Um eine absolut zunderfreie Oberfläche herzustellen, werden die bei ThyssenKrupp Gerlach geschmiedeten und vergüteten Kurbelwellen strahltechnisch bearbeitet. Das Unternehmen investierte dafür in ein innovatives Strahlsystem. Integriert in einen vollautomatischen Produktionsablauf werden auf dieser Strahlanlage 150 verschiedene Kurbelwellentypen optimiert entzundert.

Die in Homburg ansässige ThyssenKrupp Gerlach GmbH ist zusammen mit den internationalen Standorten der ThyssenKrupp Forging Group einer der führenden Anbieter geschmiedeter und bearbeiteter Kurbelwellen. In Forschung und Entwicklung arbeitet das saarländische Werk an höherfesten Stählen und alternativen Fertigungsverfahren, die zu einer Gewichtsreduzierung und damit geringerem Kraftstoffverbrauch und reduzierter Abgasbelastung führen. Die jährlich rund sechs Millionen in Homburg gefertigten Kurbelwellen kommen unter anderem für Reihen-, Boxer-, V-, VR- und W-Motoren in Personenwagen, Nutzfahrzeugen und Motorrädern zum Einsatz. Das Portfolio umfasst rund 150 verschiedene Typen.

Nach dem Schmieden werden die Kurbelwellen in einem speziellen Verfahren vergütet. Sie weisen danach eine dicke und hartnäckige Zunderschicht auf. Da die anschließende Rissprüfung und die mechanische Bearbeitung eine absolut zunderfreie Oberfläche erfordern, werden die Wellen gestrahlt.

„Bei unserer bisherigen Strahlanlage war das Handling der Kurbelwellen sehr arbeits- und mannintensiv und stellte letztendlich ein Unfallrisiko dar. Daher wollten wir diesen Prozess optimieren und haben uns für die Investition in ein neues Strahlsystem entschieden“, berichtet Stefan Nussbaum, Leiter der Vergüterei bei ThyssenKrupp Gerlach.

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Die Kurbelwellen sind nach dem Vergüten stark mit hartnäckigem Zunder verunreinigt. Dies und die teilweise sehr schmalen Wangenabstände stellen beim Strahlen eine Herausforderung dar.

Das Strahlergebnis stellte die wesentliche Anforderung dar. Dafür sollte die neue Anlage ein gezieltes Strahlen bei allen unterschiedlichen Kurbelwellentypen ermöglichen. Die zweite Prämisse war, dass die neue Strahlanlage ohne bauliche Maßnahmen wie Fundament oder Dachaufbauten integriert werden musste. „Wir haben anfänglich mit zehn Anlagenherstellern gesprochen, von denen vier in die engere Wahl kamen. Entschieden haben wir uns dann für das Konzept der RKWS 2x2 von Rösler. Die Anlage ist klein, kompakt und weist einen sehr hohen Automatisierungsgrad auf“, erklärt Stefan Nussbaum.

Teilespezifische Bearbeitungsprogramme

Um diesen hohen Automatisierungsgrad zu erzielen, wurden zunächst für vier der rund 150 Kurbelwellentypen teilespezifische Programme entwickelt und in der SPS der Anlage hinterlegt. Ausgewählt dafür wurden Wellen mit unterschiedlichen Längen sowie die Typen mit den komplexesten Geometrien und dem engsten Wangenabstand. Insbesondere Letztere stellen beim Strahlen eine Herausforderung dar.

Die Programme beinhalten die Strahlzeit, Turbinen- und Werkstückrotationsgeschwindigkeit, Oszillationsweg sowie die Turbinenstrahlwinkel, um ein optimales Strahlergebnis zu erzielen. Die Ermittlung dieser Daten für den Strahlprozess erfolgte durch Computersimulation sowie durch Versuche. Ein in die Anlage integriertes Wegemesssystem gewährleistet, dass die definierte Position der Teile unter den Strahlturbinen genau eingehalten wird. Das Strahlbild ist durch eine elektrisch verstellbare Lineareinheit stufenlos einstell- und anpassbar. Da bei der Strahlanlage auch die Anpassung der Werkstückträger in den Beladestationen an den jeweiligen Kurbelwellentyp automatisch erfolgt, sind keinerlei manuelle Arbeiten erforderlich.

