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Legitimität

Zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft

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Legitimationsprobleme politischer Systeme

Part of the book series: Politische Vierteljahresschrift Sonderhefte ((PVS,volume 7/1976))

Zusammenfassung

Wenn eine nationale politikwissenschaftliche Vereinigung das Problem der Legitimität staatlicher Herrschaft so entschieden in den Mittelpunkt ihrer Verhandlungen rückt, wie wir das dieses Jahr tun, so muß man annehmen, daß massive Realprobleme der politischen Ordnung unseres Landes dazu Veranlassung geben. Ich sehe nicht, daß das der Fall wäre. Nie in der jüngeren deutschen Geschichte waren die prinzipiellen und rechtlichen Grundlagen der staatlichen Ordnung so wenig streitbefangen wie in der Ära der Bundesrepublik. Beim besten Willen vermag ich nicht zu sehen, wie man die unbestreitbar großen Schwierigkeiten und Probleme des Regierens, vor denen wir wie alle Industriestaaten stehen, ohne gröbliche Verzerrung als Legitimationsprobleme oder gar als Beleg für Legitimitationskrisen rubrizieren kann. Da scheint mir viel Wunschdenken mit im Spiel zu sein.

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Anmerkungen

  1. Die Diskussion der letzten Jahre wird durch drei Bücher bestimmt, auf die im folgenden implizit Bezug genommen wird Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, Claus Offe, Strukturprobleme des kapitalistischen Staates, 1972 und Jürgen Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, 1973.

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  2. Dies möchte ich auch gegen die für mich anregendsten Behandlungen des Themas in der jüngeren deutschen Literatur geltend machen, die Arbeiten von Peter Graf Kielmansegg, Legitimität als analytische Kategorie, in: PVS 12 (1971), S. 367 ff., Dolf Sternberger, “Legitimacy„, in: Intern. Encyclop. of the Social Sciences, vol. 9, und Werner von Simson, Zur Theorie der Legitimität, Festschrift f. Loewenstein,1971, S. 459 ff. Bemerkenswert in seiner neopositivistischen Konsequenz der Versuch von Georg Geismann, Ethik und Herrschaftsordnung. Ein Beitrag zum Problem der Legitimation, 1974. Als die zur Einstimmung in die ganze Problematik interessanteste Darstellung der inneren Fragwürdigkeit der nationaldemokratischen Legitimationsdoktrin erscheint mir noch immer Heinz O. Ziegler, Die moderne Nation. Ein Beitrag zur politischen Soziologie, 1931 — ein weithin unbekannter Klassiker der deutschen politischen Literatur dieses Jahrhunderts. Für das Verständnis des historischen Charakters des modernen Legitimitätsbegriffs (die Sache erscheint natürlich unter vielen Bezeichnungen) leistet das Buch von Thomas Würtenberger jun., Die Legitimität staatlicher Herrschaft. Eine staatsrechtlich-politische Begriffsgeschichte, 1973, einen unschätzbaren Dienst. Dank schulde ich auch der Heidelberger Redaktion für die Möglichkeit, in die Vorarbeiten und Materialien der „Geschichtlichen Grundbegriffe“ Einblick nehmen zu können.

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  3. W. Hennis, Demokratisierung. Zur Problematik eines Begriffs, in: ders., Die mißverstandene Demokratie, 1973; R. Spaemann, Emanzipation — ein Bildungsziel?, in: Tendenzwende. Zur geistigen Situation der Bundesrepublik (ed. Clemens Graf Podewils), 1975, S. 75 ff.

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  4. Das gilt übrigens auch schon für die bedeutendsten politischen Theoretiker der zwanziger Jahre. Vgl. Hermann Hellers ganz „weberianische“ Funktionalisierung der „Legitimation„ durch die „öffentliche Meinung“ (Staatslehre, 1934, S. 175 f.) und R. Smends Verständnis der „Legitimierung„ einer Verfassung durch „Aneignung“ („Es sind geschichtliche Vorgänge verschiedenster Art, durch die ein Volk sich seine Verfassung aneignet, sie legitim macht„). So in Staatsrechtl. Abhandlungen, 19682, S. 588. Zur Legitimitätsbegründung durch „Werte“, ebd., S. 166 f. Die Bestimmung der Legitimität einer Herrschaft durch Aneignung (willentliche Unterwerfung) kennzeichnet auch alle gegenwärtigen amerikanischen Bemühungen, soweit sie von der Weberschen Sicht affiziert sind. Vgl. etwa die Übersichten bei Peter G. Stillman, The Concept of Legitimacy, in: Polity, vol. VII (1974), S. 32 ff., oder Ted Gurr, Why Men Rebel, 1971, S. 183 ff. Die französische Lehre dokumentiert gut der Sammelband des Institut International de Philosophie Politique, »L’Idée de Légitimité«, 1967. Eine nützliche Bibliographie zum Thema enthält der von Günther Rüther konzipierte, als Heft 31 (1975) von der Politischen Akademie Eichholz herausgegebene Band „Material zum Problem der Legitimität im modernen Staat„.

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  5. So hat es seine tieferen geschichtlichen Grunde, wenn in Deutschland in bezug auf die Möglichkeit des Verfalls politischer Herrschaft in Tyrannis und Willkürherrschaft so besonders tiefe „Begriffsvergeßlichkeit„ einreißen konnte. Diesen hochbedeutenden Vorgang schildert mustergültig Hella Mandt, Tyrannislehre und Widerstandsrecht. Studien zur deutschen politischen Theorie des 19. Jahrhunderts, 1974.

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  6. Vgl. auch die eindringliche Schilderung, der die Menschen in die Emigration treibenden Zustände bei Carl Bridenbaugh, Vexed and Troubled Englishmen 1590–1642, 1976.

