Der Wandel hin zur Elektrifizierung des Antriebsstrangs im Pkw ist schon lange im vollen Gange. Die Vorteile der Bremsenergierückgewinnung durch die gestiegene Rekuperationsleistung des Antriebs und besonders dessen höherer Verfügbarkeit in Verbindung mit einer Brake-Blending-Funktion sind mittlerweile sicht- und spürbar. Das Brake-Blending stellt den Übergang von der Rekuperation zur Verzögerung durch die Reibbremse dar, der für die fahrende Person nicht wahrnehmbar ist, und ermöglicht, während der "Bremsung" ein Maximum an kinetischer Energie in die Batterie zu speisen. Der wünschenswerte Effekt, die Bremsfunktion so weit wie möglich durch den Antriebsstrang abzubilden, zahlt sich für uns Bremsenentwickler nur dann richtig aus, wenn die Bremsendimensionierung dadurch reduziert werden kann und sich Gewichts- und Kostenvorteile ergeben.

Die Umstellung der Bremse von hydraulische auf elektrische Aktuatoren ist der nächste mögliche Schritt. Dadurch entfällt die mechanische Verbindung zwischen dem Fahrerfuß und den Radbremsen. Das Fehlen einer solchen hydraulischen oder mechanischen Verbindung macht eine sichere und verfügbare Energieversorgung des Bremssystems zwingend erforderlich. Die kostenoptimale Darstellung dieser Energieversorgung ist einer der wichtigsten Stellhebel für die erfolgreiche Einführung von sogenannten trockenen By-Wire-Systemen. Dass das elektromechanische By-Wire-Bremssystem in der Automobilindustrie Einzug halten wird, steht meiner Einschätzung nach außer Frage. Die Klärung, unter welchen Randbedingungen dies auch wirtschaftlich Sinn macht, ist eine zentrale Aufgabe der weiteren Entwicklungsarbeit. Ein wesentlicher Vorteil der elektromechanischen Bremse ist die Reduzierung des Restbremsmomentes und somit auch der Bremsstaubemissionen durch die elektrische Ansteuerung der Radbremse. Bei früher Berücksichtigung in der Fahrzeugarchitektur ergeben sich signifikante Vorteile in der Bauraumgestaltung, da die starre mechanische oder hydraulische Verbindung zwischen dem Bremspedal und dem Bremskraftsteller entfällt. In der Produktion sind deutliche Vorteile bei Montage, Teilebereitstellung und durch den Entfall der Befüllung des Bremssystems zu erwarten. Dem entgegen steht die erhöhte Komplexität durch den Bremsaktuator selbst sowie der gesamten Anbindung an die sichere Energieversorgung und die Fahrzeugkommunikation.

Aber die Zeiten, zu denen man einen Zündschlüssel abzieht und dem Fahrzeug damit den Strom abdreht, sind schon lange vorbei. Elektrifizierung und Digitalisierung lassen sich nicht aufhalten - und das ist auch gut so!