An der TU Dresden befassen sich die Professur Verarbeitungsmaschinen/Verarbeitungstechnik und die Außenstelle für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik des Fraunhofer IVV seit acht Jahren intensiv mit Reinigungstechnik in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Erklärtes Ziel der Dresdner ist es nun, ihre Reinigungskompetenz vom Lebensmittel- und Pharmabereich auf die industrielle Bauteilreinigung zu erweitern.

Spezialisierung innerhalb hoch arbeitsteiliger und zunehmend globaler Wertschöpfungsketten sowie Konzentration der Produktion auf der einen Seite, extrem steigende Produkt- und Materialdiversität, hohe Sicherheitsbedürfnisse und immer zwingender werdende Ressourceneffizienz auf der anderen Seite sind Antagonismen, die in vielen Teilen der Produktion zunehmende Herausforderungen mit sich bringen. Sie lassen sich auf die Bauteilfertigung, Automobil- oder Luftfahrtindustrie genauso abbilden wie auf die Medizintechnik sowie Lebensmittel- und Pharmaproduktion.

Eine gemeinsame Facette dieser Herausforderungen sind in allen genannten Branchen die zunehmenden Anforderungen an die Sauberkeit beziehungsweise Reinheit von Oberflächen, die sich durch eingangs genannte Entwicklungen als eine der zentralen Voraussetzungen für Qualität respektive Produkt- und Prozesssicherheit darstellt.

Reinigung gewinnt rasant an Bedeutung

Die industrielle Reinigungstechnik ist deshalb ein Technologiebereich, der rasant an Bedeutung gewinnt. Interessanterweise weist die Entwicklung dieses Bereiches, getrieben von den jeweiligen Anforderungen, einerseits recht ähnliche Stadien, andererseits aber sehr unterschiedliche Zeitverläufe auf:

Die Entwicklungsstadien lassen sich wie folgt kennzeichnen:

  1. 1.

    Händische Reinigung mit „konventionellen“, erfahrungsbasiert entstandenen Mitteln und Methoden nach guter handwerklicher Praxis im Rahmen eines Sicherheitsbewusstseins; die Verantwortung und Übersicht über das Gesamtprodukt und dessen Herstellung liegt beim Einzelproduzenten, der nahezu alle Stufen der Produktentstehung unter eigener Regie hat.

—Qualität liegt im individuellen Ermessen.

  1. 2.

    Händische Reinigung nach wachsenden Anforderungen im Rahmen gegenseitiger Absprachen; Quasistandards und Standards, die sich durch den Umgang in zunehmend verteilten Wertschöpfungsketten notwendig machen, sind hier nach wie vor erfahrungsbasiert.

— Qualität liegt in gewissem Umfang in kollektivem Ermessen.

  1. 3.

    Zunehmender Einsatz von Mitteln, die von spezialisierten Lieferanten industriell bereitgestellt werden und die in deren Interesse zunächst zwar auf verbesserte Reinigungswirkung aber mit möglichst breitem Einsatzfeld entwickelt werden; Know How baut sich zunehmend bei diesen Lieferanten auf (Kompetenzverschiebung).

— Die Methoden und Qualitäten werden vergleichbarer.

  1. 4.

    Zunehmende Mechanisierung und nachfolgend Automatisierung auf Basis von Reinigungstechnik, die primär manuelle Prozesse ersetzen; somit werden subjektive Störeinflüsse eliminiert und Aufwand reduziert. Die Prozesse zielen aber immer noch auf möglichst breitbandige Anwendungen ab und basieren auf Erfahrungen der Anbieter.

— Qualität wird reproduzierbar.

  1. 5.

    Zunehmender Zwang zur Erreichung definierter, beschreibbarer Reinigungsergebnisse durch a) steigende Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen an das Produkt (zunehmend gesetzlich vorgegeben) und b) Effizienz innerhalb immer stärker arbeitseiliger Wertschöpfungsketten; dies führt zur Etablierung von Validierungsverfahren im Sinne „klassischer Qualitätssicherung“: Konzipieren, Synthetisieren, Testen/Variieren bis zum sicheren Erreichen eines wie auch immer „objektivierten“ Reinigungsergebnisses, Dokumentieren, Repetieren inklusive des stetigen Nachweises der Einhaltung der ursprünglich als wirkungsvoll identifizierten Einflussparameter; letztere liegen aber immer noch lediglich als Erfahrungswissen mit nicht hinreichendem wissenschaftlichem Background vor.

— Qualität wird geprüft und reproduziert.

  1. 6.

    Optimierte Reinigungsverfahren unter dem Druck von Qualität und Sicherheit für Produkt und Prozess einerseits, dem Zwang zur Effizienzsteigerung andererseits; Zwang zur Quantifizierung von Prozessvoraussetzungen, -einflüssen und Prozessergebnis; Fall(gruppen)-bezogene Optimierung; Identifizierung und bewusster Einsatz von Wirkmechanismen zugunsten minimalen Aufwands sowie zur Verbesserung der Nachhaltigkeit.