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  7. Wenn Peter Graf Kielmansegg (a.a.O., S. 367, Anm. 1) meint, die angelsächsiche Behandlung der Legitimitätsproblematik unter der „sozialphilosophischen Fassung“ als Problem der „Political Obligation“ „habe sich für die Analyse des Phänomens Legitimität als wenig vorteilhaft erwiesen„, so hätte ich gerade von ihm dafür doch gerne eine genauere Begründung gelesen. Ich komme zu einem ganz anderen Urteil. Das Problem „Deutscher Geist und Westeuropa“ verlangt intensivste Beschäftigung mit der angelsächsischen Fassung der Legitimitätsfrage, die das Auseinanderreißen in psychologische Loyalitätsmotive und empirische Fragen der politischen Ordnung unmöglich macht. Aus der Literatur der letzten Jahre verweise ich nur auf Joseph Tussman, Obligation and the Body Politic, 1960; Richard E. Flathmann, Political Obligation, 1972; Hanna Pitkin, Obligation and Consent, in Philosophy, Politics and Society (ed. P. Laslett et al.) 1972, S. 45 ff. Die Liste könnte beliebig verlängert werden bis zur bedeutendsten sozialphilosophischen Kontroverse dieser Jahre um John Rawls Theory of Justice. Vgl. dazu die lange Reihe der Kritiken in Am. Pol. Sc. Rev., vol. LXIX (1975), S. 588 ff., vor allem aber das kraftvolle Werk von Robert Nozick, Anarchy, State and Utopia, 1974 sowie die Rezensionsabhandlung von David Lewis Schaefer, The „Sense“ and Non-Sense of Justice: An Examination of John Rawls: A Theory of Justice, in: The Political Science Reviewer, vol. III (1973), S. 1–42. Es wird im Zusammenhang der gerade erschienenen deutschen Übersetzung (J. R. Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt 1976) von Interesse sein, ob auch die Kritik an dieser gefällig-glatten Apologie der distributiven Gerechtigkeit des Wohlfahrtsstaats bei uns zur Kenntnis genommen wird. Als Beleg dafür, daß auch die Legitimitäts- (richtiger Gehorsams-)krise in den USA politikwissenschaftlich unter der alten Kategorie abgehandelt wird, nenne ich nur — ganz zufällig —Clyde Frazier, Between Obedience and Revolution, in: Philosophy and Public Affairs, vol. I (1972), S. 315 ff.; Ellis Sandoz, Political Obligation and the Brutish Man, in: Rev. of Politics 32 (1971), S. 95 ff.; Gordon Schochet, From Dissent to Disobedience: A Justification of Rational Protest, in: Politics and Society I (1971) 235 ff.; Edw. A. Stettner, Political Obligation and Civil Disobedience, in: Polity IV (1971), S. 105 ff., sowie den Sammelband von Michael Walzer, Obligations. Essays on Disobedience, War and Citizenship, 1970. Die Kraft des Terminus „Political Obligation“, auch alle Probleme des Tages immer neu zu absorbieren, erklärt sich zum einen aus der fortwirkenden Kraft der geschichtlichen Ursprungssituation, zu deren „Prinzipien„ immer wieder zurückgegangen wird, zum anderen aus einem Schulkanon, der jedem angelsächsischen Absolventen eines Liberal Arts College die Beschäftigung mit der philosophischen Grundlegung der freiheitlichen Regierungsweise obligatorisch in den Schulsack packt. Wenn Peter Kielmansegg zu Recht dem Begriff Legitimität „einen altertümlichen Klang“ (a.a.O., S. 367) attestiert, so hat sich Political Obligation dennoch die ganze Frische eines zentralen Konzepts der Schule und Theorie bewahrt. Seit Hobbes, Locke, Hume, Burke von Generation zu Generation weitergegeben und immer neu problematisiert, handelt es sich hier gewissermaßen um die „scholastische„ Grundkategorie westlicher politischer Theorie — der auf deutscher Seite nichts oder seit Fichte allenfalls das politisch leicht im verblasen Nichtigem sich auflösende Freiheit (i.S. von Emanzipation) entspricht. Die Abschaffung des obligatorischen Philosophieunterrichts an den reichsdeutschen (nicht österreichischen) Gymnasien (vgl. dazu M. Riedel, in: Wirtschaft und Wissenschaft, Heft 1/1973, S. 11 f.) war ein wichtiger und verhängnisvoller Schritt in der Herauslösung Deutschlands aus der westlichen Tradition; ihn rückgängig zu machen, wagt man heute allerdings nur mit Bangen zu empfehlen. Für den englischen und amerikanischen College-Schüler gehört eine Beschäftigung mit den Problemen der Political Obligation gewissermaßen zum Unvermeidlichen. Die Exegese einiger Passagen aus T. H. Greens “Lectures on the Principles of Political Obligation„ (1882) bleibt bis in unsere Tage kaum einem Oxford-Studenten erspart;ganze Generationen sind in H. A. Prichards exegetischen Vorlesungen über Greens Klassiker (H. A. Prichard, Moral Obligation) in politisches Denken und Wortklauben eingeführt worden; J. P. Plamenatz, Consent, Freedom und Political Obligation (1938, 19682) steht in dieser Tradition, und sie ist bis heute nicht abgerissen (ein dürftiges Beispiel Thomas MacPherson, Political Obligation, 1967). Daß immerhin ein gewisser Scharfsinn im Training bleibt, zeigt z. B. Margaret MacDonald, The Language of Political Theory, in: Logic and Language, ed. A. Flew, 1963, und Carole Pateman, Political Obligation and Conceptional Analysis, in: Political Studies, vol. XXI (1973), S. 199 ff. Eine quasi „kanonische“ Darstellung des Lehrstücks findet sich in J. R. Lucas, The Principles of Politics, 1966 (sect. 12 = „Political Obligation“). Den vollen Ernst der großen Frage restituiert Michael Oakeshotts magistrales Werk On Human Conduct, 1975, insbes. S. 149 ff. Ergänzend sei noch darauf verwiesen, daß „Political Obligation“ selbstverständlich auch die Schlüsselkategorie zur Analyse des politikwissenschaftlichen Gehalts der ganzen klassischen Literatur unseres Faches darstellt.

