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Die fahrerlose Mobilität scheint in greifbare Nähe zu rücken. Doch auf dem Weg dorthin müssen die Entwicklungsabteilungen der Automobilhersteller noch einige Herausforderungen meistern. Mit dem richtigen Team ist das möglich, weiß Reiner Friedrich, Vice President Autonomous Driving bei BMW. Am Rande der Formula Student Germany erklärte er uns, wieso die Erfahrungen der Formula-Student-Driverless-Teilnehmer für die Industrie derzeit besonders wichtig sind.
ATZextra _ Herr Friedrich, warum verbringen Sie dieses August-Wochenende als Formula-Student-Juror am Hockenheimring?
Friedrich _ Ich kenne den Konstruktionswettbewerb natürlich schon lange und weiß: Die Atmosphäre hier am Hockenheimring ist toll. Allerdings waren wir als Elektrik-Fraktion bislang nie so stark involviert wie zum Beispiel die Abteilungen Antrieb oder Fahrwerk. Dieses Jahr gibt es nun zum ersten Mal eine Wettbewerbsklasse für fahrerlose Fahrzeuge. Die Formula Student Driverless ist für mich ideal, um die richtigen Leute für meinen Fachbereich und unser Unternehmen zu finden. Als Juror komme ich auf fachlicher Ebene direkt in Kontakt mit den Teilnehmern.
Die Driverless-Wettbewerbsklasse, kurz FSD, findet dieses Jahr zum ersten Mal statt. Bildet das Reglement denn auch die Herausforderungen in der Industrie ab?
Die Grundlage des FSD-Reglements fußt auf einer wichtigen Regel: einen sicheren „Not-Aus“ per Funk, der über die Bremse das Fahrzeug sicher zum Halten bringt. Und im Prinzip gilt das auch für uns als Hersteller. Wir müssen Fahrzustände ebenfalls sicher zu Ende führen. Dieses sogenannte Fail Operational ist also technisch sehr bestimmend und gilt speziell für die Bremse und für die Lenkung. Ansonsten wird den Teilnehmern viel Freiraum für Kreativität gelassen. Ob die Teams nun beispielsweise Radar, Laser oder Kamera verwenden oder mehrere Sensorprinzipien gleichzeitig, das ist deren Entscheidung. So können die Teams kreative Lösungen entwickeln. Das ist auch in unserem Sinne.
Was halten Sie von den dynamischen Disziplinen?
Für die Driverless ist das präzise Abfahren der Strecke relevant — und dabei die richtige Grenzgeschwindigkeit zu finden. Das Beschleunigungsrennen [Acceleration] finde ich hingegen in dieser Wettbewerbsklasse nicht so wichtig. Das Ausregeln des Schlupfes beim Geradeaus- Beschleunigen, können die aktuellen Regelsysteme in unseren Serienfahrzeugen ebenso gut. Die eigentliche Herausforderung aber ist es, das regelungstechnisch in eine Fahrstrategie zu übersetzen, was ein guter Fahrer mitbringt. Umgangssprachlich gesagt: Das Popometer kann man nicht so einfach messen.
Wie schlagen sich die teilnehmenden Teams, was ist Ihr persönlicher Eindruck?
Gemessen daran, dass einige Teams erst seit sieben Monaten an ihrem fahrerlosen Fahrzeug arbeiten, ist es erstaunlich, wie weit die Teilnehmer gekommen sind. Auch mit den — für uns aus Herstellersicht — richtigen und plausiblen Ansätzen und Methoden. Wie viele Punkte die Teams letztendlich innerhalb des Wettbewerbs erreichen, das spielt für uns eine untergeordnete Rolle. Aber ausgehend von den Lösungen, die ich schon in diesem ersten Jahr sehe, bin ich mir sicher, in ein bis zwei Jahren wird der Driverless-Wettbewerb schon ein völlig anderes Niveau haben.
„Es sind die richtigen Ansätze und Methoden“
Wie sieht es bei BMW aus: Der Fachbereich Autonomous Driving ist noch vergleichsweise neu im Unternehmen, gleichzeitig ist der Entwicklungsbedarf für das autonome Fahren hoch. Was bedeutet das für Ihre Arbeitsprozesse?
Wir — der Fachbereich Autonomous Driving bei BMW — stellen uns gerade neu auf und etablieren in diesem Rahmen unter anderem auch agile Arbeitsstrukturen. Wir gehen also weg von den klassischen eher ingenieursmäßigen Entwicklungsprozessen hin zu softwaregetriebenen Arbeitsweisen. Es gibt dann keine dedizierten Projektteams mehr, sondern eine Vielzahl von Feature-Teams. Ein Feature-Team besteht beispielsweise aus acht Leuten mit jeweils unterschiedlichen Kompetenzen und Spezialgebieten, die etwas vom Anfang bis zum Ende entwickeln und auch verantworten. Das ist das Prinzip des sogenannten End-to-End-Gedankens. Dabei ist es wichtig, dass die Teammitglieder trotz verschiedener Spezialgebiete und Kenntnisse gut und schnell zusammenarbeiten können.
Welche Fähigkeiten müssen die Mitarbeiter mitbringen, die mit Ihnen bei BMW fahrerlose Fahrzeuge entwickeln wollen?
