium des Geldes von System 1 an System 2 vonstatten ging (lose Kopplung) im Medium des Rechts als geltend gemachte Forderung von System 2 an System 1 zu betrachten ist (feste Koppelung).
Interpenetration bezeichnet allgemein die Beziehung zwischen einzelnen Systemen, wenn „… sich beide Systeme dadurch ermöglichen, daß sie in das jeweils andere ihre vorkonstituierte Eigenkomplexität einbringen“ (Luhmann, 1994, S. 290). Interpenetration kennzeichnet einen Zustand der gegenseitigen Angewiesenheit von Systemen. Voneinander abhängige Systeme operieren autonom, stellen sich aber gegenseitig ihre eigene Komplexität als notwendige Voraussetzung ihrer Lebenserhaltung zur Verfügung. „Von Interpenetration soll nur dann die Rede sein, wenn auch die ihre Komplexität beitragenden Systeme autopoietische Systeme sind. Interpenetration ist demnach ein Verhältnis von autopoietischen Systemen” (Luhmann, 1994, S. 296). Interpenetration bedeutet auch, daß identische Komponenten in unterschiedlichen Systemen Verschiedenes bedeuten, aus unterschiedlichen Bedingungszusammenhängen entstehen und zu jeweils anderen Konsequenzen führen.
Die an der Gesprächsrunde teilnehmenden psychischen Systeme operieren auf der Grundlage von Bewußtsein mit Gedanken als Elementen im Medium der Sprache und beteiligen sich am Gespräch nach Maßgabe ihrer Beobachtungen der Beteiligung der anderen psychischen Systeme. Jedes psychische System operiert selbstreferentiell, und das aufgenommene Gespräch ist ein eigenständiges und eigendynamisches soziales System (vgl. Krause, 1994, S. 48 ).
Die Einführung der Unterscheidung ist schon eine Unterscheidung. Der Beginn ist deshalb kein Anfang, sondern genau genommen ein Schonbegonnen haben. Es gibt ausschließlich Sequenzen von Unterscheidungen und Bezeichnungen. Die Frage, wie man beginnt, ist „rational unentscheidbar aber folgenreich“ (Luhmann, 1988, S. 49 ).
Eine hervorragende Zusammenfassung des Spencer Brownschen Kalküls gibt Simon (Simon, 1993, S. 52–78).
Spencer Brown, zit. n. Luhmann, 1995, S. 56
Luhmann definiert Form folgendermaßen: „Form ist (…) nicht zu verstehen als Gestalt eines Dinges oder allgemeiner: einer Sache (…), die dank ihrer Form bestimmte Eigenschaften aufweist. Form ist nicht das schöne oder weniger schöne Aussehen. Form ist auch weder durch den Gegensatz zu Materie noch durch den Gegensatz zu Inhalt bestimmt (denn das würde nur zur Frage nach der Form eben dieses Gegensatzes führen). Sondern Form ist die Markierung einer Differenz mit Hilfe einer Unterscheidung, die dazu zwingt, entweder die eine oder die andere Seite zu bezeichnen“ (Luhmann, 1991, S. 17 ).
Luhmann bezieht sich auf den Unterscheidungsbegriff von Bateson: „Die Unterscheidung selbst kommt aber in der Unterscheidung gar nicht vor. Sie findet sich weder auf der einen oder der anderen Seite. Sie hat, wie Gregory Bateson formuliert, keine Ortsbestimmung. Sie ist das durch sie selbst ausgeschlossene Dritte“(Ichmann, 1994, S. 8 ).
Jedoch legt Bezeichnung nicht auf Dauer fest, was gewählt wurde. Es besteht in der Brownschen Begrifflichkeit immer die Möglichkeit für die Anschlußunterscheidungen des „crossing“, also des Wechsels zur anderen Seite. Dabei ist zu beachten, daß ein Oszillieren vom „marked state” (marked state steht für das unvermeidliche Einteilen der Welt) zum „ummarked state“ („unmarked state” steht für die Welt vor der Unterscheidung) immer Zeit in Anspruch nimmt.
Luhmann, 1991, S. 64. Als Beispiel führt Luhmann an: „Eine Seeschlacht — ich denke an Aristoteles’ Peri hermeneias — kann sich von einer Landschlacht unterscheiden, oder vielleicht auch von Seehandel. Aber man wird nicht so leicht auf die Idee kommen, daß es Fische sind
oder Sterne oder Götter, die die andere Seite bevölkern. Und so lag ja auch die Strategie von Salamis darin, den Persern auf See und nicht auf dem Land entgegenzutreten“ (Luhmann, 1991, S. 64).
Luhmann, 1991, S. 65. Der „blinde Fleck“ stammt ursprünglich aus der Fachsprache der Anatomie und bezeichnet die Stelle im Augenhintergrund, aus der der Sehnerv austritt. An diesem Punkt sind keine Sehzellen vorhanden. Die trotzdem erscheinende Vollständigkeit des Bildes ergibt sich aus der speziellen Reizverarbeitung des Gehirns, das aus den Reizen, die es aus der Umgebung des Punktes erhält, ein „ganzes” Bild errechnet. In der Theorie der sozialen Systeme wird mit dem „blinden Fleck“ der Tatbestand bezeichnet, daß die Beobachtung als Operation „blind” bleibt,,,… weil sie im Vollzug des Unterscheidens und Bezeichnens die dazu benutzte Unterscheidung nicht von anderen Unterscheidungen unterscheiden und bezeichnen kann“ (Luhmann, 1995, S. 52 ).
Werden Beobachter als autopoietische Systeme betrachtet, so sind sie geschlossen-operierende Systeme und damit strukturdeterminiert. Damit beobachten Beobachter keineswegs willkürlich, sondern sie werden in ihren Beobachtungsoperationen von ihren Strukturen und somit von ihrer Vergangenheit abhängig (vgl. Kneer, Nassehi, 1994, S. 10 ).
Luhmann definiert Latenz als „fehlende Bewußtheit“ (vgl. Luhmann, 1993, S. 457).
Kneer, Nassehi, 1994, S. 107. Die „autologische Implikation“ meint, daß die Beobachtung zweiter Ordnung „…aus der Beobachtung ihres Gegenstandes Schlüsse auf sich selbst ziehen muß ” (Luhmann, 1990, S. 15f ).
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Ebert, W. (2001). Moderne Systemkonzepte. In: Systemtheorien in der Supervision. Forschung Soziologie, vol 109. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97506-5_7
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