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  8. Viel und doch nicht hinreichend! Ernst Schulin, Rückblicke auf die Entwicklung der Geschichtswissenschaft, in: Die Funktion der Geschichte in unserer Zeit (Festschrift Erdmann), hg. v. E. Jäckel und E. Weymar, 1975, S. 25) hat mit Recht darauf hingewiesen, daß eine an sich berechtigte Reserve gegenüber allzu beflissenen Vergangenheitskorrekturen die deutsche Geschichtswissenschaft „nach 1918 und teilweise auch nach 1945 (vor) eine(r) echte(n) und notwendige(n) Traditionskritik gehemmt hat.“ Die wirklich in die Tiefe dringende Auseinandersetzung wurde von Ausländern geleistet: Antoni, Krieger, Klaus Epstein. Aus der deutschen Literatur immer noch am treffendsten Rudolf Stadelmann, Deutschland und Westeuropa, 1948.

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  9. Vgl. Würtenberger, a.a.O., S. 250 ff., und jetzt E. R. Huber, Rechtsfragen der Novemberrevolution. — Die Anerkennung der revolutionären Staatsgewalt und Staatsordnung in der deutschen Rechtsprechung nach 1918, in: Festschrift f. Fr. Schaffstein, Göttingen 1975, S. 53 ff.

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  10. Carl Schmitt, Verfassungsrechtl. Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, Berlin 1958, S. B.

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  11. In: Max Weber und die Soziologie heute (Vhdlg. des 15. Dt. Soziologentages), 1965, S. 142 f. (Wörtlich: „Es ist also möglich, von Webers Gedanken her eine Art von „Marktforschung für Charisma“ zu entwickeln„.)

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  12. Allerdings könne eine Herrschaft — und das sei „ein praktisch häufiger Fall — so absolut durch augenfällige Interessengemeinschaft des Herrn und seines Verwaltungsstabs (Leibwache, Prätorianer, „rote“ oder „weiße„ Garden) gegenüber den Beherrschten und durch deren Wehrlosigkeit gesichert sein, daß sie selbst den Anspruch auf „Legitimität“ zu verschmähen vermag„. Dann bleibe aber „noch immer die Art der Legitimitätsbeziehungen zwischen Herren und Verwaltungsstab… in hohem Grade maßgebend für die Struktur der Herrschaft…“ (WuG I, S. 123, ed. 1947).

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  13. Die Diskussion bis zum Jahre 1974 wird zusammengefaßt in der Sammelrezension von Bernd Guggenberger, Politik und Ökonomie, in: Neue politische Literatur (1974), H. 4, S. 425 ff., vgl. auch vom gleichen Autor: Wem nützt der Staat? Kritik der neomarxistischen Staatslehre, 1974. Zur Kritik an Habermas daneben vor allem Sarrazin, Spreer und Tietzel, Krise und Planung in marxistischer Sicht. — Das Beispiel Habermas, in: Hbg. Jb. für Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik 19 (1974), und neuestens die eindringliche, appellative Kritik aus der Feder Richard Löwenthals, Gesellschaftliche Umwandlung und demokratische Legitimität. — Zu J. Habermas’ Analyse der Krisentendenzen im „Spätkapitalismus“, in: Neue Rundschau 86 (1975), S. 549 ff. Weniger ergiebig — da ganz in den Grenzen der neopositivistischen Wahrnehmungsfähigkeiten befangen — Werner Becker, Die mißverstandene Demokratie. Über die Ideologie der Legitimitätskrise, in: Neue Rundschau 86 (1975), S. 357 ff.

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  14. Nachdem es Jürgen Dittberner und Rolf Ebbighausen als Herausgeber des voluminösen Sammelbandes „Parteiensystem in der Legitimationskrise. — Studien und Materialien zur Soziologie der Parteien in der Bundesrepublik Deutschland“, 1973, so kläglich mißglückt war, die „generelle Vermutung O) einer fundamentalen Legitimitätskrise im System der etablierten westdeutschen Parteien„ (so der Mitautor R.-P. Lange auf S. 137) auch nur mit dem leisesten Anhauch empirischer Evidenz zu stützen (vgl. die vorzügliche Arbeit von Peter Haungs,Legitimitätsprobleme der Parteiendemokratie in der Bundesrepublik, in: Civitas XIII (1974), S. 11 ff.), wartet man mit gemäßigter Spannung auf den in der edition suhrkamp angekündigten Sammelband (Hrg. Rolf Ebbighausen) „Staat und Legitimation im Spätkapitalismus“, der die Referate des Arbeitskreises A („Legitimationsprobleme des Staates im Spätkapitalismus„) der Duisburger Tagung dokumentieren wird. Der Teilnehmer der Tagung kennt diese „Papiere“; ob es sehr weise ist, die Öffentlichkeit einen so tiefen Blick in den scholastischen Leerlauf der „herrschenden Lehre„ innerhalb der deutschen Politologie tun zu lassen?

