Zusammenfassung
Die Diskussionen um den Staat nehmen kein Ende. Für manche Betrachter der internationalen Politik hat sich schon erwiesen, dass er als politische Form längst an die Grenze seiner historischen Existenzberechtigung gelangt ist (Ohmae 1995). Andere sehen den Staat zwar auf dem Rückzug, halten ihn aber nach wie vor für die Rettung vor einem globalen neoliberalen Angriff, vor der gefährlichen Deregulierung der politischen Ordnung und vor einem sich beschleunigenden Auseinanderdriften des sozialen Zusammenhalts (Strange 1996). Wieder andere glauben zwar nicht an sein Ende, sehen ihn aber nur noch als einen Akteur unter vielen, und auch als einen, auf den man sich nicht mehr allein verlassen kann. Staatliche Herrschaft, so meinen sie, bedürfe der Einhegung und Kontrolle durch die „internationalen Zivilgesellschaft“, und der Aufhebung — fast im Hegelschen Dreifachsinn — durch internationale Organisationen (Zürn 1998). Eine gedachte Voraussetzung teilen diese Einschätzungen über den Staat jedoch alle: Bislang bilden Staaten die entscheidenden Strukturen dessen, was wir internationale Politik, Weltpolitik, das internationale System oder internationale Beziehungen nennen. In diesem Beitrag geht es um die Frage, ob diese Vorstellung wirklich angemessen ist, um die globalen politischen Prozesse zu beschreiben und zu analysieren, oder ob sie nicht eher das Resultat spezifischer historischer Erfahrungen ist, die sich in unsere Wissensformen eingelagert haben, ohne deshalb einen analytisch geeigneten Ausgangspunkt für das Verständnis dessen abzugeben, was man „Weltpolitik“ nennen könnte. Wäre das Letztere der Fall, dann könnte man von der Staatlichkeit als einer Ideologie sprechen, freilich nicht im scharfen Marx’schen Sinne, als eines, durch konkrete Lebenslagen bedingt, notwendig falschen Bewusstseins, sondern im Sinne einer durch bestimmte Machtverhältnisse gestützte und diese stützende dogmatische Vorstellung.
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Schlichte, K. (2004). Staatlichkeit als Ideologie. Zur politischen Soziologie der Weltgesellschaft. In: Giesen, KG. (eds) Ideologien in der Weltpolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-87372-9_8
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