Die Gestehungskosten von Strom aus erneuerbaren Quellen können an manchen Tagen in Deutschland ins Negative fallen. Unter anderem dadurch hat sich ein Multi-Milliarden-Euro schwerer Markt mit elektrischen Speichern entwickelt. Davon profitiert nun auch die Elektromobilität. Denn einige Ladeparks nutzen den Stromspotmarkt EPEX, um die hohen Investitionen in kürzester Zeit sozusagen einzuhandeln.

Unter Idealbedingungen muss eines der größten Windräder mit einer Nennleistung von 15 MW, wie sie in Offshore-Windparks in der Nordsee stehen, nur 9 min lang laufen, um den jährlichen Strombedarf eines batterieelektrischen Kleinwagens zu erzeugen. Das Beispiel bezieht sich auf den VW E-Up! mit einem 32-kWh-Akku und einer Jahresfahrleistung von 14.000 km. So beeindruckend diese Darstellung auch ist, sie offenbart eines der größten Dilemmas der Elektromobilität: Der Strom aus erneuerbaren Quellen wird selten an dem Ort und zu der Zeit in zufriedenstellender Menge produziert, wo er benötigt wird.

Dabei war die Stromerzeugung wegen der stark gestiegenen Preise für die „meisten Kraftwerksbetreiber ein sehr lukratives Geschäft“, wie uns Dr. Wolf-Peter Schill vom DIW Berlin mitteilt. Daraus zu schließen, dass der Ausbau der Infrastruktur für die Antriebswende beim Pkw gesichert sei, sieht der Leiter des Forschungsbereichs Transformation der Energiewirtschaft in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt jedoch skeptisch. Und er weiß, dass sich der Durchbruch bei der Elektromobilität auch deshalb verzögert, weil eine flächendeckende, vor allem aber eine belastbare Infrastruktur in Deutschland noch nicht vorhanden ist.

Regierung will eine Million Ladepunkte bis 2030

Auf diesen Umstand hat auch das Beratungsunternehmen McKinsey bereits in einer 2018 erstellten Studie [1] hingewiesen. Nun, sechs Jahre später, nimmt die Elektromobilität langsam Fahrt auf - auch weil die Ladeinfrastruktur in Deutschland zum Randthema einer flächendeckenden Elektromobilität geworden ist. So listete das Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur zum 1. November 2023 insgesamt 115.308 Ladepunkte auf [2]. Davon sind 93.261 Normalladepunkte mit einer Ladeleistung bis 22 kW und 22.047 Schnellladepunkte mit einer Leistung ab 22 kW. Das ist nur eine Momentaufnahme und mittlerweile veraltet.

Laut Statista sind in den ersten drei Monaten 2024 knapp 1160 neue Ladepunkte hinzugekommen - klingt nicht viel. Vertraut man aber den Planungen der Bundesregierung, sollen bis 2030 insgesamt eine Million Ladepunkte in Deutschland in Betrieb sein. Ein ambitioniertes Unterfangen - wenn man bedenkt, dass aber heute jede Woche rund 1200 Ladepunkte installiert werden müssten. Vielleicht aber erleichtert die Ankündigung auch den Wechsel der Antriebsart vor dem Hintergrund, dass seit Jahren die Anzahl der Tankstellen für konventionelle fossile Kraftstoffe stetig zurückgeht. Zwar sank sie in den vergangenen Jahren in Deutschland nur von 14.410 im Jahr 2010 auf 14.093 im Jahr 2022. Doch hat Shell angekündigt, bis 2030 weltweit 2000 Tankstellen zu schließen - andere Konzerne könnten folgen und diesen Trend noch verstärken.

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© Fenecon

Am 27. März 2024 hat Fenecon seinen neuen Standort zur Produktion von Stromspeichern in Iggensbach in Betrieb genommen. Aktuell sind in der sogenannten CarBatteryReFactory rund 100 Beschäftigte tätig

Lukrativer E-Mobilitätsknoten in Passau installiert

Denn seit Jahren spüren die Tankstellenbetreiber eine zunehmende Zurückhaltung beim Tanken. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre ist laut Achim Bothe, dem Vorstandsvorsitzenden der Aral AG, der Kraftstoffverbrauch um „rund 8 % zurückgegangen“, wie er dem Handelsblatt mitteilte [3]. Um sich auf die Elektromobilität vorzubereiten, will Bothe „in diesem Jahr 100 Millionen Euro investieren“. Bis zum Ende des Jahres 2025 sollen dadurch 5000 neue Aral-Ladepunkte entstehen.