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  15. Auch für R Löwenthal (vgl. Anm. 15) ist Jürgen Habermas’ Abkanzlung der im Westen praktizierten Demokratie als bloß „formal“ und ihr Messen an einem utopischen Begriff „materialer„ Demokratie das eigentliche Ärgernis des Buches aus dem Jahre 1973. Jürgen Habermas gehört zu einer Generation, die noch wissen sollte, wie gefährlich dieses Spiel ist. Zur Erinnerung sei die Lektüre von Werner Kägi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates, Zürich 1945, empfohlen. Meine in der Duisburger Diskussion getroffene Feststellung, daß Habermas in seinem Vortrag — gegenüber dem Buch von 1973 — das Gegeneinanderausspielen von Formalem und Materialem bleiben gelassen hat, die Nachbeter aber noch davon leben, scheint ihn besonders getroffen zu haben. Ich möchte es dennoch noch einmal ausdrücklich festhalten! Nicht einmal der Versuch einer „materialen„ Legitimitätsbestimmung findet sich in dem Buch von Claus Offe (oben Anm. 1). Einen eigenen, positiven Legitimitätsbegriff — gegenüber dem manipulativen des „Systems“ — deutet er — unter pauschaler Zitierung Kielmanseggs — nur ein einziges Mal (S. 126) an, wenn er „Legitimation„ „unter der Maßgabe eines demokratisch gebildeten Willens“ definiert als „Herstellung einer Übereinstimmung zwischen kollektiven Interessenlagen und der konkreten Verwendungsweise hoheitlicher Gewalt; politische Gewalt und administrative Verwendung sollen konsentierten Normen unterworfen werden.„ Man sollte sich solche Sätze — so leerlaufend sie in der systemkritischen Argumentation des Autors sind — genau ansehen. So sei nur gefragt: „Herstellung einer Übereinstimmung“? — auf welche Weise, durch welche Vermittlungen, Institutionen, Beratschlagungs-und Beschlußmodalitäten? „… zwischen kollektiven Interessenlagen„? — kollektiv für welches Kollektiv und wieso zwischen Interessenlagen, warum nicht auch zwischen Rechten? Und all das in bezug auf „die konkrete Verwendungsweise hoheitlicher Gewalt“. Hat sich der Autor darüber Gedanken gemacht, ob man in bezug auf „hoheitliche Gewalt„ denn von „konkreter Verwendungsweise“ reden kann? Hier handelt es sich doch nicht um technisches Handeln, sondern um menschlich-politisches, das sich erst im Handeln konkretisiert und dessen Folgen — gerade in bezug auf Interessenlagen — von niemandem präzis vorauszusehen sind. „Konkret„ markiert — wie so oft im deutschen Gerede — eine Präzision und Entschlossenheit, die auf reinen Wortradikalismus hinausläuft.

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  16. Allerdings steckte schon in jenem Aufsatz von 1961 die ganze schillernde Problematik des „politischen“ Habermas. Ein paar Beispiele: „Demokratie arbeitet an der Selbstbestimmung der Menschheit, und erst wenn diese wirklich ist, ist jene wahr„ (a.a.O., S. 15). Politische Beteiligung ist „Funktion im schwierigen und ungewissen Prozeß der Selbstbefreiung der Menschheit“ (16).,,… der Beurteilung der Aufsicht einer mündig gesprochenen öffentlichen Meinung„ sollen die öffentlichen Beziehungen privater Gruppenmächte „erschlossen“ werden (43). Habermas fehlt jeder Sinn für das institutionelle Moment aller politischen Herrschaft, und er kann von seiner messianischen Rhetorik nicht lassen, wie er den mündlichen Vortrag seines Duisburger Vortrags auch mit der Botschaft ausklingen ließ: „Sonst [wenn legitimationsrelevante Fragen i. S. von Habermas „zugelassen„ würden, W. H.] könnte eines Tages (Hervorhebung von mir, W. H.) the pursuit of happiness etwas anderes bedeuten: zum Beispiel nicht mehr die Anhäufung privat verfügbarer materieller Gegenstände, sondern das Zustandebringen sozialer Beziehungen, in denen die Befriedigung des einen nicht mehr den Preis der Repression von Bedürfnissen eines anderen fordert.“ Solch parusitische Proklamationen machen sich vor einem bestimmten Publikum noch immer gut, sind aber beim Charakter der Welt, in der wir leben, dennoch eine durch nichts zu verantwortende rein akademische Rhetorik — zur Abwechslung einmal eine „linke„.

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  17. Das war die Grundintention meines ersten Vortrags vor der Dt. Vereinigung für politische Wissenschaft in Tutzing 1958 (= Amtsgedanke und Demokratiebegriff, Festgabe für R. Smend, 1962, S. 51 ff.). Ich stimme deshalb heute auch E.-W. Böckenförde zu, wenn er immer wieder mit soviel Ernst „Die derfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit“ (Opladen 1973) betont. Konrad Hesses jüngste Replik (Bemerkungen zur heutigen Problematik und Tragweite der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: Die öff. Verw. 28 (1975) Heft 13/14, S. 437 ff.) nimmt der Sache nicht den Stachel. Das gilt auch für Walter Schmidt, Die Entscheidungsfreiheit des einzelnen zwischen staatlicher Herrschaft und gesellschaftlicher Macht (AöR 101 (1976) S. 24 ff.). Auch wenn zugegeben sei, daß „die Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft ein sehr deutsches Theorem„ (45) ist, so wünscht man sich bessere Kategorien zur Erfassung des generell westlich, freiheitlichen Grundproblems, die auch wirklich geeignet sind, den „Anschluß an die internationale Diskussion“ wiederzugewinnen. Die These, es gehe nicht um das Ob, sondern Wie des konkreten Verhältnisses, um die konkrete Regelung der Beziehung durch Verfassung und Gesetz, läuft doch auf einen der Brisanz der Frage wenig angemessenen Positivismus hinaus. Zum ganzen Zusammenhang wichtig Hella Mandt, „Responsible Government“ und kontinentale Demokratietheorie, in: Civitas XIII (1974), S. 84 ff.

