Zusammenfassung
Benutzerhinweis: Funktion der Auswahlbibliographie ist es, Zugänge zur verstreuten und teilweise schwer zugänglichen Literatur zur interpretativen Erforschung von Fachlernprozessen zu geben. Insbesondere Examensarbeiten und Dissertationen können auf diesem Fundament aufbauen. Wer die hier nicht aufgenommenen fachdidaktischen Gesamtentwürfe (Hilligen, Gagel, Gie-secke, Sutor, Claußen u.a.) aufmerksam liest, wird entdecken, daß auch diese immer wieder mit Beispielen arbeiten, die aber meist nur angedeutet werden. Solche „Miszellen“ werden hier nicht dokumentiert. Aufgenommen sind dagegen einige Arbeiten aus Nachbargebieten (Allgemeine Didaktik, Geschichtsunterricht u.a.), da diese Material bieten, das politikdidaktisch reanalysiert werden kann bzw. methodisch anregend und transferfähig ist.
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Literatur
A. Wortprotokolle von Unterricht und Interpretation
Gagel, Walter/Grammes, Tiiman / Unger, Andreas (Hg.): Politikdidaktik praktisch — Ein Videobuch, Schwalbach 1992
Eine Politikstunde zum Thema „Asylrecht“ (11. Klasse) wird mehrperspektivisch kommentiert: Planung, Wortprotokoll, nachträgliche Kommentierung von Lehrer, Schülern und vier Fachdidaktikern (Wolfgang Hilligen, Gotthard Breit, Georg Weißeno, Sibylle Reinhard mit Referendaren). Der Band enthält Lehrertrainingsaufgaben und Hinweise zur Arbeit in Seminargruppen und der Lehrerweiterbildung. Die Videokassette mit der Aufzeichnung der Stunde kann bestellt werden.
Grammes, Tiiman /Kuhn, Hans-Werner: Unpolitischer Politikunterricht? Versuch einer qualitativen fachdidaktischen Analyse, in: Gegenwartskunde, Heft 4, 1988, S. 491 – 499
Auszüge aus dem Wortprotokoll einer Stunde zum Thema „Neue Jugendbewegung (10. Klasse, Gesamtschule). Die Kommentierung enthält Hinweise auf die Politiktheorien von Lehrer und Schülern. Die Fragen der Schüler enthalten weiterreichende Perspektiven als die eindimensionalen Antworten des Lehrers.
Grammes, Tiiman: Unpolitischer Gesellschaftskundeunterricht? Anregungen zur Verknüpfung von Lebenskundeunterricht und Politik, Schwalbach 1991
Auszüge aus dem Wortprotokoll einer Stunde im Fach Gesellschaftskunde in der Wendephase der DDR (8. Klasse, Polytechnische Oberschule Berlin-Pankow) zum Thema „Schwierigkeiten mit der Demokratie / Toleranz“. Anhand einer Interpretation von Kommunikationsstruktur und Material der Stunde wird als Alternative aufgezeigt, wie ein moralisch bleibender Unterricht zu einem Politikunterricht weiterentwickelt werden kann.
Christa Handle: Begründung und Realität von Demokratisierung in der Schule. Ergebnisse aus einem Erkundungsprojekt mit Lehrern, Diss. Bremen 1977, Veröff. Frankfurt / Main 1977 Dieses Gutachten für die „Deutsche und Schwedische Kommission zur Untersuchung von Fragen der Mitwirkung in Schule, Hochschule und Forschung“ enthält Erkundungsberichte (nur z.T. als Wortprotokoll) aus allen Fächern aller Schulformen, darunter auch Sozialkundestunden (S. 257 ff., S. 301 ff., 335 ff.). Die Dokumentation ist sozialgeschichtlich interessant, da es sich um die „Sturm und Drang“-Phase der Bildungsreform handelt. Die Berichte über Lehrer-, Eltern-und tw. Schülerversammlungen lenken die Aufmerksamkeit auf diesen seit den 70er Jahren empirisch vernachlässigten Aspekt von Schuldemokratie und -kultur.