Auch Shell und Exxon Mobil planen ähnliche Ladeparks, um in erster Linie die Attraktivität ihrer Tankstellen aufrechtzuerhalten. Für das niederbayerische Unternehmen MaierKorduletsch in Vilshofen aber ist dies noch lange nicht zu Ende gedacht. Seit über einem Jahrhundert im Geschäft mit Energie, Kraft- und Schmierstoffen hat es vor wenigen Monaten in Passau eigenen Angaben zufolge einen der modernsten Mobilitätshubs in Europa aufgebaut. Neben konventionellen Kraftstoffen und Wasserstoff sind dort auch Ladestationen verfügbar - inklusive eines leistungsstarken, intelligenten 1300-kWh-Industriestromspeichersystems. Das ist ein „höchst zukunftsfähiges Geschäftsmodell“, sagt uns Franz-Josef Feilmeier im Interview.

Ladepark als Schnittstelle für den Arbitragehandel

Feilmeier ist der Geschäftsführer der Fenecon GmbH, die im niederbayerischen Deggendorf ansässig ist und die die Batterien für den Ladepark in Passau geliefert hat, um sie beispielsweise als „Schnittstelle zum Stromverkauf zu positionieren“. So entsteht ein Zugang zu elektrischer Energie, der zu „vielen Zeiten unglaublich günstig“ ist. Durch die Energiequellen Sonne und Wind schwanken die Börsenstrompreise mitunter viertelstündlich sehr stark. Wer das geschickt nutzt, vermeidet Zeiten mit teurem Börsenstrompreis.

Wie hoch das Erlöspotenzial der Großspeicher letztendlich ist, hängt auch stark von der Art der Vermarktung ab, sagt uns Ingo Müller, Vice President von Elli Energy. Die Marke des Volkswagen-Konzerns versteht sich als Mobilitätsdienstleister und bietet eigenen Angaben zufolge ein „breites Portfolio an Energie- und Ladelösungen für Privatkunden und Unternehmen in Europa“ an. Elli selbst ist dabei für Volkswagen vor rund einem Jahr in den Stromhandel eingestiegen - in das sogenannte Arbitrage Trading als Ausnutzung von Kurs- oder Preisunterschieden am Spotmarkt.

Das Geschäft mit der Primärregelleistung

Konkret bedeutet das, die Preisunterschiede desselben Stromprodukts an verschiedenen Märkten oder zu verschiedenen Zeitpunkten im Strommarkt zu nutzen, um risikofreie Gewinne zu erzielen. Für Volkswagen war dies unter anderem Anlass, in einem Test-Powercenter im Volkswagen-Werk Kassel in Baunatal 28 Batteriesysteme und 38 Zellmodule aus dem Kleinstwagen E-Up! zu einem etwa 0,5 MWh großen elektrischen Speicher zusammenzusetzen. Günstiger, regenerativer Strom wird dort zwischengespeichert und bei „hohen Preisen und knappem Angebot wieder ins Netz abgegeben“. Dass sich die Profitabilität derzeit mit etwa 200 Euro im Monat in Grenzen hält, ist für Müller nicht entscheidend.

Auch wenn sich der Ertrag mit Intraday-Handel noch steigern lässt, um den Energiehändler zu bezahlen, müssen durchaus noch andere Größenordnungen erreicht werden. Kassel aber, so stellt Müller klar, dient als Feldversuch, alle Ebenen im Stromhandelssystem zu testen. Die Erfahrungen sollen später in Großprojekten umgesetzt werden. Einen genauen Zeitplan nennt er uns nicht - nur so viel: „Es gibt noch zahlreiche Parameter, die ermittelt und eingeordnet werden müssen. Dazu gehören Erkenntnisse über die Verlustenergie beim Ein- und Ausspeichern, die Zyklenfestigkeit sowie die Degradation der Batteriezellen.“

OEMs an der Epex-Spot-Strombörse

Soweit die technischen Gegebenheiten. Eine ebenso anspruchsvolle Herausforderung ist das Zusammenspiel der Hardware mit der Software und die dahinter gelagerten Prozesse des Stromgroßhandels - alles automatisierte Geschäfte. Gelingt das, so kann die Zulassung als sogenanntes Clearing Member an einer Strombörse wie der europäischen EPEX Spot erfolgen. Volkswagen hat diese Zulassung seit etwas über einem halben Jahr inne und ist damit laut EPEX Spot der erste Automobilkonzern, der in Deutschland in den Stromhandel eingestiegen ist.

