Zusammenfassung
Bezugspunkt jeder Demokratieanalyse ist das zugrunde liegende Demokratiekonzept. Manfred G. Schmidt betonte jüngst, dass es „nicht nur eine Demokratie, sondern viele verschiedene Demokratien (…) [und] nicht nur eine Demokratietheorie, sondern viele verschiedene Demokratietheorien“gibt (Schmidt 2000: 29). Ähnlich hat David Held hervorgehoben, dass die Geschichte der Demokratietheorie eng verknüpft ist mit dem Streit über die Frage, ob Demokratie primär als Mechanismus der politischen Partizipation der Bürger, als Mechanismus zur Erreichung verantwortlicher politischer Entscheidungen oder als Instrument zur Selbstentwicklung des Einzelnen und der Gesellschaft insgesamt zu verstehen ist (vgl. Held 1987, 1992, 1995). Die daraus resultierende Debatte zwischen Vertretern unterschiedlicher Demokratietheorien, Demokratiedefinitionen und Demokratiemodelle hat sich in der vergleichenden, empirischen Demokratieforschung und insbesondere in der politik-wissenschaftlichen Transformationsforschung kaum niedergeschlagen. In der Tradition der angelsächsischen Demokratietheorie, die stärker nach Mitteln und Wegen demokratischen Regierens fragt (Sartori 1997: 62) und sich in ihrer empirischen Ausrichtung weitgehend auf Fragen der strukturellen Varianten liberaler, repräsentativer Demokratien beschränkt, fiel auch der demokratietheoretische Gehalt der Transformationsdebatte bislang eher sparsam aus (von Beyme 1997: 23). Vielmehr wird überwiegend am „Polyarchie“-Konzept von Robert Dahl als theoretisch-konzeptionellem Bezugspunkt festgehalten.
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Literatur
Vgl. Parekh 1992: 160ff; Rosenblum 1995; Kautz 1995: 41 f.; Held 1992: 150, und 1995: 19.
Vgl. Schmitter/Karl 1991: 81; Collier/Levitsky 1997: 442ff.; Brooker 2000: 76–81.
Op.cit; Diamond 1999: 10ff; Sajó 1999: 205ff.
Mit Blick auf den Urtyp der liberalen Demokratie, das britische Westminster-Modell, kann eingewandt werden, dass liberale Demokratie auch ohne konstitutionell gesicherte Institutionen der judicial review funktionsfähig ist (vgl. hierzu Klug et al. 1996). Allerdings ist die Verhinderung der Mehrheitstyrannei in einem solchen politischen Umfeld voraussetzungsvoll, da sie eines hohen Maßes an freiwilliger Selbstbindung der Regierung und der Parlamentsmehrheit, eines breiten Fundus informaler Mechanismen der Kontrolle und einer starken Zivilgesellschaft und Medienlandschaft bedarf, die zusammen die Funktion einer außergerichtlichen Kontrollinstanz ausüben. Diese Bedingungen dürften in jungen Demokratien in aller Regel nicht gegeben sein; die Herausbildung dieses komplexen und weitgehend informal institutionalisierten Systems der Kontrolle hat in Großbritannien Jahrhunderte gedauert.
Für die rechtliche Kontrolle der Exekutive ist ohnehin in erster Linie die Gerichtsbarkeit zuständig (Schütt-Wetschky 2000: 7–11).
O’Donnell streicht zurecht als das herausragende Merkmal etablierter und konsolidierter (liberaler) Demokratien heraus, dass „accountability runs not only vertically, making elected officials answerable to the ballot box, but also horizontally, across a network of relatively autonomous powers (i.e. other institutions) that can call into question, and eventually punish, improper ways of discharging the responsibilities of a given official“(O’Donnell 1994: 61).
Vgl. zur Diskussion, die hier nicht geführt werden kann: Kymlicka 1992 und 1999.
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Croissant, A. (2002). Liberale und Defekte Demokratien. In: Von der Transition zur defekten Demokratie. Politik in Afrika, Asien und Lateinamerika. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80415-0_5
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