Heinze, Thomas: Unterricht als soziale Situation. Zur Interaktion von Schülern und Lehrern, München 1976
Kommentierte Unterrichtsverläufe aus einem fächerübergreifenden (?) Projektunterricht zum Thema „Fernsehanalyse“. Schüler werden auf Schülertaktiken hin befragt. Eine fachdidaktische Reinterpretation ist tw. möglich.
Kokemohr, Rainer/Marotzki, Wilfried (Hg.): Interaktionsanalysen in pädagogischer Absicht, Frankfurt/Main, Bern, New York 1985
Dokumentation (Wortprotokoll) einer Geschichtsstunde (9. Klasse, Gymnasium) zu den Napoleonischen Kriegen, die auch für Pölitiklehrer interessant sein dürfte. Die in einer sehr esoterischen gesprächsanalytischen Terminologie verfaßten Kommentare liefern dennoch ein gelungenes Bild von den Standards und Leistungsmöglichkeiten interpretad ver Forschung. Die Lektüre wird terminologisch erleichtert durch Ehlich / Rehbein (Nr. 25).
Koring, Bernhard: Eine Theorie pädagogischen Handelns, Weinheim 1989
Der erste Teil der anspruchsvollen Hamburger Habilitationsschrift gibt eine umfassende Einfuhrung in die Methode der objektiven Hermeneutik von Ulrich Oevermann und die daran anschließende Diskussion um die Professionalisierung pädagogischer Tätigkeit. Im zweiten Teil wird die Methode der objektiven Hermeneutik auf eine Mikrosequenz einer Sozialkundestunde zum Thema „Entwicklungsländer“ (8. Klasse, Realschule, Aufnahmedatum: 1979) angewendet, indem ein mehrschichtiges Archiv von Deutungen angelegt wird, Lehrer, Schüler, ein Psychoanalytiker (Alfred Lorenzer), ein Erziehungswissenschaftler (Jürgen Diederich), ein Gesprächsanalytiker (Ulrich Oevermann). Deutlich wird, daß die Schüler auf der mehrperspektivischen Durcharbeitung von Sachverhalten bestehen, obwohl die Lehrerin Deutungen eindimensional reduziert. Die Schüler werden von der Lehrerin „dümmer kreiert, als sie sind. “ Eine gesonderte Publikation des gesamten Materials der Studie för Lehrerweiterbildungszwecke ist wünschenswert.
Schulz, Wolfgang: Politische Erziehung. Voraussetzungen — Versuche — Folgerungen. In: Kledzig, Ulrich J. (Hg.): Die OPZ in Berlin, Hannover/Berlin/Darmstadt/Dortmund 1963, S. 39–67
Auch wichtige Vertreter der sog. „Berliner Schule“ (später: „Hamburger Modell“) der Didaktik haben sich in ihrer Anfangszeit im Kontext von Schulmodellen (OPZ = dreijährige Oberschule Praktischen Zweigs im Anschluß an die Berliner sechsjährige Grundschule) mit Fragestellungen der politischen Bildung beschäftigt — eine ursprünglich vorhandene Tradition der Verknüpfung allgemeindidaktischer mit fachdidaktischer Reflexion. Der Aufsatz enthält neben wichtigen Hinweisen auf eine nicht beendete empirische Studie von Volker Nitzschke (S. 108, heute Universität Frankfurt / Main) leider nur Ausschnitte aus den von PH-Studenten protokollierten Stunden („Machtergreifung, S. HO ff.). Ein fast unbekanntes historisches Dokument!
