Zusammenfassung
Die kommunale Selbstverwaltung ist in der Version der Steinschen Städteordnung vom 19. November 1808 in den Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern, Brandenburg, Schlesien und in den rechts der Elbe gelegenen Teilen des Herzogtums Magdeburg eingeführt worden.1 Bis dahin standen die Städte unter strengster Kontrolle der Steuerräte oder commissarii locorum, die direkt den Kriegs- und Domänenkammern unterstellt waren: Die Städte dienten dem Staat als Garnisonen und Domänen; das Stadtvermögen war Staatsvermögen. In Breslau war der sogenannte “Senatus Wratislaviensis” eine subordinierte königliche Verwaltungsbehörde, deren vorgesetzte Behörde direkt die Breslauer Kriegs- und Domänenkammer war. Die Breslauer Kämmereiverwaltung war an Etats gebunden, die von der Kriegs- und Domänenkammer aufgestellt und vom König genehmigt wurden. Budgetiert wurde in der Weise, daß ein möglichst hoher Überschuß verblieb, der dann “zur Disposition Sr. Majestät des Königs” von der Staatskasse eingezogen wurde: ein altpreußischer Brauch der Sonderbesteuerung der Stadt durch den Staat (Wendt 1909a: 14ff.). Das Vertrauen der Stadtbevölkerung in den Staat, der 1806 den Krieg gegen Frankreich verloren hatte, war erloschen, und das Vertrauen in die städtischen Magistrate hielt sich in engsten Grenzen, seitdem diese unter Friedrich dem Großen Versorgungsanstalten für invalide Soldaten geworden waren, denen es an Sachkompetenz mangelte und denen zudem das Stigma der Fremdlinge anhaftete.2
“Die Einheit der Christen schreitet immer weiter voran,” berichtet ein englischer Baptist einem preußischen Dorfschulzen. “Bisher gab es in meinem Dorf eine methodistische und eine baptistische Gemeinde. Doch der Wind der Einheit hat geweht, und sie haben sich verschmolzen.”
“Dann gibt es jetzt also nur noch eine Gemeinde?”
“Keineswegs! Das verhält sich wie mit ihren Kassen. Es gibt die vereinigte Gemeinde und die beiden anderen.”
(Frei nach: Der klerikale Witz, Bemmann Hans (Hrsg.), 1983: 84)
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Literatur
Die im Text verwendeten Abkürzungen bedeuten:
Annalen = Annalen der Preußischen inneren Staats-Verwaltung, hrsgg. von K. A. von Kamptz
GS = Sammlung der für die Königlichen Preußischen Staaten erschienenen Gesetze und Verordnungen
Ministerialblatt = Ministerialblatt für die gesammte innere Verwaltung in den Königl. Preußischen Staaten, hrsgg. vom Ministerium des Innern
Avenarius, C., 1845: Sammlung derjenigen Allerhöchsten Kabinets-Ordres, die nicht in die Gesetz-Sammlung aufgenommen wurden, und der Rescripte der Ministerien, welche die innere Verwaltung des Preußischen Staats betreffen. Aus den Jahren 1817 bis 1844, 2 Bde., Leipzig.
Benzenberg,Johann Friedrich, 1835: Die Gemeinde-Ausgaben der Städte Düsseldorf, Elberfeld, Barmen, Köln, Bonn, Coblenz, Creuznach, Trier, Aachen, Münster, Minden, Arensberg, Dortmund, Berlin, Leipzig und Paris, 2. Aufl., Bonn.
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Neubrander, W. (1987). 16.000 Taler, versteckt in 76 Kassen - oder: Die Kassenvielfalt in den preußischen Städten nach dem regionalisierenden bzw. individualisierenden Zentralisierungsversuch der preußischen Staatsregierung von 1833. In: Windhoff-Héritier, A. (eds) Verwaltung und ihre Umwelt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83683-0_15
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