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Zur Theorie Generationspezifischer Medienpraxiskulturen

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Generationen — Medien — Bildung

Zusammenfassung

Bei der Ausbildung generationsspezifischer konjunktiver Erfahrungsräume im Modus fundamentaler Lern- und Aneignungsprozesse kommen m.E. der Praxis mit Medien und den über diese Praxis emergierenden Wissensbeständen eine wichtige Funktion zu. Diese starke Annahme fußt auf der empirischen Beobachtung, dass die massenhafte Ausbreitung neuer Medientechnologien, etwa der des Buchdrucks, des Radios, des Fernsehens oder des Internets, zu Veränderungen in der Kommunikationsgeographie und -Kultur führte, die sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche erstreckt. In der Moderne bildet diese Entwicklung zusammen mit der Entwicklung eines Systems öffentlicher Erziehung eine der Grundbedingungen für die Partizipation an Generationszusammenhängen, denn: Eine der Voraussetzungen für die Ausbildung generationsspezifischer Erfahrungsräume stellt die Möglichkeit der intragenerationellen Kommunikation dar, also der Kommunikation zwischen Altersgleichen. Diese muss sich jedoch zunächst erst einmal konstituieren, wofür es in Deutschland vor der Industrialisierung und der damit einhergehenden Verstädterung und vor allem vor der Etablierung eines Massenbildungswesens ab Mitte des 19ten Jahrhunderts (vgl. Tenorth 1988, S. 197) keine massenhafte Grundlage gegeben hat. Gerade der Aspekt der durch schulische Bildung ermöglichten kollektiven Vergemeinschaftung in Gruppen Altersgleicher (Peer-groups), die sich nicht ausschließlich aus dem gleichen Herkunftsmilieu rekrutieren, ermöglicht erst eine neue Erfahrungs- und Erlebnisbasis derjenigen, die sich einer ‚Generation‘ zugehörig fühlen (können). Auch ist die Kommunikation dieser Erfahrungen über die konjunktiven Erfahrungsräume hinaus erst auf dem Hintergrund eines entwickelten Massenkommunikationssystems möglich und dieses entwickelte sich ebenfalls erst ab dem zweiten Drittel des 19ten Jahrhunderts (vgl. Sting 1998, S. 48). Schließlich müssen die Erzeugnisse der Massenkommunikation, wobei es sich in dieser Zeit vor allem um schriftliche Erzeugnisse handelt („Zeitungen“), auch gelesen, d.h. decodiert werden können, was erst mit einer massenhaft alphabetisierten Bevölkerung möglich ist. Dies ist jedoch ebenfalls erst gegen Ende des 19ten Jahrhunderts der Fall (Sting a.a.O.).71

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Literatur

  1. Die Schriftkultur der Menschheit begann vor etwa 7000 Jahren“ (Haarmann 1990, S. 18, zitiert nach Kloock 1997, S. 237)

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  2. Vgl. zum Begriff der Öffentlichkeit: Zimmermann 2000; zum Begriff der Teilöffentlichkeit: Faulstich 1998b.

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  3. Zur Geschichte des Bildungssystems vgl. Tenorth 1988; zur Geschichte der Erwachsenenbildung vgl. Tietgens 1994; Seitter 1997.

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  4. Dass auch die Lehrenden in kollektive Bezüge eingebunden sind (kollektives Lehrerethos, Lehrerkollegium, Berufsverbände etc.) und dass in bestimmten herausgehobenen Situationen auch die Lehrenden als Kollektiv auftreten (etwa Schulfeiern vgl. Helsper/Kramer 1998 ) soll hier gar nicht bestritten werden. Allerdings stehen in der konkreten Lehr-Lernsituation zumeist ein Lehrender als Einzelner dem Kollektiv der Lernenden gegenüber. Die hier angesprochenen medialen Funktionen im Prozess institutionalisierter Bildung können auch als eine Form der „symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien“ im Sinne Luhmanns angesehen werden, die,das` Bildungssystem benutzt, um sicherstellen, dass die vom „Menschmedium“

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  5. Vgl. Faulstich 1996; 1997, 1998a und 1998b.

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  6. Zu nennen sind hier etwa der Impressionismus oder der Kubismus, die direkt parallel zur Entwicklung und Ausbreitung der Photographie eine neue Form-und Ausdruckssprache entwickelten (Winter/Eckert 1990). In einem aktuellen Beitrag arbeitet Faulstich (1998b) die Funktion des Menschmediums „Sänger“ heraus. Ähnliche Zusammenhänge lassen sich bei Literatur und Film oder in der Musik aufzeigen.