B. Andere empirische Untersuchungsverfahren
Dahms, Günter: Nachdenken im Unterricht. Fragemethode und Anleitung zum argumentierenden Gespräch, Königstein 1979
Zu selten greifen Haupt- und Fachseminarleiter zur Feder, um ihre vielseitigen Beobachtungen aus Hospitationen und Lehrprobenstunden bei Berufsanfangern festzuhalten und auf schulische Handlungsmuster hin verallgemeinernd zu untersuchen (vgl. als weiteres rares Beispiel noch Hoffmann 1987). Oft ist das Resultat dann nur eine flache praktizistische Rezeptliteratur (Kompendienliteratur), selten wie im vorliegenden Fall theoretisch auf dem Stand der didaktischen Diskussion. Drei der vielen Kurzbeispiele stammen aus dem Umfeld des Sozialkundeunterrichts (auch eine Deutschstunde zum Thema Werbung/ Massenmedien). Sie nähren den Verdacht „Laberfach“, in dem beliebige Meinungen ausgetauscht werden, anstatt daß Schule Ort der Argumentation wäre.
Grammes, Tiiman/Wicke, Kurt (Hg.): Die Gesellschaft aus der Schülerperspektive. Schwedische Beiträge zu einer didaktischen Phänomenographie, Hamburg 1991
Der Lernende sieht nicht nichts, er sieht die Dinge anders. Um diese andere Sicht der Dinge wiederzugewinnen, benötigt der Lehrer eine „Grammatik der Lernschwierigkeiten“. Mit der Methode der didaktischen Phänomenographie erschließen die Aufsätze von namhaften schwedischen Unterrichtsforschern Schülerperspektiven zu politischen, ökonomischen, historischen und kulturellen Phänomenen. Was bedeuten Politik, Gleichheit, Arbeit, Entwicklung, Geld, Steuern, Krieg, Sklaverei, Religion für Schüler? Sichtbar wird die künstliche Welt des Schulwissens zwischen Alltagsdenken und Wissenschaft über alle Altersstufen hinweg. Gefordert wird ein verstärkter europäischer Austausch Eichdidaktischer Forschungsergebnisse. Ausführliche internationale Bibliographie.
Harms, Hermann /Breit, Gotthard: Zur Situation des Unterrichtsfachs Sozialkunde/Politik und der Didaktik des politischen Unterrichts aus der Sicht von Sozialkundelehrerinnen und -lehrern. Eine Bestandsaufnahme, in: Bundeszentrale für Politische Bildung (Hg.): Zur Theorie und Praxis der politischen Bildung, Bonn 1990, S. 13–167
Nach den umfassenden Wirkungsuntersuchungen zum Sozialkundeunterricht der 60er Jahre (Max-Traeger-Stiftung; Becker u.a.; Teschner) sowie vereinzelten kleineren Studien in den 70er und 80er Jahren (vgl. den Beitrag von Georg Weißeno in diesem Band) die erste Untersuchung zum Stand des Faches an Schulen, die nach der Unterrichtszufriedenheit der Lehrer, nach der Ausbildungssituation an Schulen und Hochschulen, nach den Rahmenbedingungen des Politikunterrichts, nach der Nützlichkeit politikdidaktischer Konzepte und Literatur im Alltag, nach den Gesichtspunkten der Unterrichtsplanung und -durchführung fragt. Diese umfängliche Studie verfahrt quantitativ und enthält eine Fülle von Hinweisen zu den fachdidaktischen Überlegungen von Lehrern.
Hoffmann, Walter: Von der Notwendigkeit und dem Nutzen didaktischer Theorie für die Schule. Untersuchungen zum Spannungsverhältnis von Pädagogik und Fachwissenschaft in der Schule, Frankfurt/Main, Bern, New York 1987
Material der Analyse des pensionierten Kasseler Seminarleiters sind Unterrichtsplanungsent-würfe, die mit den realisierten Planungsverläufen konfrontiert werden. Von 900 Planungsentwürfen von Studienreferendaren aus den Jahren 1977 – 1982 wurden für die explorative Analyse ausgewählt, darunter zahlreiche zeitgeschichtliche und sozialkundliche Stundenthemen. Nachdenklich stimmender Grundbefund: Die Referendare wollen emanzipatorisch und schülerzentriert unterrichten, unterlaufen aber ihre eigenen Intentionen durch nicht-intendierte Handlungsfolgen, die durch Planungsknoten induziert sind.