Ab dem Schmieden bis zur Sichtprüfung mannlos

Die Kurbelwellen werden nach dem Schmieden und Abkühlen mit einem Hängebahnförderer zur fundamentlos aufstellbaren Strahlanlage transportiert. Hier übernimmt ein Handlingsystem die Kurbelwellen und übergibt sie an eine Richteinheit. Der Roboter der Strahlanlage befördert die Wellen dann in den bereits auf sie eingestellten Werkstückträger der Beladeeinheit, die mit zwei Stationen ausgestattet ist. Dies ermöglicht, zwei einfache Kurbelwellen gleichzeitig zu strahlen oder eine komplexe Kurbelwelle auf zwei Stationen und somit mit zwei verschiedenen Turbinendrehrichtungen.

Nach dem Schließen der Strahlkammer wird die Strahlmittelzufuhr freigegeben, gleichzeitig beginnt die Kurbelwelle auf dem Werkstückträger zu rotieren und oszillieren. Diese Bewegungen tragen dazu bei, dass auch kritische Bereiche zwischen den Wangen von Zunder befreit werden. „Die Möglichkeit der automatischen Strahlwinkelverstellung sowie die Rotation und Oszillation während der Bearbeitung der Teile, hat uns ebenfalls sehr gut gefallen und wurde uns von keinem anderen Anlagenhersteller angeboten“, kommentiert Stefan Nussbaum.

Für die erforderliche Strahlintensität sorgen vier Long Life Strahlturbinen Gamma 520, die mit einer Antriebsleistung von jeweils 37 kW bis zu 4,5 Tonnen Strahlmittel pro Minute auf die Kurbelwellen befördern. Diese Hochleistungsturbinen verfügen über Wurfschaufeln mit zwei Arbeitsflächen. Die Drehrichtung der Turbinen ist an die zu bearbeitende Kurbelwelle angepasst und ebenfalls in der SPS hinterlegt. Im Vergleich zu herkömmlichen Turbinen erzielen Gamma Turbinen eine bis zu 30 Prozent höhere Abwurfgeschwindigkeit und zeichnen sich durch extreme Verschleißfestigkeit aus.

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Die für das komplett vollautomatische Strahlen unterschiedlicher Kurbelwellen konzipierte Strahlanlage benötigt kein Fundament

Angepasst an hohen Strahlmittel-Durchsatz

Der Verschleißschutz der Anlage ist optimal auf den hohen Strahlmitteldurchsatz abgestimmt. So besteht die Strahlkammer aus 10 mm Manganstahl. Im Strahlbereich verfügt sie außerdem über hochverschleißfeste, austauschbare Schutzplatten aus Manganstahl (10 mm) beziehungsweise gehärtetem Werkzeugstahl (20 mm), aus dem auch die Werkstückaufnahmen gefertigt sind.

Am Boden der Strahlkammer verhindern mit Strahlmittel gefüllte Wannen, dass im Bereich der Hotspots direkt auf die Auskleidung gestrahlt wird. Auch dies trägt zu einer Minimierung des Verschleißes und zu einer hohen Anlagenverfügbarkeit bei. Das Strahlmittelaufbereitungs- und -transportsystem ist ebenfalls an den hohen Strahlmitteldurchsatz angepasst.

Ein besonderes Augenmerk legten die Konstrukteure auch auf eine hohe Wartungsfreundlichkeit der Anlage. Sie basiert einerseits auf einer guten Zugänglichkeit zu allen servicerelevanten Komponenten. Andererseits ist die Anlage mit einer Kranbahn mit Hebezügen ausgestattet, die eine einfache und schnelle Wartung der Turbinen ermöglichen.