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  7. Die rudimentäre Vergewisserung der Geschichte der Medien im Verhältnis zu Bildungsinstitutionen soll hier nicht weiter vertieft werden, weil dies a) von der Zielstellung der Arbeit wegführt und b) auch aus Gründen der Überkomplexität nicht zu leisten ist. Der kurze medienhistorische Exkurs sollte vielmehr verdeutlichen, dass, wenn man sich mit dem Thema „Medien, Generation und Bildungsprozesse“ beschäftigt, nicht eine zeitlich allzu eingeschränkte Perspektive einnehmen kann, weil dann aus dem Blick gerät, dass die als,neu` apostrophierten Phänomene sich ihrer Struktur nach nur allzu oft wiederholen (vgl. hierzu Schorb 1995 ).

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  8. Wie z.B. Chats, MUDs oder MOOs. Vgl. hierzu das Schulmodell von Papert 1996 oder die Vorstellungen bei Perelman 1992.

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  9. Vgl. etwa Goffman 1990, 58ff.

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  10. In einer jüngeren Veröffentlichung hat Willems darauf hingewiesen, dass das Rahmenkonzept Goffmans durchaus als Habituskonzept gelesen werden kann. Vgl. Willems 1997, S. 181ff.

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  11. Vgl. zu einer Auseinandersetzung mit Wissenskonzepten aus erwachsenenpädagogischer Sicht auch Nolda 1996 und 2001a und b, Kade/Seitter 2000 und 2001 sowie Hof 2001.

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  12. Es spricht m.E. vieles dafür, dass auf diesem eher spielerischen, mimetischen Wege medial präsentierte konjunktive Informationen auch zum Prozess der konjunktiven Ein erstes Beispiel: In einer früheren Untersuchung (SCHÄL+ER 1996) Abstraktion von generationsspezifischen konjunktiven Wissensbeständen der jeweils eigenen und auch der fremden Generation beitragen und damit zu generationsspezifischen Bildungsprozessen (vgl. hierzu Kapitel V und VI).

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  13. Das gekürzte Zitat ist aus meiner Untersuchung über Stil-Findungs-prozesse in Gruppen Jugendlicher entnommen (vgl. Schäffer 1996, S. 117ff.)

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  14. Vgl. zur „Katalysatorfunktion“ von Medien in familiären Interaktionskontexten: Keppler 1994, S. 220.

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  15. Vgl. zum Begriff der (Interaktions)Membran auch Goffman 1973, 73ff.

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  16. Die folgenden Ausführungen stellen die erweiterte Version eines bereits vorliegenden Textes dar. Vgl. Schäffer 2001d.

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  17. Vgl. zur Entwicklung der Techniksoziologie: Rammert 1993, S. 9ff.

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  18. Ihde ( 1979, S. 40) zitiert nach Waldenfels (1990, S. 148 ).

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  19. Diesen mündlichen Hinweis verdanke ich einer Diskussion mit Georg Lohmann. Ohne das Leib-Seele Problem hier tiefschürfend verhandeln zu können sei angemerkt, dass — gerade im Zusammenhang mit der Konstruktion von Maschinen, von denen behauptet wird, dass sie „Intelligenz“ besäßen (vgl. die Beiträge in Zimmerli/ Wolf 1994) — sich das Problem zu verschärfen beginnt. Latour behauptet jedoch m.E. an keiner Stelle seiner Publikationen dezidiert, dass Maschinen intentional, also,mit Bewusstsein’ handeln. Er lässt sich auf diese z.T. reißerisch geführte Debatte (vgl. Kurzweil 1999 ) nicht ein. Im Grunde interessieren ihn die inneren Prozesse, die dazu führen, dass sich die w. o. beschriebenen Kollektive bilden, gar nicht. Hier hat er etwas gemein mit dem Mathematiker Turing, der, um zu erforschen, ob ein Computer wie ein Mensch „denken“ kann, sein berühmtes Turing Experiment vorschlägt, das alle „menschlichen“ Eigenschaften einer Kommunikation, bis auf die gesprochene Sprache, durch das setting aus eben dieser verbannt (vgl. Turing 1994 ).

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  20. Den Begriff des Aktanten entlehnt er aus der Semiotik, „wo er jedes Wesen bezeichnet, das in einer Szene aufritt, solange es nicht bereits eine figurative oder nichtfigurative Rolle (wie ein „Bürger“ oder eine „Schusswaffe“) zugeschrieben bekommen hat“ (Latour 1998, S. 35).