— Qualität wird bewusst produziert.

  1. 7.

    Adaptive Reinigung: Reinigungsdauer, -intensität und -spezifik richten sich nach individuellem Ausgangszustand sowie Randbedingungen und dem geforderten Reinigungsergebnis, idealerweise selbstregelnd auf Basis vollparametrierter und messtechnisch überwachter Prozesse (Zukunft).

— Qualitätssteuerung

— Qualität wird automatisch und auf optimale Weise produziert

Reinigungsspezifisches Expertentum

Allen eingangs genannten Branchen sind Start und Ziel dieser Entwicklung zumindest von der Tendenz her gemeinsam, ungeachtet unterschiedlicher Startbedingungen und der realistischen Erreichbarkeit des zuletzt genannten Zieles.

Spätestens mit der Entwicklung industrieller Reinigungsmittel entwickelt sich auch reinigungsspezifisches Expertentum, verteilt auf Chemische Industrie und im Zuge der Automatisierung auf wenige Spezialanbieter. Bis in die späten, heute zu verzeichnenden Entwicklungsstufen hinein, hat dieses Expertentum jedoch sehr individuellen Charakter und ist vom ursprünglichen fachlichen Background des Experten geprägt: eher aus dem Blickwinkel des chemischen Reinigungsmittelherstellers, des Reinigungsanlagenbauers oder des Qualitätsverantwortlichen beim „reinigenden Unternehmen“.

Dabei ist Reinigung ein unbestreitbar typischer Fall für Multidisziplinarität: werkstoffliche, oberflächentektonische, elektrochemische, strömungstechnische, thermodynamische oder verschmutzungsrheologische Einflüsse bilden eine für die einzelnen Anwendungsgebiete eher unvollständige Liste an Kompetenzen, die im Sinne eines tiefergehenden Verständnisses von Reinigungsprozessen im Sinne oben genannter Entwicklung wünschenswert, wahrscheinlich eher notwendig ist.

Erforschung grundlegender Reinigungsmechanismen

In der Lebensmittelbranche hat man dies, getrieben durch immer restriktivere Forderungen von Kunden und vom Gesetzgeber, in den letzten Jahren zunehmend erkannt und beginnt, wenigstens das Erfahrungswissen in geeigneten Ebenen zusammenzutragen, zu strukturieren und so eine verbreiterte Wissensbasis zu etablieren. Beispiel hierfür ist die Arbeit der European Hygienic Engineering and Design Group (EHEDG). Auch die Forschung beginnt sich zu vernetzen und hat bereits ein gutes Stück des Weges bei der Aufdeckung von grundlegenden Reinigungsmechanismen zurückgelegt. Die Pharmaindustrie, schon immer harten gesetzlichen Regularien unterworfen, bisher allerdings mangels Alternativen eher auf der oben beschriebenen Stufe 5 agierend, wird durch wirtschaftliche Zwänge ebenfalls in immer stärkerem Maße gezwungen, sich mit Reinigungsforschung zu befassen, um die nächste Stufe erreichen zu können.

An der TU Dresden befassen sich die Professur Verarbeitungsmaschinen/Verarbeitungstechnik und die Außenstelle für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik des Fraunhofer IVV gemeinsam mit dortigen und europäischen Kollegen in der Lebensmittel-, chemischen und Bioverfahrenstechnik seit nunmehr acht Jahren intensiv mit Reinigungstechnik in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Hier hat man auch begonnen, auf Basis der Zusammenarbeit mit der EHEDG Maschinenbauern im Rahmen des regulären Diplomstudiums entsprechende Kompetenzen zu vermitteln, die nachweislich von der Industrie immer stärker nachgefragt werden.

Enge Partnerschaft von Industrie und Wissenschaft

Erklärtes Ziel der Dresdner ist es nun, ihre Reinigungskompetenz vom Lebensmittel- und Pharmabereich auf die industrielle Bauteilreinigung zu erweitern. Vorhandenes Wissen und Erfahrungen vor allem im Bereich von Methoden aber auch von grundlegenden Reinigungsmechanismen und Techniken dienen als Basis für einen zügigen Einstieg und werden dank entsprechender Netzwerke und Kompetenzbündelung erweitert.

Die erforderlichen Schritte sind auch hier, vorhandenes Wissen und Erfahrungsträger stärker zu bündeln, systematisch aufzuarbeiten, gezielt sowie systematisch zu erweitern und es den industriellen Partnern auf geeignete Weise verfügbar zu machen. Das schließt eine nachhaltige enge Partnerschaft von Industrie und Wissenschaft ein, denn abhängig und unabhängig von erzielten Fortschritten werden die Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Effizienz weiter steigen.