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  18. Wenn es noch weiterer Belege bedurfte, so bot sie das Duisburger Referat. Hier zeigte sich erneut, daß es keinen Sinn hat, sich mit Habermas auf der transzendentalen Höhe des Positivismusstreits oder der Habermas/Luhmann-Dialoge auseinanderzusetzen, sondern daß Satz für Satz zu fragen ist: „Stimmt denn das eigentlich?“. Für „Strukturwandel der Öffentlichkeit„ hat Wolfgang Jäger, Öffentlichkeit und Parlamentarismus. Eine Kritik an Jürgen Habermas, 1973 einen Anfang gemacht. Für „Erkenntnis und Interesse“ vgl. Nikolaus Lobkowicz, Interesse und Objektivität, in: Materialien zu Habermas’ „Erkenntnis und Interesse„ (ed. Dallmayr), 1974, S. 169 ff., und zur „Diskurstheorie“ natürlich vor allem Robert Spaemann, Die Utopie der Herrschaftsfreiheit, in: Merkur 26 (1972), S. 735 ff. Das von Habermas in Duisburg vorgetragene Dreistadiengesetz der Abfolge verschiedener „Niveaus von Rechtfertigungen„, die jeweils als allein legitimierungsfähig historisch „zugelassen“ seien (Mythos, Kosmologie und gegenwärtig „reflexive„ Politische Theorie) kann mich zu polemischer Auseinandersetzung nicht herauslocken. Für eine in Geschichtsmetaphysik verrannte Denkweise, bar jeden Welt-und Wirklichkeitsbezugs, gibt es offenbar keine Grenzen zugelassener Verstiegenheit.

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  19. Student und Politik, 1961, S. 51 („Die Kategorie der politischen Beteiligung ist eine der bürgerlichen Gesellschaft spezifisch zugehörige…“); Strukturwandel der Öffentlichkeit. — Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, mit der emphatischen methodischen Feststellung im Vorwort: „Wir begreifen „bürgerliche Öffentlichkeit„ als epochaltypische Kategorie; sie läßt sich nicht aus der unverwechselbaren Entwicklungsgeschichte jener im europäischen Hochmittelalter entspringenden „bürgerlichen Gesellschaft„ herauslösen und, idealtypisch verallgemeinert, auf formal gleiche Konstellationen beliebiger geschichtlicher Lagen übertragen.“ — Gegen diese zu starre sozialgeschichtliche Verortung erhob sogleich M. Rassem (Philos. Rundschau 12 (1964), S. 116 ff.) in einer der ersten gewichtigen Rezensionen durchschlagende Einwände.

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  20. Die Differenz von vormoderner und moderner „bürgerlicher Gesellschaft“ hat vor allem Manfred Riedel in zahlreichen grundlegenden Untersuchungen bis in die letzten Verästelungen erhellt. Vgl. vor allem seinen Beitrag „Gesellschaft, bürgerliche„, in: Geschichtl. Grundbegriffe (ed. Brunner/Conze/Koselleck), Bd. 2 (1975), S. 719 ff., und das das Problem nach vielen Seiten weiterverfolgende Buch Metaphysik und Metapolitik. — Studien zu Aristoteles und zur politischen Sprache der neuzeitlichen Philosophie, 1975, insbes. S. 254 ff.

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  21. Habermas’ Duisburger Insistieren auf der Anwendbarkeit der Kategorie für alle „Hochkulturen“ heißt alle präzisere historische Einsichtsfähigkeit, die uns die Kombination von Sozial-und Begriffsgeschichte — im deutschen Raun vor allem seit Otto Brunners bahnbrechenden Arbeiten — beschert hat, zunichte machen. Hintér Brunners „Bemerkungen zu den Begriffen „Herrschaft„ und „Legitimität“ (in: Neue Wege der Verfassungs-und Sozialgeschichte, 19682, S. 64 ff.) kann man ja wohl wirklich nicht zurückwollen.

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  22. So treffend Clifford Orwin, On the Sovereign Authorization, in: Pol. Theory 3 (1975), S. 26 ff.

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  23. Ich verweise nur auf die großartige Darstellung dieser vorneuzeitlichen Irrelevanz bei Friedrich Jonas, Sozialphilosophie der industriellen Arbeitswelt, 1960, S. 69 ff.

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  24. Zu der für Bodin so überaus wichtigen Abgrenzung der monarchie seigneuriale und tyrannique von der (einzig legitimen) monarchie royale vgl. die Beiträge von Jürgen Dennert, Horst Denzer und Walter Euchner in: Jean Bodin (ed. H. Denzer), 1973, S. 213 ff., S. 233 ff., S. 261 ff., ferner Helmut Quaritsch, Staat und Souveränität, 1970, S. 317 ff. und Hella Mandt, Tyrannislehre, S. 71 ff. Zur zentralen Rolle des Legitimitätskonzepts bei den Monarchomachen vgl. Jürgen Dennert (ed.), Beza, Brutus, Hotman. Calvinistische Monarchomachen, 1968, S. LIII ff. und passim, sowie generell zum Zusammenhang von Souveränität und modernem Legitimationsbegriff Jürgen Dennert, Ursprung und Begriff der Souveränität, 1964, insbes. S. 32, S. 44, S. 68.