Holling, Eggert/Bammé, Arno: Die Alltagswirklichkeit des Berufsschullehrers, Frankfurt/New York 1982
Seltenes Beispiel mit Gedächtnisprotokollen von Unterricht und Lehrer-/ Schülerinterviews aus dem berufsbildenden Bereich. Die Autoren versuchen, den kommunikativen mit dem stofflichen Aspekt von Unterricht unter dem Begriff „Gleichgültigkeit“ (von Lehrer und Schüler gegenüber ihrer Lernarbeit) zu integrieren. Lösungsvorschlag ist eine Balance von gezielter Identifikation und Gleichgültigkeit. Sozialkundeprotokolle S. 81, 83, 140, 168 sowie Beispiele aus Wirtschaftslehre und Rechtskunde.
Holling, Eggert/ Bammé, Arno: Lehrer zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Eine qualitativempirische Untersuchung zur beruflichen Sozialisation von Hauptschullehrern in der zweiten Phase ihrer Ausbildung, Frankfurt/Main 1976
Interessant vor allem die Fallstudie zu Marion W., Klassenlehrerin, 6 Monate im Schuldienst, Studienfächer Sozialkunde und tw. Mathematik, S. 293 – 315.
Janssen, Bernd: Praxisberichte aus der Hauptschule. Politische Pädagogik zwischen Illusion und Realität, Frankfurt/Main, Köln 1977 (geschrieben im Frühjahr 1972)
Eines von vielen Beispielen autobiographischer Lehrerliteratur der 70er Jahre, eine „Jugendschrift“ aus der Feder eines Politikdidaktikers, dem Autor der „Methodenorientierten Politikdidaktik“ (MPD).
Biographien: vgl. z.B. Wünsche, Konrad: Die Wirklichkeit des Hauptschülers, Köln 1972; Krüger, Moritz: Schulflucht, Reinbek 1978; Klink, Job-Günther: Klasse H 7 e. Aufzeichnungen aus dem Schulalltag, Bad Heilbrunn 1974; Kuhlmann, Henning: Klassengemeinschaft. Über Hauptschüler und Hauptschullehrer und den Versuch herauszufinden, wann Schule Spaß machen könnte, Berlin 1975 u.v.a.m. können in gewissem Sinn als Vorläufer der neueren qualitativen Forschungstradition angesehen werden. Diese biographisch-selbstreflexive Experimentalliteratur hat in den 80er Jahren merkwürdigerweise keine Fortsetzung gefunden. Ein Wiederlesen lohnt, um die Verschiebung der Fragestellungen bewußt zu machen.
Kieper, Hanna: „... und sie waren glücklich. “ Alltagstheorien und Deutungsmuster türkischer Kinder, Hamburg 1987
Die wenig beachtete Dissertation liefert farbige Interpretationsbeispiele aus dem Umfeld des empirisch völlig vernachlässigten Sachunterrichts der Grundschule (soziales Lernen), die viel zum Verstehen der Innenwelt der Kinder beitragen. Verschiedene Methoden werden kombiniert.
Rumpf, Horst: Inoffizielle Weltversionen. Über die subjektive Bedeutung von Lehrinhalten, in: Zeitschrift für Pädagogik 1979, 2, S. 209–230
Dieser Aufsatz arbeitet wie praktisch alle Publikationen des Frankfurter Erziehungswissenschaftlers mit Beispielen (Methode: Kasuistik). Die Szenen sind oft Beobachtungen aus dem zeitgeschichtlichen und sozialkundlichen Unterricht entnommen. Darunter sind auch immer wieder fachdidaktisch relevante Inhaltsanalysen von Schulbüchern, etwa zum Thema Entwicklungsländer.