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  21. Technik wird hier in ihrer handlungsentlastenden Funktion konzipiert. Natürlich sind hier Parallelen zur Technikkonzeption von Gehlen unverkennbar, der im Rahmen seiner Institutionenlehre Technik eine wesentliche Bedeutung bei der „Hintergrundserfüllung“ zukommen lässt (vgl. Fischer 1996, S. 328 ).

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  22. Strenggenommen ist aus Latourscher Sicht natürlich bereits diese idealtypische Trennung ein Rückfall in dualistische „moderne“ Praktiken. Für ihn ist die rigorose Trennung zwischen technischen Dingen und sozialen Zusammenhängen, parallel zu der zwischen Subjekt und Objekt (beginnend bei Descartes’ cogito ergo sum), eine Erfindung der „Moderne“, um sich von den von ihr konstruierten vormodernen Kulturen abzugrenzen und damit ihre assymmetrische Anthropologie zu rechtfertigen (Latour 1995). Für Latour sind wir „nie modern gewesen“, d.h. er sieht keine qualitativen Brüche zwischen unseren Gesellschaften und denen, die gemeinhin vormodem gelabelt werden. Es sind nur unterschiedliche Dimensionen und Ausweitungen der aus Aktanten und Akteuren bestehenden „Kollektive“.

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  23. Vgl. zur Kritik eines solchen entwurfsorientierten Handlungsbegriffs bspw. Joas 1992, S. 218ff.

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  24. Dies dokumentiert sich durchgängig an seinen Beispielen, in denen den Menschen allenfalls stereotype Motivunterstellungen zugeschrieben werden (z.B., dass der Akteur mit der Waffe in der Hand „wütend“ ist und sich „rächen“ will (Latour 1998, S. 33)).

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  25. Deutlich wird dies etwa an Gesten oder Blicken, die in Interaktionssituationen innerhalb eines konjunktiven Erfahrungszusammenhanges fraglos verstanden werden. Sollen die Gesten oder Blicke jedoch theoretisch explizit gemacht, d.h. versprach-licht werden, bedarf es zumindest eines großen Interpretationsaufwandes bzw. ist es z.T. sogar ganz und gar unmöglich, diesen Gehalt sprachlich zu fixieren (vgl. hierzu Schäffer 2002 ).

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  26. Vgl. hierzu natürlich auch die Arbeiten von Pierre Bourdieu (etwa ders. 1993, S. 97ff.).

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  27. Definitorisch erarbeitet sich Benjamin den Aurabegriff an der „Aura natürlicher Gegenstände“ und nicht, wie man angesichts des Titels seines berühmten Aufsatzes vermuten möchte, anhand von Kunstwerken (vgl. Benjamin 1994).

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  28. In seinem Aufsatz zur Kunstinterpretation (Heidegger 1992) arbeitet er exemplarisch die sich vermittelnde Stimmung eines auf einem Bild von van Gogh abgebildeten Paars Bauernschuhe heraus. Das, was er die „Zeughaftigkeit des Zeugs“ nennt, stellt, so geht aus seiner Interpretation hervor, im Grunde eine Verkopplung des Zeugs mit den konjunktiven Erfahrungen bäuerlichen Lebens im Rahmen von sprachlich nur mit metaphorischen Mitteln fassbaren Atmosphären und Stimmungen dar. Gewissermaßen hat van Goghs Schuh die sedimentierten konjunktiven Erfahrungen eines bäuerlichen Erfahrungsraumes in sich aufgenommen; für Heidegger besteht das Künstlerische van Goghs gerade darin, diese Erfahrungszusammenhänge für andere Milieus bildhaft zugänglich gemacht zu haben. Vgl. zu einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Bauerschuhbeispiel: Schödlbauer 2000, S. 167ff. und S. 304ff.

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  29. z.B. mit dem Programm MAX. Vgl. Kuckarz 1999.

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  30. Das Gleiche trifft auf den Terminus der „sozialen Gebrauchsweisen“ von Medien zu, die Bourdieu im Kontext der Analyse der Bedeutung photographischer Praxis benutzt (Bourdieu 1981). Wenn ich etwas „sozial gebrauche“ stelle ich es mir als etwas gegenüber, das im sozialen Gebrauch allein als Medium des menschlichen habituellen Handelns konzipiert wird. Dass auch die Technik,den Menschen sozial gebraucht’, ihm also durch ihre eingeschriebenen habituellen Handlungsvollzüge zuallererst ermöglicht zu gebrauchen und auch das Handeln mitstrukturiert, gerät dabei aus dem Blick.

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Schäffer, B. (2003). Zur Theorie Generationspezifischer Medienpraxiskulturen. In: Generationen — Medien — Bildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94996-7_3

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94996-7_3

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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