Die Idee allerdings, ausgediente Traktionsbatterien als stationäre Stromspeicher zu nutzen, hatten auch schon andere Automobilhersteller. BMW nutzt in Leipzig beispielsweise seit 2017 rund 700 BMW-i3-Akkus als Speicherfarm. Audi setzt seit Ende 2021 auf Lithium-Ionen-Akkus aus Erprobungsfahrzeugen, um seine Charging-Hub-Schnellladestationen zu stabilisieren. Und Daimler Buses hat sich vor Kurzem am Pilotprojekt GUW+ der Üstra Hannoverschen Verkehrsbetriebe AG beteiligt. Gebrauchte Traktionsbatterien aus den eCitaro-Stadtbussen dienen hier als stationäre Stromspeicher mit einer Gesamtkapazität von mehr als 500 kWh.

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© Elli Energy

Die Volkswagen-Marke Elli Energy bietet nicht nur Ladesysteme an, sie erprobt derzeit auch den Einstieg in den Stromhandel. Dafür hat sie im Werk Kassel einen 0,5 MWh großen Stromspeicher aufgestellt

Historische Erlöspotenziale am Spotmarkt

Wann das Gros der Automobilbranche nun im großen Stil den Einstieg in den Stromgroßhandel mit dem Bereitstellen von Primärregelleistung (PRL) und dem Arbitrage Trading wagt, ist derzeit nicht abzusehen. Um bei Schwankungen die Frequenz im Netz zu stabilisieren, werden derzeit auf dem PRL-Strommarkt täglich rund 570 MW Leistung in 4-h-Blöcken ausgeschrieben. Dabei ist der Markt äußerst lukrativ, wie Dr. Alex Schmitt, Leitender Analyst für Energiewirtschaft bei Energy Brainpool, vorrechnet: „Wenn man die für die Zeiträume jeweils durchschnittlichen Preise und eine Verfügbarkeit von 90 % zugrunde legt, so konnte eine Batterie mit einer Speicherleistung von 1 MW und einer Speichertiefe von 1 MWh im Jahr 2022 einen Erlös von rund 180.000 Euro verzeichnen.“

Laut Schmitt werden die Anbieter über eine Auktion am Vortag ermittelt. Um Gebote abgeben zu können, müssen sich potenzielle Anbieter allerdings „präqualifizieren“. Zur konkreten Kalkulation sagt er: „Anfang 2023 betrug die gesamte präqualifizierte Leistung in Deutschland knapp 7 GW. Davon entfielen auf Batteriespeicher 630 MW - mit steigender Tendenz.“ Dies entspreche historischen Erlöspotenzialen am Spotmarkt.

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© Andreas Burkert

Mit etwa 52 % erreicht der Anteil der erneuerbaren Energieträger in Deutschland einen historischen Höchstwert. Damit die fragile Netzinfrastruktur belastbar bleibt, wächst der Bedarf an Speicherkapazität

Intelligentes Strombezugssystem

Der Regelleistungsmarkt war in den vergangenen Jahren für stationäre Batteriespeicher besonders interessant. Darauf weist uns Schill hin und gibt eine Empfehlung: „Mit zunehmender Sättigung dieses Markts - sowie Preisspreizungen - gewinnen Arbitragegeschäfte am Großhandelsmarkt an Bedeutung.“

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© Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)

Kostenprognose für in Elektrofahrzeugen (BEV) genutzte und stationäre (ESS) Lithium-Ionen-Batterie-Packs. Die Daten hat das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aus verschiedenen Marktstudien zusammentragen lassen

Aber selbst, wenn die „Amortisationszeit nicht direkt bei null liegt, amortisieren sich Speicher in der Lastspitzenkappung und im intelligenten und günstigen Strombezug in der Regel in unter fünf Jahren“, so wiederum Feilmeier. In seiner Kalkulation sind dabei auch die am Energiemarkt generierten Einnahmen berücksichtigt. Vor allem die „extremen Preis-Spreads im Großhandel im Jahr 2022 haben diversen Speichern, die im Arbitragebereich unterwegs waren, die Amortisationszeiten stark verkürzt“. Hinzu kommt, dass die Preise für Stromspeicher einen regelrechten Sinkflug hingelegt haben. Innerhalb eines Jahrzehnts sind die Preise für Lithium-Ionen- Akkus laut Statista [4] von 723 US- Dollar pro kWh im Jahr 2013 auf 152 US-Dollar pro kWh im Jahr 2023 gefallen.

Kumulierte Speicherkapazität liegt schon bei 12 GWh

Zwar stieg der Preis pro kWh in den vergangenen zwei Jahren leicht an, Feilmeier ist sich aber sicher, dass eine „weitere Kostensenkung beziehungsweise Kapazitäts- und Effizienzsteigerung von 5 bis 10 % pro Jahr realistisch sind“. Die Preisentwicklung liegt im Übrigen auf der Zielgeraden, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in seinem im September 2022 veröffentlichten Netze-Schlussbericht [5] prognostiziert hat.