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  25. Aus verständlichen Gründen — Abbruch so vieler Kontinuitäten, Untergang Preußens, relativer Bedeutungsschwund der Konfessionen als politischem Faktor — hat die deutsche Geschichtsschreibung sich seit 1945 fast ganz vom Feld der Behörden-und Konfessionsgeschichte abgekehrt. Sozialhistorie ist’s Panier! Warum auch nicht, wenn das „soziale Netz“ nur eng genug ist und nicht die für das Lebensgefüge früherer Epochen eben wesentlicheren ideen-, konfessionsund verwaltungsgeschichtlichen Fakten „draußen vor„ bleiben. Zur „deutschen Sonderentwicklung“ möchte ich an die aufgrund der Zeitläufe in Vergessenheit geratene Abhandlung von Heinrich Muth, Der Staat als Anstalt. Eine Untersuchung zur deutschen Behörden-und Beamtengeschichte, in: Reich — Volksordnung — Lebensraum III (1942), S. 142–291 und IV (1943), S. 201–241, erinnern. (Die Zeitschrift stand in den ersten Nachkriegsjahren in den historischen Seminaren nicht zu Unrecht im „Giftschrank„.) In einer gleichfalls kaum beachteten Arbeit des gleichen Autors über „Melchior von Osse und die deutsche Verfassungsgeschichte“ (Jb. für die Geschichte Mittel-und Ostdeutschlands Bd. II, S. 125 ff.) nimmt der Autor Gerhard Oestreichs frühe Untersuchungen über „Das persönliche Regiment der deutschen Fürsten am Beginn der Neuzeit„ (erstmals in: Die Welt als Geschichte I (1935), jetzt in: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969, S. 201 ff.) wieder auf, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß die Entwicklungsgeschichte der deutschen Staatsgestaltung „prinzipiell gesehen, bis in die jüngste Zeit hinein immer wieder um das von Osse erstmalig gekennzeichnete Dilemma einer persönlichen Herrschaftsgestaltung und einer bürokratischanstaltlichen Staatsorganisation kreist“ (a.a.O., S. 175). Zum Einfluß der Konfessionsgeschichte auf die deutsche Sonderentwicklung — insbesondere die Hochentwicklung des „finalen„, sozialstaatlich-patrimonialen Elements — ist man über Troeltsch und Herbert Schöffler, Wirkungen der Reformation. — Religionssoziologische Folgerungen für England und Deutschland, 1960, kaum hinausgekommen, sofern nicht einige Emigranten (Franz Borkenau, Hajo Holborn, L. Krieger) ein Auge darauf behielten. Wie fruchtbar der konfessions-und sektengeschichtliche Ansatz gerade für das Verständnis der modernen politischen Bewegungen (in genauer Entsprechung zu Max Webers wirtschaftsgeschichtlichen Forschungen) noch immer sein kann, zeigt das meisterhafte Buch von Michael Walzer, The Revolution of the Saints. A Study in the Origins of Radical Politics, 1965, 19722.

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  26. Zit. nach Jean Dabin, Der Staat, 1964, S. 253.

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  27. So u. a. in Politik als Prozeß der Gemeinschaftsbildung, 1970, S. 87, S. 101.

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  28. Wenn das Kapitel über die „Typen der Herrschaft“ im 1. Teil von WuG unmißverständlich klarmacht, daß die Legitimitätstypen nur die psychologischen „Autoritätsgrundlagen„ der Herrschaft widerspiegeln, also das, was den „Herren“ personal zugeschrieben wird, um ihren Herrschaftsanspruch „begründbar„ zu machen, so klafft beim Typus rational-legaler Herrschaft ein Abgrund. Nirgendwo kommt hier „personale Autorität“ ins Spiel, es ist ausschließlich von der Autorität von „Regeln„ die Rede. Man findet die Überbrückung dieses Hiatus in Webers Herrschaftssoziologie an entlegener, zumindest von der Systematik von WuG aus unmotiviert und vereinzelt dastehender Stelle: in jenem V. Kapitel des 3. Teils von WuG mit der lapidaren Oberschrift „Legitimität“ (WuG II, S. 642–649, ed. 1947), das mit der bekümmerten Konstatierung beginnt: „Das Schicksal des Charisma ist es, durchweg mit dem Einströmen in die Dauergebilde des Gemeinschaftshandelns zurückzuebben zugunsten der Mächte der Tradition oder der rationalen Vergesellschaftung.„ Und wie heißt die Macht, die hier, in der „rationalen Vergesellschaftung“ das Szepter führt? „Von allen Gewalten aber, welche das individuelle Handeln zurückdrängen… die unwiderstehlichste„ — und, so darf ich, glaube ich, ergänzen, die personale Ersatzautorität, die innerhalb legaler Herrschaft, „unpersönlicher Ordnung“ einspringende, „Nachachtung„ garantierende Autorität? Niemand anderes als „die rationale Disziplin “. Und nun darf ich den eiskalt erschreckenden Satz zitieren: „Sie — die rationale Disziplin — ist inhaltlich nichts anderes als die konsequent rationalisierte, das heißt planvoll eingeschulte, präzise, alle eigene Kritik bedingungslos zurückstellende, Ausführung des empfangenen Befehls, und das unablässige innere Eingestelltsein ausschließlich auf diesen Zweck.„ — Daß eine „innerlich“ so strukturierte Ordnung keine freie, „legitime„ sein kann, braucht wohl nicht weiter ausgeführt zu werden. In seinem oben (Anm. 31) angeführten Buch hat Michael Walzer gezeigt, wie die Disziplin der puritanischen Heere eine „Vorform“ aller modernen politischen Disziplin darstellt. Es handelt sich nur um eine Weiterführung der bei Weber (WuG II, S. 643 f.) gegebenen Skizze der Cromwellschen Disziplinierung der Krieg-und das hieß vor allem Mannschaftsführung. Weber: „Die Disziplin des Heeres ist aber der Mutterschoß der Disziplin überhaupt. Der zweite große Erzieher zur Disziplin ist der ökonomische Großbetrieb…„. — Gerhard Oestreich hat in einer grundlegenden Abhandlung (Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969, S. 179 ff.) die „Sozialdisziplinierung“ als das wichtigste Erbe des Durchgangs Europas durch den Absolutismus geschildert. Der post-absolutistische Staat sei in der Auseinandersetzung mit den negativen Folgen des politischen Disziplinierungsprozesses erreicht worden, „ohne auf andere Ergebnisse jenes säkularen Vorganges zu verzichten oder verzichten zu können„ (S. 195). Wie sich die Gesamtwirkung dieses Disziplinierungsprozesses aus der Sicht eines Anarchisten ausnimmt — der im Zuge der „Spätkapitalismus“-Diskussion ja nun auch wiederentdeckt wurde —,schildert am treffendsten Proudhon: „Regiert sein, das heißt unter polizeilicher Überwachung stehen, inspiziert, spioniert, dirigiert, mit Gesetzen überschüttet, reglementiert, eingepfercht, belehrt, bepredigt, kontrolliert, eingeschätzt, zensiert, kommandiert zu werden…, bei jeder Handlung, bei jedem Geschäft, bei jeder Bewegung notiert, registriert, erfaßt, taxiert, gestempelt, vermessen, bewertet, versteuert, patentiert, lizensiert, autorisiert, befürwortet, ermahnt, verhindert, reformiert, ausgerichtet, bestraft zu werden.„ Dies seien „die negativen Resultate, mit denen wir auch heute noch nicht fertiggeworden“ seien (so Oestreich, S. 196) — in Deutschland sicher weniger als andernorts und die mangelnde „Abpolsterung„ durch personal akzeptable Führungsschichten macht den Vorgang besonders schwer erträglich.