Ulle, Reinhard: Verstehen und Verständigung im Unterricht. Hermeneutische Interpretationen, München 1978
Wie Koring (1988) läuft die Monographie unter falscher allgemeindidaktischer Flagge: Gegenstand des empirischen Teils der Untersuchung (Kapitel 4, S. 81 – 135) ist nämlich ein Beispiel aus einem Politikunterricht in drei KX Klassen eines Hamburger Gymnasiums. Das Experimentelle Setting: In drei aufeinanderfolgenden Stunden wird ein identischer Ausschnitt aus einer Statistik von derselben Lehrerin thematisiert (aus dem Buch von Hans Paul Bahrdt u.a. : Zwischen Drehbank und Computer, 1970). Die Wortprotokolle werden leider nur verkürzt wiedergegeben. Diese frühe Studie benötigte, wie Koring 1988, dringend eine Re-Dokumentierung zu Forschungs- und Ausbildungszwecken sowie um ein Archiv mit Dokumenten zu einer Sozialgeschichte von Fachunterricht anzulegen.
Weißeno, Georg: Politische Bildung im Spiegel von Schülererfahrungen, in: Friedrich Verlag (Hg.): Bildung, Seelze 1988, S. 92–94
Aus zwei Schülerinterviews werden beispielhaft Antworten zum Bildungsgehalt des Politischen, zur Kategorie Herrschaft, zur Konflikthaftigkeit, zur Betroffenheit, zur Meinungsbildung rekonstruiert und mit politikdidaktischen Überlegungen zu vernetzen versucht.
Weißeno, Georg: Fach- und lerndidaktische Überlegungen zur Funktion moralischer Urteile im Politikunterricht, in: Bernhard Claußen (Hg.), Texte zur politischen Bildung, Band 3, Frankfurt/Main 1989, S. 473–500
Die subjektiven Erwartungen und Erfahrungen von Abiturienten zur Diskussion moralischer Fragen im Politikunterricht werden mit Hilfe narrativer Interviews eruiert und mit dem Konstrukt moralisches Urteil (Lawrence Kohlberg) sowie politikdidaktischen Positionen zum Werteproblem verglichen.
Weißeno, Georg: Zur Tragfähigkeit und Wirksamkeit didaktischer Konzepte im Alltag des Politikunterrichts, in: Claußen, Bernhard /Gagel, Walter/Neumann, Franz (Hg.): Herausforderungen — Antworten. Politische Bildung in den neunziger Jahren, Opladen 1991, S. 313–326 Nach einer Unterrichtsreihe zur Vereinigung Deutschlands erörtern Schüler (11. Klasse Gymnasium) in einer Gruppendiskussion die gerade abgelaufene Reihe und ihre didaktisch-methodische Strukturierung. Diese individuellen Alltagstheorien der Schüler (Lernerdidaktiken) werden anschließend fachdidaktisch rekonstruiert.
Weißeno, Georg: Fachdidaktik als Fachleiterdidaktik. Ergebnisse einer Befragung von Fachleitern zu ihren politikdidaktischen Vorstellungen, in: Gegenwartskunde 1993, 2.
C. Methodologische Reflexionen
Bohnsack, Ralf: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und Praxis qualitativer Forschung, Opladen 1991
Lehrtext. Die Gegenüberstellung von quantitativen versus qualitativen Untersuchungsverfahren wird ersetzt durch die Unterscheidung von hypothesenprüfenden und rekonstruktiven Verfahren. Von letzteren werden vorgestellt: narratives Interview, objektive Hermeneutik, dokumentarische Methode der Interpretation. Als Einstieg empfiehlt sich die exemplarische Interpretation einer Gruppendiskussion mit Jugendlichen einer fränkischen Kleinstadt (S. 34–65).
Ehlich, Konrad /Rehbein, Jochen: Muster und Institution. Untersuchungen zur schulischen Kommunikation, Tübingen 1986
Ein Lehrbuch zur Einführung in die Gesprächs- und Konversationsanalyse, das das Rüstzeug zur eigenständigen Durchführung von interpretativer Unterrichtsforschung vermittelt. Weiterführende Literaturhinweise.
Fromm, Martin: Die Sicht der Schüler in der Pädagogik. Untersuchungen zur Behandlung der Sicht von Schülern in der pädagogischen Theoriebildung und in der quantitativen und qualitativen empirischen Forschung, Weinheim 1987
Einführender informativer, allgemeindidaktischer Überblick in die Theoriegeschichte (von Herbart bis Blankertz) und die vorwiegend angloamerikanische Tradition von Unterrichtsforschung. Eine Fülle von Anregungen für methodische Transfers auf Politikunterricht.
