War China früher ein Synonym für einen dankbaren Empfänger westlicher Automobiltechnologie, so ist das Land inzwischen Innovationstreiber rund um die E-Mobilität. Die etablierten westlichen Marken schienen einst mit vorzüglicher Verbrennertechnologie und Premiumanspruch den Erfolg im Reich der Mitte gepachtet zu haben. In den letzten Jahren jedoch hat sich der Markt fundamental gedreht.

Das chinesische automobile Ökosystem strotzt vor Innovationskraft und in Sachen New Energy Vehicles dominieren nun heimische Hersteller den Markt. Doch auch bei der zweiten großen Wette der Mobilitätsindustrie, dem hochautomatisierten Fahren, setzt die chinesische Industrie längst Akzente. Getrieben von einer ehrgeizigen Industriepolitik aus Peking hat sich heute ein vitales Ökosystem rund um das Thema autonomes Fahren entwickelt. Dazu gehört nicht nur die Integration westlicher Komponenten und Software in eigene Systeme, sondern vielmehr auch auf vielen Ebenen oft konkurrenzfähige einheimische Technologie. Von Sensoren wie Lidar und Radar über Mikroprozessoren bis hin zur Steuerungssoftware.

Dabei verfolgen die Hersteller, ähnlich wie im Westen, eine zweigleisige Strategie: Die chinesischen Technologiekonzerne und Mobilitätsanbieter setzen auf das vielgerühmte Robotaxi, während die einheimischen Automobilhersteller versuchen, situatives „hands-free-driving“ auf ausgewählten Strecken in Serie zu bringen. Mit einem Blick auf die fahrerlosen Taxi-Versuchsflotten in Peking, Wuhan oder Shenzhen wird klar, dass sich der Entwicklungsstand der chinesischen Technologie beim vollautomatisierten Fahren mit den großen US-Rivalen messen kann. Die Regierung treibt die Einführung des automatisierten Fahrens stetig voran und setzt die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Ein Schritt hin zum regulären Betrieb war kürzlich die Vergabe von L3-Pilotlizenzen an neun einheimische Hersteller. Damit ist der Weg für umfassende Tests auf öffentlichen Straßen geebnet. Die Regierung legt hier Wert auf Sicherheit und gute Performance - mit der klaren Zielrichtung Weltmarkt. Für westliche Hersteller bedeutet dies verstärkten Konkurrenzdruck. Gleichzeitig aber bietet dies auch eine Chance für neue Kooperationen: So bilden sich unter den chinesischen Zulieferern neue, attraktive Partner für Hardware wie Sensoren oder Softwarekomponenten um das automatisierte Fahren heraus.

Dieser Wettbewerb unter den Anbietern sorgt schon heute für schnellere Innovation und sinkende Preise. Dies beflügelt potenziell auch die Einführung automatisierter Fahrzeugsysteme im Westen. Bestimmend für den Erfolg sind aber nicht nur Funktion und Sicherheit. Gerade bei solch kritischen Anwendungen ist Vertrauen der Kunden die entscheidende Währung. Hier stehen chinesische Anbieter vor der Aufgabe, die notwendige Transparenz und Offenheit an den Tag zu legen. Dafür ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht nur mit möglichen Entwicklungspartnern im Westen unerlässlich, sondern auch eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden sowie eine glaubwürdige Kundenkommunikation.