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  29. B. de Jouvenel, Über Souveränität, 1963, S. 31–108. Viel zu wenig gewürdigt auch Theodor Eschenburg, Über Autorität, jetzt in 2. Auflage 1976.

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  30. J. M. Bochenski, Was ist Autorität. — Einführung in die Logik der Autorität, 1974.

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  31. Vgl. H. Arendt, Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart (o. J. 1957), S. 12 f.

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  32. Diese — in der Entgegensetzung zu „nomokratisch“ — für das Verständnis der modernen Staatlichkeit m. E. sehr fruchtbaren „idealtypischen„ Kategorien entlehne ich Michael Oakeshott, On Human Conduct, 1975.

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  33. Von der Höhe der transzendentalen Perspektiven des Habermas von 1975 mag diese verschiedene Ausdifferenzierung theoretisch uninteressant,, kontingent“ sein. Für den an eventuell „praktisch’: handgreiflich werdenden Legitimitätskrisen Interessierten bzw. sich vor ihnen Sorgenden sind die historischen Ausdifferenzierungen, die sehr verschiedene Gewichtung, die national ganz unterschiedlichen Kompensationsgegebenheiten aber das eigentlich — auch wissenschaftlich! — interessante. Mit wie unfähigen und korrupten Politikern läßt sich das eine Land klaglos bedienen, wie empfindlich reagiert das andere auf 5% Arbeitslosigkeit? Wieviel bürokratische Anmaßung läßt man sich hier gefallen, wo liegen die Grenzen der „öffentlichen Frechheit„ anderswo? Die Kategorie der „politischen Kultur“, dubios wie alle ihre Vorgänger („Nationalcharakter„, „Volksgeist“ etc.), ist hier unentbehrlich und sicher auch durch „empirisch„-historische Forschung noch erheblich leistungsfähiger zu machen. Warum das Deutsche Reich seine Krise von 1932 mit einem Hitler glaubte lösen zu müssen, die USA sich mit einem Roosevelt behalfen, Churchill 1940 gebraucht und 1945 entlassen wurde, der französische Parlamentarismus immer einen »vrai présidente in der Reserve brauchte, ergibt sich ja aus keiner allgemeinen Legitimitätstheorie, sondern nur aus konkret erfahrbaren, auch genauer „erforschbaren“ Zusammenhängen. Politisches Handeln setzt seit je, unter den Bedingungen erschwerter „Regierbarkeit„ aber noch mehr, eine profunde Kenntnis des Besonderen eines Gemeinwesens voraus. Obwohl die Problemfaktoren mehr und mehr genereller Art sind, alle Länder — wenn auch unterschiedlich — von ihnen betroffen sind, gibt es für die politische Praxis keine generellen Verfahrenstechniken des Zurechtkommens mit den „importierten“ oder weltweit grassierenden Problemen.

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  34. Die Abhängigkeit des modernen (formalen) Verfassungsstaats von seiner geistig-sozialen „Ambiance“ hat uns vor allem Dietrich Schindler, Verfassungsrecht und soziale Struktur, 1932, gelehrt. (Ebd., S. 145: „Die autokratischen Staatsformen bieten dem Volk Halt von außen, die Demokratie verlegt die haltgebenden Momente in die Psyche des Einzelnen„)Mir scheint diese Sicht sachlich richtiger und intellektuell sauberer als die bemühte Anstrengung, in dem „Begriff des Staates und vor allem der Verfassung alles Wahre, Schöne, Gute „material“ festzumachen. Ich kann mich für die Kritik dieser Sicht auf meine Schrift „Verfassung und Verfassungswirklichkeit„ (1968) berufen. Wie man meine Bemühung, politische Wissenschaft als „praktische“ Wissenschaft zu betreiben, mit „Ontologismus„, „Kryptometaphysik“, „Essentialismus„ etc. in Zusammenhang bringen konnte, war mir immer schleierhaft. So aber wieder — wenig durchschlagend — Habermas in seinem Duisburger Vortrag.

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  35. Von F. H. Tenbruck ist eine „Glaubensgeschichte der Moderne“ (so der Titel eines hektogr. Ms.) zu erhoffen — d. h. eine Geschichte ihrer normativen Entstrukturierung durch Pseudo-und wirkliche Wissenschaft. Vorerst muß man sich an F. A. Hayek, Mißbrauch und Verfall der Vernunft. — Ein Fragment, 1959 und Friedrich Wagner, Die Wissenschaft und die gefährdete Welt, 1962 halten.