Grammes, Tilman: Was heißt grundlagenorientierte Forschung in der Fachdidaktik? oder: Einladung zu einer Exkursion, in: Bernhard Claußen/Adolf Noll (Hg.): Politische Wissenschan und Politische Bildung, Hamburg 1989, S. 87–106
Ein Paradigmenwechsel in der Fachdidaktik wird gefordert: von der programmatisch vorschreibenden zur bescheiden beschreibenden, empirisch arbeitenden Disziplin. Politikdidaktik ist die „Wissenschan vom politischen Lernen“.
Grammes, Tiiman: Methoden fachdidaktischer Unterrichtsforschung. Eine Brücke zwischen Theorie und Praxis?, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Zur Theorie und Praxis der politischen Bildung, Bonn 1990, S. 191–208
Ein kleiner Führer durch qualitative Forschungsmethoden mit Bestandsaufnahme (Literaturverzeichnis) und Anleitung zu eigenständigen Untersuchungen. Als Dokumentengruppen werden vorgestellt: Zettel und Fundstücke (Archäologie politischen Lernens), Klassenbücher und Berichtshefte, Schüler- und Lehreraufsätze (Praktikumsberichte), Lehrerautobiographien, Interviews und Videodokumentationen.
Kade, Sylvia: Handlungshermeneutik. Qualifizierung durch Fallarbeit, Bad Heilbrunn 1990 In dem Buch werden Fragen der Herausbildung des Professionswissens und der Professionalisie-rung von Dozenten an Volkshochschulen dargestellt. Pädagogisches Handlungswissen wird erworben durch die Arbeit an Fällen, die Textanalyse, die Beziehungsanalyse und die Handlungsablaufanalyse. Die Erörterungen zu diesen Fragen werden jeweils ausführlich an Beispielen erläutert (Kasuistik als Methode) und sind auf Fachlehrertätigkeit an öffentlichen Schulen übertragbar.
Leithäuser, Thomas/Volmerg, Birgit: Anleitung zur empirischen Hermeneutik. Psychoanalytische Textinterpretation als sozialwissenschaftliches Verfahren, Frankfurt/Main 1979
Diese ältere Monographie stellt die psychoanalytische Textinterpretation als qualitatives Interpretationsverfahren vor. Dabei geht es um die Gewinnung theoretischer Thesen zu den Formen des Alltagsbewußtseins und um das Verstehen hermeneutischer Sprachspiele in der Textdeutung. Ziel ist die Rekonstruktion der inneren Logik von Texten, der Entstellungen und Widersprüche (Sprachfiguren von Texten). Da Deutungen von Unterricht immer wieder psychologisch argumentieren, eine wichtige methodologische Grundlegung.
Maier, Hermann/Voigt, Jörg (Hg.): Interpretative Unterrichtsforschung, Köln 1991
Der Band enthält zwar instruktive Analysen zur Interaktions- und Kommunikationsstruktur im Fach Mathematik. Übertragbar sind die Ergebnisse jedoch, da beide Fächer dem gleichen Kommunikationsmuster folgen: dem sog. Erarbeitungsmuster („Rätsellösen“). Dennoch gibt der Band den besten grundlegenden Einblick in Methoden und Erkenntnismöglichkeiten interpretativer Unterrichtsforschung. Weiterführende Literaturangaben. Die Rückständigkeit der Politikdidaktik wird überdeutlich. Vgl. auch Voigt 1984, Nr. 34.
Reinhardt, Sibylle: Was heißt, Anwendung“ von Sozialwissenschaften in der schulischen Praxis?; in: Zeitschrift für Pädagogik, Heft 2. 1987, S. 202–222
Wissenschaftsdidaktisch klug geschriebener Aufsatz, der mit der fruchtlosen Opposition von „Praktiker“ versus „Theorie“ aufräumt, da erzeigt, daß die pädagogischen Praktiker Theoretiker sind im Sinne eines praktischen Hermeneuten.