Dass nun ein 1 MWh großer stationärer Speicher, verpackt in einem Schiffscontainer und mit der benötigten Elektronik ausgestattet, bei Alibaba für derzeit 200.000 US-Dollar angeboten wird und damit bei rund 200 US-Dollar pro kWh liegt, ist dem Umstand geschuldet, dass elektrische Speicher für Automobile in wesentlich größeren Stückzahlen und damit günstiger hergestellt werden können. Dennoch hat sich der Markt für Großspeicher mit etwa 1,3 GWh zum zweitgrößten Markt für stationäre Batterien entwickelt. 77 % davon sind laut Energy Brainpool im Segment 10 MWh zu finden. Rund 18 % verfügen über eine Kapazität von 10 bis 20 MWh - nur wenige Anlagen sind größer.

Wie uns Schill erläutert, sind derzeit „in Deutschland über 8 GW in stationären Batteriespeichern installiert mit einer kumulierten Speicherkapazität von gut 12 GWh“. Der Großteil davon sind jedoch Heimspeicher zur Photovoltaik-Eigenbedarfsoptimierung, „die derzeit noch kaum systemorientiert betrieben werden“. Das Segment großer, marktorientiert betriebener Batteriespeicher hingegen ist mit gut 1 GW deutlich kleiner. „Diese Speicher dürften zu einem großen Teil im Regelleistungsmarkt unterwegs sein.” Tendenz stark steigend, und seiner Ansicht nach ist bei „Batteriespeichern mit einem erheblichen weiteren Wachstum zu rechnen“.

Rasantes Wachstum um jährlich 30 %

Bis 2030 soll die Nachfrage nach Batteriespeichern von heute 700 GWh um jährlich 30 % auf dann 4700 GWh wachsen“, schreibt McKinsey in seiner Batteriestudie [6]. In Umsatz ausgedrückt: Es wird die 400-Milliarden-US- Dollar-Schwelle erreicht. „Mit 4300 GWh entfällt der größte Teil der Nachfrage allerdings auf Batterien für Anwendungen in der Mobilität, der Rest auf stationäre Energiespeicher (rund 300 GWh) und Batterien für Unterhaltungselektronik (etwas 100 GWh). Zum Einsatz kommen mit über 98 % Verbreitung vorwiegend Lithium-Ionen-Akkumulatoren. Zwar werden auch Blei-Säure-, Redox-Flow- und Salzwasserbatterien genutzt, ihr Anteil ist jedoch mit unter 2 % verschwindend gering.

Literaturhinweise

  1. [1]

    Engel, H.; Hensley, R.; Knupfer, S.; Sahdev, S.: Charging ahead: Electric-vehicle infrastructure demand. Online: https://www.mckinsey.com/~/media/McKinsey/Industries/Automotive%20and%20Assembly/Our%20Insights/Charging%20ahead%20Electric-vehicle%20infrastructure%20demand/Charging-ahead-electric-vehicle-infrastructure-demand-final.pdf, aufgerufen: 18. April 2024

  2. [2]

    Bundesnetzagentur (Hrsg.): Elektromobilität: Öffentliche Ladeinfrastruktur. Online: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/E-Mobilitaet/start.html, aufgerufen: 18. April 2024

  3. [3]

    Kolf, F.; Krapp, C.: So bereiten sich Shell, Aral und Co. auf das Verbrenner-Aus vor. Online: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energie-so-bereiten-sich-shell-aral-und-co-auf-das-verbrenner-aus-vor/29279812.html, aufgerufen: 18. April 2024

  4. [4]

    Statista (Hrsg.): Weltweite Preisentwicklung für Lithium-Ionen-Akkus in ausgewählten Jahren von 2013 bis 2023. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/534429/umfrage/weltweite-preise-fuer-lithium-ionen-akkus/, aufgerufen: 19. April 2024

  5. [5]

    Consentec (Hrsg.): Batteriespeicher in Netzen. Schlussbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), Projekt-Nr. 33/18. Online: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/studie-batteriespeicher-in-netzen-schlussbericht.pdf, aufgerufen: 18. April 2024

  6. [6]

    Fleischmann, J. et al.: Battery 2030: Resilient, sustainable, and circular. Online: https://www.mckinsey.com/industries/automotive-and-assembly/our-insights/battery-2030-resilient-sustainable-and-circular#/, aufgerufen: 18. April 2024