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  36. Zur Entautorisierung der Neuzeit noch immer H. Arendt, Was ist Autorität?, in: Fragwürdige Traditionsbestände, 117 ff., und Gerhard Krüger, Das Problem der Autorität, in: Freiheit und Weltverwaltung, 1958, S. 231 ff.

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  37. Karl Mannheim, Man and Society in an Age of Reconstruction, 1950, S. 44 ff., S. 81 ff.,und Emil Lederer, State of the Masses. The Threat of the Classless Society, 1940, 2. Aufl. 1967, mit einer Einleitung von Hans Speyer. Es ist schon eigenartig, daß dieses Buch, das zu den eindringlichsten Analysen der Voraussetzungen des Aufkommens des Nazismus gehört, in Deutschland schlechterdings nicht zur Kenntnis genommen wurde. Es paßt so gar nicht zur gängigen „Whig-Interpretation“ der neueren deutschen Zeitgeschichte. Vgl. meine knappen Bemerkungen in Die mißverstandene Demokratie, 1973, S. 174 f. — Daß „das Deutschland von heute (1929) überhaupt keine führende Klasse„ habe — und dies wohl einiges mit dem Bevorstehenden zu tun haben könnte, diagnostizierte schon Schumpeter in seinem großartigen Essay „Das soziale Antlitz des Deutschen Reiches“ (in: Aufsätze zur Soziologie, 1953, S. 214 ff.). Das anregendste Buch zur Funktion von Führungsschichten ist für mich immer noch Ernst Wilhelm Eschmann, Die Führungsschichten Frankreichs, 1943. Es ist tief bedauerlich, daß dieser Autor seit 1945 als politischer Wissenschaftler verstummt ist. Das, negativ gesagt, für das Problem der personalen Autorität unter den Bedingungen neuzeitlicher, postabsolutistischer Gemeinwesen so wichtige Problem der Korruption hat Carl J. Friedrich unter dem Stichwort der Pathologie in der Politik,1973, wieder auf die Tagesordnung gebracht. Von großem Interesse auch die neu erwachte Beachtung, die dem personalen Faktor in der neuesten amerilçanischen politischen Wissenschaft beigemessen wird. Vgl. u.a. Paul Eidelberg, A Discourse an Statesmanship. The Design and Transformation of the American Polity, 1974, und Irving Kristol, Republican Virtue vs. Servile Institutions, in: The Alternative, 8, (1975), S. 5 ff.

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  38. B. de Jouvenels Ober die Staatsgewalt. Die Naturgeschichte ihres Wachstums, 1972, ist noch immer das klassische Werk über die offenbar unbegrenzbare Ausdehnungswut des modernen Staates. Wenigstens geistige Wappnung gegen diese Tendenz leistet das monumentale Werk F. A. von Hayeks, Die Verfassung der Freiheit, 1971, und M. Oakeshotts in Deutschland kaum gewürdigtes Werk. Dazu tritt nun zwingend und elegant Robert Nozick, Anarchy, State, and Utopia, 1974.

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  39. Ich kann mir nicht den Hinweis darauf versagen, mit welchen politischen Verdächtigungen mein vor mehr als zehn Jahren, gerade aus den Erfahrungen des Weimarer Zusammenbruchs motivierter Vorschlag aufgenommen wurde, in den Problemen der Regierbarkeit moderner Gesellschaften eine vordringliche Aufgabe der Politischen Wissenschaft zu sehen (Aufgaben einer modernen Regierungslehre, in: Politische Vierteljahresschrift 6, 1965). Offenbar sind es in der deutschen Sozialwissenschaft aber zwei Paar Schuhe, ob man ein Problem aus Sorge um den Bestand der freiheitlichen Ordnung aufgreift oder aus Lust am Nachweis der „kategorialen Erschöpfung“ ihrer Lebenschancen. Nichts anderes als dies ist das, jedenfalls dominante, Motiv des Aufgreifens der Legitimitätskrisenproblematik in der deutschen Politischen Wissenschaft während der letzten Jahre. Im Kern ist das Regierbarkeitsproblem identisch mit der Legitimitätskrisenproblematik, obwohl letztere nur einen winzigen Ausschnitt davon erfaßt. Da ich nicht sehe, daß das Legitimitätsthema außerhalb historisch-vergleichender Forschung das Interesse des Faches, soweit es nicht durch die neomarxistischen Obsessionen fixiert ist, lange in Anspruch nehmen kann, das Problem der „Regierbarkeit„ — sofern man unter diesem Wort nicht mehr versteht als eine brauchbare Chiffre zur Zusammenfassung drängender Fragen einer „praktisch“ orientierten Disziplin — es hingegen so schnell nicht wieder loslassen wird, halte ich es nicht für unerlaubt, im Zusammenhang dieses Referats zur Anregung einer breiteren Diskussion über die eigentlich uns aufgegebenen Probleme eine Synopse zur Diskussion zu stellen, die im Sommer 1974 für ein Freiburger Seminar zusammengestellt wurde. Sie lag dann auch als erste Orientierungsgrundlage einem von der Thyssen-Stiftung eingerichteten Arbeitskreis „Regierbarkeit„ zugrunde. Während im Jahre 1965 die exogenen Probleme der Regierbarkeit noch weniger bedrängend waren (vgl. die Synopse in PVS 6 (1965), S. 438 ff.), so erscheinen mir heute die „technischen“ Planungsprobleme von weit geringerem Gewicht zu sein als die „exogenen„ und geistigen Probleme, von den militärisch-ökologischen nicht zu sprechen.

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Hennis, W. (1976). Legitimität. In: Kielmansegg, P.G. (eds) Legitimationsprobleme politischer Systeme. Politische Vierteljahresschrift Sonderhefte, vol 7/1976. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88717-7_1

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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