Soeffner, Hans-Georg: Auslegung des Alltags — der Alltag der Auslegung, Frankfurt / Main 1989 Der Autor unternimmt den Versuch, Grundlagen, Methodologie und Arbeitsweisen sozialwissenschaftlicher Hermeneutik zu beschreiben. Im Sinne einer rekonstruktiven Perspektive stellt er u.a. folgende Relationen her: Alltagsverstand — Wissenschaft, sprachliches — nichtsprachliches Handeln, Einzelfall — allgemeine Struktur, Text — Kontext, Gehalt — Darstellungsform.
Voigt, Jörg: Interaktionsmuster und Routinen im Mathematikunterncht. Theoretische Grundlagen und mikroethnographische Falluntersuchungen, Weinheim/Basel 1984
Im Unterricht dominiert das Muster einer „künstlich inszenierten Alltäglichkeit“. Eine Untersuchung, die man sich vergleichbar für Politikunterricht wünschte!
Weißeno, Georg: Lernertypen und Lernerdidaktiken im Politikunterricht. Ergebnisse einer fachdidaktisch motivierten Unterrichtsforschung, Frankfurt/Main 1989
In dieser ersten qualitativen Befragung von Abiturienten werden drei Interviews dokumentiert und rekonstruiert mit dem Ziel der Typenbildung. Zu einzelnen politikdidaktischen Fragen (Meinungsklima in der Schule, Rolle des Politiklehrers, Grundwissen, Bildungsrelevanz des Faches, Aktualität, exemplarisches Lernen, Betroffenheit, Handlungsorientierung, diskutativer Unterricht) werden Schüleräußerungen aus 27 Interviews dokumentiert und ihr lernerdidaktischer Gehalt rekonstruiert. Darüber hinaus finden sich hier Hinweise zur Sicht der Schüler in der Politikdidaktik und zur Methodologie qualitativer Verfahren.
Weißeno, Georg: Lernertypen und Lernerdidaktiken. Ein Beitrag zur Vermittlung von Theorie und Praxis des politischen Unterrichts, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.) : Zur Theorie und Praxis der politischen Bildung, Bonn 1990, S. 209–227
Es wird an Beispielen aus einer Studie untersucht, welche Bedeutung Schüler fachdidaktischen Konstrukten beimessen. Dabei werden das Verfahren von Retrospektivdialogen und Verfahren der Auswertung (Typenbildung, hermeneutische Textinterpretation) vorgestellt.
Weißeno, Georg: Forschungsfelder und Methoden einer empirisch arbeitenden Politikdidaktik, in: Sander, Wolfgang (Hg.): Konzepte der Politikdidaktik. Aktueller Stand, neue Ansätze und Perspektiven, Stuttgart 1992, S. 239–256.
Ausgehend von einem Modell der Wissensformen, das die Vernetzungen von Empirie und Theorie ausdifferenzieren soll, werden verschiedene rekonstruktive Methoden im Kontext politikdidaktischer Forschung erläutert.
D. Außerschulische politische Lernprozesse
Interpretative Unterrichtsforschung beschränkt sich nicht notwendig auf die Institution Schule, sondern sollte außerschulische Lernsituationen einbeziehen. Zu sichten sind hier Disziplinen wie die politische Sozialisationsforschung, politische Psychologie, Jugendforschung u.a.
Daheim, Hansjürgen/Kollmer, Jochen/Olscha, Christian: Wie ist Verständigung möglich? Kommunikation zwischen Wissenschaft und Praxis in Seminaren der beruflichen Fortbildung von Verwaltungsangehörigen, in: Beck, Ulrich / Bonß, Wolfgang (Hg.): Weder Sozialtechnologie noch Aufklärung? Analysen zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens, Frankfurt / Main 1989, S. 196–225
Komplexe Interpretation der Interaktionsdynamik von Weiterbildungskursen zur Ausländerpolitik. Teilweise übertragbar auf Lehrerweiterbildungen.
