Zusammenfassung
Im Gegensatz zu „Markenenthusiasten“ lassen „Markenskeptiker“ zuweilen Zweifel an der Kaufverhaltensrelevanz von Marken aufkommen. Diese Zweifel basieren vor allem auf folgenden Entwicklungen:
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1.
Ein oberflächliches Markenverständnis hat in vielen Warengruppen zu einer Markeninflation geführt. Die Zahl der beim deutschen Patent- und Markenamt neu angemeldeten Marken hat sich in den letzten 10 Jahren um nahezu 250 Prozent erhöht (vgl. in diesem Zusammenhang auch den Beitrag zu den markt- und unternehmensbezogenen Herausforderungen an die Markenführung in diesem Band). Bei vielen neu eingeführten Marken handelt es sich jedoch lediglich um Pseudo-Marken, die als „me-too“-Produkte dem Kunden keinen eigenständigen Nutzen offerieren.
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2.
Die Markeninflation in Verbindung mit höheren Verbraucheransprüchen hinsichtlich der Auswahlmöglichkeiten in einer Einkaufsstätte hat im Handel zu einem starken Wachstum des Sortimentumfangs geführt. Angesicht begrenzter Regalflächen und rückläufiger Flächenproduktivitäten versucht der Handel, einer wachsenden Sortimentsbreite durch Verkürzung der Sortimentstiefe zu begegnen. Dies führt zu einem hohen Auslistungsdruck insbesondere für die dritt- und viertplazierten Herstellermarken innerhalb einer Warengruppe.
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3.
Die starke Zunahme von Markenfamilien-, Dachmarken- und Imagetransferstrategien führt oft zu einer Verwässerung ursprünglich klar fokussierter Markenkonzeptionen. So entfielen 1994 von den 20.000 neuen LEH-Marken in den USA knapp 10.000 auf sog. „line extensions“ bereits eingeführter Marken (Quelch/Harding 1996). Dieser Anteil hat sich seitdem zu Gunsten von „line-extensions“ weiter erhöht.
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4.
Am Verhältnis Hersteller- zu Handelsmarken wird deutlich, dass Herstellermarken seit langem in vielen Produktfeldern gegenüber Handelsmarken an Marktanteilen verlieren. Die GfK beobachtet seit 1975 im Haushaltspanel einen Warenkorb von 17 Warengruppen für Güter des täglichen Bedarfs. Im Jahre 1979 hatte Aldi einen durchschnittlichen mengenbezogenen Marktanteil von 8,5 Prozent, der Anteil der sonstigen Handelsmarken lag bei 5,1 Prozent. Die Herstellermarken konnten folglich noch 86,4 Prozent des Marktes auf sich vereinen. Nach Jahren kontinuierlicher Annäherung haben Handelsmarken und Marken des Discounters Aldi in 2000 erstmals die marktführenden Produkte in den beobachteten Warengruppen überflügelt (vgl. GfK Panel Services Consumer Research 2001) und eroberten einen Marktanteil von zusammen 23,2 Prozent (vgl. Abbildung 1).
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5.
Das Vordringen von Handelsmarken in einzelnen Warengruppen hat zur Folge, dass die Konsumenten immer weniger bereit sind, für Herstellermarken einen Preisaufschlag von bis zu 100 Prozent zu akzeptieren. Schwach profilierte Herstellermarken und die hohe technisch-objektive Produkthomogenität haben dazu geführt, dass dem Institutionenvertrauen gegenüber dem Markeninhaber im Vergleich zu dem am Produkt orientierten Sachvertrauen beim Markenkauf heute eine stark wachsende Bedeutung zukommt. Diese Entwicklung machen sich Handelsunternehmen zu Nutze, indem sie ihren Firmennamen als Garantie- und Dachmarke zu profilieren versuchen.
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6.
Das verkürzte Verständnis von Markenführung bei vielen Produktmanagern hat ebenfalls zu einem Ansehensverlust der Herstellermarken geführt. Geprägt von einem analytisch-mechanistischen Denken und dem Streben nach kurzfristigen Erfolgen beschränkt sich die Markenführung in vielen Fällen lediglich auf die Steigerung des Bekanntheitsgrades und die kurzfristige Beeinflussung einzelner Imagemerkmale.
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7.
Die Hast nach neuen Management-Moden (Kieser 1996), die in immer kürzeren Zyklen zum „Paradigma“ erhoben werden, in Verbindung mit ausufernden Konditionensystemen und -verhandlungen (Steffenhagen 1995), hat die strategisch und ganzheitlich ausgerichtete Führung von Herstellermarken in den Hintergrund treten lassen.
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8.
Schließlich hat der Versuch zahlreicher Stromhersteller und anderer Anbieter von „commodity-ähnlichen“ Produkten und Dienstleistungen (zum Beispiel Pauschalreiseveranstalter), durch massive Investitionen in die klassische Werbung „neue Marken“ aufzubauen, Zweifel an der Substanz und damit der Relevanz von Marken für die Kaufentscheidungen der Konsumenten aufkommen lassen. Ohne nachvollziehbare Nutzenvorteile für die Käufer verkommen Marken schnell zu bedeutungslosen „Labeln“.
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© 2002 Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden
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Meffert, H., Burmann, C. (2002). Identitätsorientierte Führung von Handelsmarken. In: Meffert, H., Burmann, C., Koers, M. (eds) Markenmanagement. Gabler Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92976-1_12
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