Zusammenfassung
Im Jahr 1998 wurde vielerorts an die Revolution von 1848/49 erinnert, mit der ein erster Anlauf zur Gründung einer sozialen Demokratie in Deutschland scheiterte. Bei den zahlreichen Jubiläumsfeiern war stets davon die Rede, dass in der Frankfurter Paulskirche vor 150 Jahren das Verfassungsfundament für die heutige Bundesrepublik gelegt worden sei; kaum erwähnt wurde hingegen, dass 1848 auch ein Epochenjahr in der Geschichte der deutschen Gewerkschaften war. Obwohl sich kein exaktes Datum benennen lässt, an dem die Gewerkschaftsgeschichte begann, ist doch unbestritten, dass während der Revolutionsphase von 1848/49 der Gedanke der Selbsthilfe und Solidarität in Deutschland fester Fuß fasste und erste Arbeiterorganisationen entstanden. Sie verfolgten oft politische und gewerkschaftliche Ziele zugleich und verstanden sich als Vorkämpfer einer sozialen Demokratie. Diesen Begriff popularisierte der Schriftsetzer Stephan Born, als er im Sommer 1848 die „Arbeiterverbrüderung” gründete und die Losung ausgab: „Wir Arbeiter müssen uns selbst helfen”. Diesem Satz folgte sofort aber auch die Mahnung zur Geschlossenheit: „Seid einig, dann seid Ihr stark”. Ahnlich wie Born argumentierten die Buchdrucker, die schon damals die „Hebung und Sicherung des materiellen und geistigen Wohles” ihres Berufsstandes zu ihrem gewerkschaftlichen Organisationsziel machten und einen nationalen Lohn- und Arbeitszeittarif forderten, um den Konkurrenzdruck unter den Beschäftigten in der Branche zu mildem.
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Literatur
Vgl. zurGründungsgeschichte der deutschen Gewerkschaften Michael Schneider, Kleine Geschichte der Gewerkschaften, Bonn 1989 (dort die Zitate auf S.28f.) und
Klaus Schönhoven, Die deutschen Gewerkschaften, Frankfurt/M. 1987, S. 16ff. Auf diese beiden Gesamtdarstellungen wird im folgenden nicht mehr verwiesen, jedoch immer wieder zurückgegriffen.
Ausführlich dazu Jürgen Kocka, Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, Bonn 1990.
Vgl. dazu Ulrich Engelhardt, „Nur vereinigt sind wir stark”. Die Anfänge der deutschen Gewerkschaftsbewegung 1862/63–1869/70, 2 Bde., Stuttgart 1970;
Klaus Tenfelde, Die Entstehung der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Vom Vormärz bis zum Ende des Sozialistengesetzes, in: Ulrich Borsdorf (Hrsg.), Geschichte der deutschen Gewerkschaften von den Anfängen bis 1945, Köln 1987, S. 15–165;
Hans-Georg Fleck, Sozialliberalismus und Gewerkschaftsbewegung, Köln 1994.
Vgl. dazu Willy Albrecht, Fachvereln-Berufsgewerkschaft-Zentralverband. Organisationsprobleme der deutschen Gewerkschaften 1870–1890, Bonn 1982;
Wolfgang Renzsch, Handwerkerund Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung, Göttingen 1980.
So „Das Panier”, die Zeitung der 1878 verbotenen Metallarbeiter-Gewerksgenossenschaft in einer seiner letzten Ausgaben. Vgl. Klaus Schönhoven, Der Weg nach Frankfurt. Die Entwicklung der deutschen Metallgewerkschaften bis 1891, in: Protokoll des Allgemeinen Deutschen Metallarbeiter-Kongresses zu Frankfurt/M. 1891. Reprint, Köln 1991, S. XIII ff.; dort auch weitere Hinweise zum Folgenden.
Vgl. zur Streikwelle von 1889/90 aus internationaler Perspektive Friedhelm Boll, Arbeitskämpfe und Gewerkschaften in Deutschland, England und Frankreich, Bonn 1992.
Ausführlich zur Entwicklung der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung im Kaiserreich Klaus Schönhoven, Expansion und Konzentration. Studien zur Entwicklung der Freien Gewerkschaften im Wilhelminischen Deutschland, Stuttgart 1980;
femer Klaus Schönhoven, Die Gewerkschaften als Massenbewegung im Wilhelminischen Kaiserreich, in: Borsdorf (Hrsg.), Geschichte bis 1945, S. 167–278.
Vgl. zu ihnen grundlegend Michael Schneider, Die Christlichen Gewerkschaften 1894–1933, Bonn 1982.
So der Vorsitzende der Generalkommission, Carl Legien, auf dem Gewerkschaftskongress von 1899: Protokoll der Verhandlungen des dritten Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands. Abgehalten zu Frankfurt/M.-Bockenheim vom 8. bis 13. Mai 1899, Hamburg o.J., Nachdruck Berlin/Bonn 1979, S.103.
So die Lageanalyse des sozialdemokratischen Cheftheoretikers Karl Kautsky in seiner 1909 publizierten Schrift „Der Weg zur Macht”.
Vgl. zum folgenden die zweibändige Darstellung von Hans-Joachim Bieber, Gewerkschaften in Krieg und Revolution, Hamburg 1981,
sowie die von Klaus Schönhoven bearb. Quellenedition, Die Gewerkschaften in Weltkrieg und Revolution 1914–1919, Köln 1985.
Vgl. dazu ausführlich Gerald D. Feldman/Irmgard Steinisch, Industrie und Gewerkschaften 1918–1924. Die überforderte Zentralarbeitsgemeinschaft, Stuttgart 1985;
Michael Ruck, Gewerkschaften, Staat, Unternehmer. Die Gewerkschaften im sozialen und politischen Kräftefeld 1914 bis 1933, Köln 1990, S.47ff.
So das Correspondenzblatt der Generalkommission der Freien Gewerkschaften am 30. November 1918. Vgl. auch Heinrich Potthoff, Freie Gewerkschaften 1918–1933, Düsseldorf 1987, S. 185 ff.
Vgl. zur Gewerkschaftsgeschichte während der Weimarer Republik auch den Beitrag von Michael Schneider, Höhen, Krisen und Tiefen, in: Borsdorf (Hrsg.), Geschichte bis 1945, S. 279–446.
Zitiert nach dem Protokoll der Verhandlungen des 12. Kongresses der Gewerkschaften Deutschlands. Abgehalten in Breslau vom 31. August bis 4. September 1925, Berlin 1925, S.231. Vgl. auch Klaus Schönhoven, Die Vision der Wirtschaftsdemokratie. Programmatische Perspektiven der Freien Gewerkschaften in der Weimarer Republik, in: Hermann Weber (Hrsg.), Gewerkschaftsbewegung und Mitbestimmung in Geschichte und Gegenwart, Düsseldorf 1989, S. 33–53.
Vgl. dazu jetzt Michael Schneider, Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999.
Vgl. zur Enstehung und Geschichte des DGB, die in diesem Beitrag nicht mehr behandelt werden können: Hans-Otto Hemmer/Kurt Thomas Schmitz (Hrsg.), Geschichte der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1990.
Vgl. dazu Klaus Schönhoven, Gewerkschaften und soziale Demokratie im 20. Jahrhundert, Bonn 1995.
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Schönhoven, K. (1999). Gewerkschaften in Deutschland. In: Hemmer, H.O. (eds) Bilanz mit Aussichten. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83344-0_2
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