In den USA sind Elektro-Pkw bisher nur regional erfolgreich. Mit dem Inflation Reduction Act der Biden-Regierung ist allerdings neuer Schub zu erwarten. Dabei hat der US-Markt seine ganz eigenen Herausforderungen, ob bei Nutzfahrzeugen, Pick-up-Trucks oder der Energieinfrastruktur.

Wo stehen die USA bei der Elektrifizierung, verglichen mit China und Europa? Laut Internationaler Energieagentur (IEA) wurden 2022 in China 4,4 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicles, BEVs) der Kategorie Light Duty verkauft. In Europa waren es demnach 2,7 Millionen, in den USA nur annähernd 800.000 [1]. Gemäß US-Definition reicht Light Duty bis hin zu einer zulässigen Gesamtmasse (zGM) von 4536 kg - vereinfacht gesagt vom kleinen Pkw bis hin zum schweren Pick-up-Truck. Anhand der Zahlen darauf zu schließen, dass die US-Amerikaner die Elektromobilität „verschlafen“ haben, wäre allerdings zu einfach. Marktforschungsunternehmen wie die Boston Consulting Group erwarten bereits in den nächsten Jahren ein erhebliches Wachstum.

Die Verbreitung von Elektroautos ist innerhalb der USA sehr uneinheitlich. 2022 veröffentlichte die US-Website Electrek interessante Zahlen [2]: Demnach entfielen 2021 42 % der neuzugelassenen Elektroautos auf Kalifornien, 5,7 % auf Florida, 5,1 % auf Texas, 5 % auf Washington State und 3,2 % auf New York - der Rest auf alle übrigen Staaten. Es gibt ein großes Gefälle zwischen urbanen und ländlichen Regionen, das es nahelegt, verschiedene Wege gehen zu müssen, um die CO2-Emissionen zu senken.

Inflation bekämpfen heißt Elektrifizierung vorantreiben

Die Herangehensweise ist in den USA vergleichsweise pragmatisch und technologieoffen. Das zeigt sich auch an den staatlichen Maßnahmen wie dem Inflationsbekämpfungsgesetz (Inflation Reduction Act, IRA), das 2022 vom US- Kongress beschlossen wurde. Generell handelt es sich dabei um Bestrebungen, 40 % weniger Treibhausgasemissionen im Vergleich von 2030 zu 2005 zu erzeugen - ob in Industrie, Infrastruktur, Haushalten oder Verkehr. Es geht aber auch darum, die US-amerikanische Wirtschaft zu fördern. „Make it in America“ ist ein wesentlicher Aspekt der Fördermaßnahmen, was in Europa zum Teil kritisch gesehen wird [3].

Neben Fördermaßnahmen zur Erneuerung und Schaffung der Energieinfrastruktur gibt es spezielle finanzielle Anreize für den Verkehrsbereich. So erhalten Endkunden im Rahmen des Clean Vehicle Credit bis zu 7500 US-Dollar beim Kauf eines „sauberen“ Neuwagens, sofern er in den USA gebaut wurde und bestimmte Anforderungen bei der Gewinnung und Verarbeitung seltener Materialien erfüllt sind. Als sauber gelten dabei nicht nur BEVs, sondern auch Brennstoffzellen- (FCEV) und Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEV). Bis zu 4000 US-Dollar können Käufer eines gebrauchten BEV oder FCEV erhalten, wenn sie dadurch eines mit konventionellem Antrieb ersetzen. Nutzfahrzeuge können beim Wechsel auf einen elektrischen Antrieb mit bis zu 30 % der Kosten bezuschusst werden, im Fall eines Hybridantriebs mit 15 %.

Neben Wasserstoff werden auch Ethanol, Biodiesel und weitere alternative Kraftstoffe, also auch E-Fuels, gefördert. Hier hat die US-Regierung besonders ländliche Gebiete im Blick, wo die eine Ladeinfrastruktur für BEVs schwieriger umzusetzen ist. Die Liste ließe sich fortsetzen, doch klar ist: Die USA bemühen sich intensiv um eine CO2-reduzierte Mobilität über alle verfügbaren technischen Pfade. Das Ziel der Biden-Administration ist, dass bis 2030 mindestens 50 % der Fahrzeuge Nullemissionsfahrzeuge sind.

Elektrifizierte Nutzfahrzeuge stärker fördern

Für den Langstreckentransport wird man insbesondere in den Flächenstaaten im Landesinneren noch länger synthetische oder Biokraftstoffe benötigen. Unabhängig davon gibt es erhebliche Entwicklungstätigkeiten bei Brennstoffzellen- und vollelektrischen Nutzfahrzeugen. Nikola - um beispielhaft einen Hersteller zu nennen, der beides verfolgt - bietet in Serie mit dem Tre BEV ein vollelektrisches Zugfahrzeug der Klasse 8 an. Es bietet derzeit eine Reichweite von 521 km, die Ladezeit beträgt 90 min. Die Klasse 8 steht für Nutzfahrzeuge mit mehr als 14.969 kg zGM. Für die zweite Jahreshälfte 2023 ist der Serienstart des Tre FCEV mit Brennstoffzelle angekündigt, der vorläufig auf 805 km Reichweite ausgelegt ist und in 20 min mit Wasserstoff vollgetankt werden kann.