Der wesentliche Punkt ist: Man muss lernen wollen. Wir etablieren eine lernende Organisation bei uns. Der Anspruch, alles selbst erfinden zu wollen, tritt ganz klar in den Hintergrund. Es ist auch etwas wert, etwas Vorhandenes zu nehmen und etwas Besseres daraus zu generieren. In diesen Feature-Teams wird zum Beispiel immer an einer gemeinsamen Code-Basis gearbeitet. Da ist es völlig egal, wer vorher dieses Stück Programmcode entwickelt hat. Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Arbeit ist: Wir entwickeln funktionssichere Software und keine sogenannte Jubel-Elektronik. Es gibt sehr strenge Prüfverfahren, die wir auch bei solch kreativen Prozessen nicht ignorieren oder gar konterkarieren dürfen. Jeder Entwickler muss also bereit dazu sein, die entsprechende Verantwortung zu übernehmen.
Auch die Mitglieder eines Formula-Student-Teams müssen schnell gemeinsame Arbeitsgruppen bilden, die dann eng zusammenarbeiten. Kann BMW also auch etwas von den Teams lernen?
Das, was ein Formula-Student-Team im Kleinen erlebt, ist genau das, was wir als Hersteller im Großen erleben. Zum einen kann man die Technologie für das autonome Fahren nicht einfach so in ein bestehendes Fahrzeugkonzept einbauen. Das geht nicht. Zum anderen müssen alle beteiligten Fraktionen sehr schnell ganz viel voneinander lernen, um gemeinsam ein neues Konzept und auch ein neues Produkt zu entwickeln. In einem Formula-Student-Team arbeiten innerhalb eines begrenzten Zeitraums Experten verschiedener Fakultäten, zum Beispiel Informatiker, Maschinenbauer und Regelungstechniker gemeinsam an einem Produkt, das sie gemeinsam zum Erfolg führen. Genau diese Arbeitsweise wollen wir auch bei uns etablieren. Die Erfahrungen, die die Teilnehmer bei der Formula Student sammeln, sind für uns deshalb sehr interessant. Wir können insbesondere im Fall des Driverless-Wettbewerbs tatsächlich auch von den Teams lernen.
Wer Zeit und Herzblut in die Formula Student investiert, erreicht nicht immer die besten Noten im Studium. Insbesondere die Automobilhersteller erwarten allerdings einen erstklassigen Abschluss von den Berufsanfängern. Wie löst BMW dieses Dilemma?
Ein Unternehmen wie BMW schaut natürlich immer auf exzellente Absolventen. Aber oft sind es nicht die Einser-Kandidaten, die uns dann auch in den Teams weiterbringen. Der Wille und die Fähigkeit, auch mit Konflikten konstruktiv umzugehen, das kann man nicht über eine Note ausdrücken. Deshalb nehmen wir jetzt immer zwei Nominierungen bei uns in das Förderprogramm mit auf, die eigentlich aufgrund des Notendurchschnitts durchfallen würden, sich aber hier in den Formula-Student-Teams durch Charakter, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit und Leadership stärker hervorgetan haben. Und das hat sich für uns bislang extrem bewährt. Diese Personen bestehen dann erfahrungsgemäß auch exzellent bei uns in den Förderprogrammen, auch wenn sie keine Einser-Kandidaten an der Hochschule sind.
„Genau diese Arbeitsweise wollen wir auch bei uns etablieren“
Im Rahmen der Formula Student Germany werden inzwischen diverse Special Awards von OEMs und Zulieferern vergeben, aber nicht von BMW. Planen Sie so etwas in Zukunft?
Es ist eher BMW-typisch, die Unterstützung dezenter zu betreiben. Wir sponsern drei Teams im Driverless- Wettbewerb. Dabei steht vor allem die Weitergabe unseres Know-how im Vordergrund. Wir wissen, dass Test Facilities für die Teams enorm wichtig sind. Wenn das Auto fertig ist, brauchen sie ein Gelände für Tests und die Erprobung. Wir haben dieses Jahr vier Teams auf unserem Gelände in Maisach testen lassen. Zudem setzen wir Juroren ein, die auf Expertenniveau vor Ort agieren können. Über die fachliche Ebene wollen wir gute Beziehungen aufbauen.
Herr Friedrich, erlauben Sie zum Schluss ein persönliche Frage: Sie sind seit dreißig Jahren bei BMW tätig. Wurde es Ihnen nie langweilig, immer im selben Unternehmen zu arbeiten?
Ich habe in den 30 Jahren immer etwas anderes machen können. Das ist der Vorteil an der Arbeit in einem großen Unternehmen wie BMW. Und aktuell darf ich mich mit dem — wie ich finde — spannendsten Thema überhaupt beschäftigen: dem autonomen Fahren. Das ist schon etwas Besonderes. Dinge zum ersten Mal zu tun, die vorher noch kein anderer getan hat. Das ist ein klassischer Ingenieursantrieb. Ein gewisser Pioniergeist gehört dazu. Die Teilnehmer der Formula Student wissen das.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Friedrich!
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Springer Fachmedien Wiesbaden. „Ein gewisser Pioniergeist gehört dazu“. ATZ Extra 22 (Suppl 7), 18–21 (2017). https://doi.org/10.1007/s35778-017-0076-2
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