Wunderlich, Dieter: Entwicklung der Diskursanalyse, in: ders.: Studien zur Sprechaktthorie, Frankfurt /Main 1976, S. 293–398
Zwölf Beispiele, die, obwohl schon älter, noch immer in die Technik der Diskursanalyse grundlegend einführen können. Das letzte Beispiel entstammt einer Diskussion zwischen Jugendlichen und Studenten in einem Jugendfreizeitheim im Märkischen Viertel in Berlin Anfang der 70er Jahre. Der politische Lernprozeß folgt der Kommunikationsstruktur „Mißverständnis“: Die längere Auseinandersetzung dreht sich im Kreise; immer wieder werden dieselben Vorwürfe und Gegenvorwürfe erhoben und dieselben Rechtfertigungen gegeben; die Diskussion endet schließlich ergebnislos (S. 383–395).
E. Anwendung in Ausbildungsveranstaltungen, insbesondere der Lehrerweiterbildung
Altrichter, Herbert/ Bosch, Peter: Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die Methode der Aktionsforschung, Bad Heilbrunn
Standardwerk der österreichischen Unterrichtsforscher mit vielen Beispielen.
Grammes, Tiiman: Gesprächskultur des Redens über Unterricht. Hinweise zum Umgang mit Videodokumentationen und Transkriptionen von Unterricht, in: Gegenwartskunde 1991, 4, S. 473–484
Interpretative Unterrichtsforschung endet oft bei einer heftigen Lehrer- oder Schülerschelte, was bei den Betroffenen erheblichen Verdruß produziert. An Beispielen werden solche Fehlformen des Reflexionsgesprächs aufgezeigt und alternative Formen des Umgangs mit Unterrichtswirklichkeit vorgeschlagen. Wichtig vor allem für Seminarausbilder.
Miller, Reinhold: Schilf-Wanderung. Wegweiser für die praktische Arbeit in der schulinternen Lehrerfortbildung, Weinheim/Basel 1990
Schulinterne Lehrerfortbildung (SCHILF) erfordert das wechselseitige Öffentlich-Machen von Unterricht innerhalb des Kollegiums. Es handelt sich um eine aussichtsreiche Form der selbstorganisierten Fortbildung, die ohne Unterrichtsforschung nicht auskommt.
Wicke, Kurt: Politik und Gesellschaft in der Schülerperspektive. Ein Werkstattbericht, in: Gegenwartskunde, Heft 1, 1990, S. 79–88
Bericht über die Entstehung einer schulinternen Lehrerfortbildung, angeregt durch die Beobachtung von Defiziten in den Alltagstheorien der Lernenden, die sich gegen herkömmlichen Unterricht als resistent erweisen.
Lach, Kurt/ Massing, Peter / Skuhr, Werner: Politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland. Unterrichtseinheit, durchgeführt in der 8. Klasse eines Berliner Gymnasiums, in: Breit, Gotthard / Massing, Peter (Hg.): Grundfragen und Praxisprobleme der politischen Bildung. Ein Studienbuch für Lehrerinnen und Lehrer, Bonn 1992, S. 573–595.
Grammes, Tiiman/Kuhn, Hans-Werner: Alltäglicher Gesellschaftskundeunterricht — ein Beispiel aus der DDR 1990. Fachdidaktische Analyse mit Video als Methode der Lehrerfortbildung, in: dies. (Hg.): OSI-Fachstudienführer Politische Bildung, Berlin 1992, S. 23–52.
Nachtrag: Dagmar Richter / Tilman Grammes: Geschlechtsspezifische Interaktion und Kommunikation von Jungen und Mädchen im Sozialkundeunterricht? Eine Forschungsskizze, Manuskript Oldenburg-Passau 1993.
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Grammes, T., Weißeno, G. (1993). Auswahlbibliographie zur interpretativen Fachunterrichtsforschung. In: Grammes, T., Weißeno, G. (eds) Sozialkundestunden. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95957-7_8
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