Zusammenfassung
Irritiert, aber mit ironischem Tonfall, reflektiert die liberale Tageszeitung „The Independent“ über die von einem medialen Erdbeben heimgesuchte britische Öffentlichkeit im Spätherbst 1998. Während fünf Wochen herrscht in den britischen Medien Krieg: Krieg gegen Oskar Lafontaine, Krieg gegen die Europäische Union, Krieg gegen die Regierung von Blair und Schatzkanzler Brown — ein Krieg, in dem es um die Verteidigung des britischen Tiefsteuerklimas vor einer geplanten europäischen Steuerharmonisierung, letztlich um die Bewahrung der Unabhängigkeit vor dem europäischen „Superstaat“ geht. Aufgeschreckt von den radikalen Plänen des deutschen Finanzministers Lafontaine und der ambivalenten Rolle Blairs als „Good European“ auf der neuen sozialistischen Bühne Europas fragt das vom EU-Gegner Murdoch herausgegebene Boulevardblatt „The Sun“ seine zehn Millionen-Leserschaft mit großen Lettern auf der Titelseite: „Is this the most dangerous man in Europe?“ (25.11.98) und platziert rechts davon auf drei Viertel Seitenfläche das Gesicht von Oskar Lafontaine. Als der „gefährlichste Mann“ anlässlich einer Tagung der Finanzminister der EU zusammen mit dem französischen Finanzminister Strauss-Kahn die Abschaffung des Vetorechts in Steuerfragen proklamiert, doppelt die Sun nach: „Foxtrott Oskar!“ (2.12.98) mit rotem F und O. „Fuck off!“
„SO, the Hun is at the gate again. This time he not only wants to rape our daughters and steal our empire, but worse — he wants to harmonise our taxes. Where Kaiser Wilhelm strutted and Adolf Hitler screamed, now Oskar Lafontaine — finance minister of all Germany — threatens the sacking of the classical temples of the City of London. Teutonic knights, fair of hair, dark of countenance and rigid of doctrine. seek to reduce this enlightened, dynamic country to the state of bureaucratised inertia that characterises theirs. Or do they? Is this vision a fictional nightmare, induced by imbibing the mild narcotic of British right-wing journalism?“
The Independent, 3.12.1998
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Tobler, S. (2002). Zur Emergenz transnationaler Öffentlichkeiten. In: Imhof, K., Jarren, O., Blum, R. (eds) Integration und Medien. Mediensymposium Luzern, vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97101-2_17
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