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© [M] Statista | Boston Consulting Group

Anteile der Antriebsarten am Absatz von Light Vehicles in den USA im Jahr 2020 und Prognosen für 2025, 2030 und 2035

In Kalifornien werden im sogenannten HVIP-Förderprogramm [4] emissionsfreie Nutzfahrzeuge derzeit mit erheblichen Summen bezuschusst; die Unterstützungen können pro Fahrzeug bis zu 240.000 US-Dollar betragen. Dafür gelistet sind zurzeit BEVs und FCEVs der Marken BYD, Freightliner (Daimler Truck), Hyundai, Hyzon, Kenworth, Lion, Nikola, Peterbilt und Volvo Trucks. Das Programm umfasst auch Fördertöpfe für Fahrzeugtypen wie Lieferfahrzeuge, Schulbusse etc. So wird es beispielsweise Kommunen mit Summen bis annähernd 200.000 US-Dollar vergleichsweise einfach gemacht, auf lokal emissionsfreie Fahrzeuge umzusteigen.

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© Nikola

Nikola setzt in den USA sowohl auf batterieelektrischen als auch auf Brennstoffzellenantrieb: Tre BEV (links) und Tre FCEV (rechts)

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© Ford

Der Ford F-150 Lightning ist in den USA ein Vorreiter bei den batterieelektrischen Pick-up-Trucks

Pick-up-Trucks elektrifizieren

Eine Eigenheit des US-amerikanischen Pkw-Markts besteht in der großen Bedeutung der Pick-up-Trucks, die auch als Alltagsfahrzeuge äußerst beliebt sind. Der Ford F-150 zum Beispiel führt seit Jahrzehnten die US-Zulassungsstatistik der Kategorie Light Vehicles an. 2021 kam die elektrifizierte Variante Lightning auf den Markt. Konkurrenz gibt es derzeit durch den Hummer EV und den Rivian R1T. Das Segment wächst recht schnell: Angekündigt sind Chevrolet Silverado, GMC Sierra, RAM 1500 und einige weitere Modelle, auch von Start-ups. Der Tesla Cybertruck wurde 2019 erstmals gezeigt, einen Termin für seine Serienfertigung gibt es aber Stand Juli 2023 nach wie vor nicht.

Nicht jeder Markteintritt klappt reibungslos: Ende Juni 2023 musste das Start-up Lordstown Insolvenz beantragen. Die Marke ist nach der Ortschaft Lordstown, Ohio, benannt, wo Foxconn als Investor eine frühere GM-Fabrik gekauft hatte. Allerdings ist der Preiskampf bei den elektrischen Light Vehicles hart - laut mehrerer US-amerikanischer Medienberichte stieg Foxconn aus, nachdem bekannt wurde, dass die Produktionskosten den avisierten Verkaufspreis von 65.000 US-Dollar übersteigen werden. Zum Vergleich: Ford hat den Einstiegspreis für den Lightning zuletzt auf rund 52.000 US-Dollar gesenkt.

Technisch sind die elektrischen Pick-up-Trucks in zweierlei Hinsicht eine Herausforderung: Zum einen müssen sie durch Beladung und/oder Anhängerbetrieb erhebliche Lasten auf der Hinterachse bewältigen. Privat genutzte Pick-up-Trucks reichen in der Regel bis in die Klasse 2b, also einer zGM unter 4536 kg. OEMs und Zulieferer wie Magna, ZF, American Axle etc. setzen daher auch für elektrifizierte Pick-ups auf Starrachsen, die diesen Lasten standhalten. Neben ihrer Robustheit haben diese sogenannten Beam Axles den Vorteil, dass der Radsturz unabhängig von der Beladung ist.

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© Stellantis

Stellantis will ausgehend von Europa vier BEV-Plattformen weltweit etablieren, hier die STLA-Plattform für das C- und D-Segment

Die eigentliche Herausforderung ist aber die elektrische Reichweite. Der Ford F-150 Lightning in Spitzenausstattung und mit 131-kWh-Batterie zum Beispiel wiegt 2990 kg. Die Reichweite nach EPA-Testzyklus ist mit 483 km angegeben. Real ermittelte das US-Magazin Motortrend 15 % weniger Reichweite bei 113 km/h [5]. Dabei sind Einflüsse wie Kälte oder der für US-amerikanische Kunden wichtige Anhängerbetrieb noch nicht einmal berücksichtigt. Auf dem CTI-Symposium 2023 in Novi bei Detroit zeigte Jeff Hemphill, Vice President und Chief Technical Officer von Schaeffler, in einem Vortrag, dass bei einer Bergfahrt mit Anhänger der Energiebedarf um fast das Vierfache steigen kann. Er sieht daher bei dieser Fahrzeugkategorie nach wie vor Bedarf für (P)HEVs. Ihre klassische Rolle als „Zugpferd“ können vollelektrische Pick-up-Trucks vorläufig nur bedingt übernehmen.

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© Electrify America

Electrify America möchte als einer von mehreren Ladeinfrastrukturanbietern sein Netz auch zunehmend im Landesinneren der USA ausbauen

OEMs stellen Pläne für elektrifizierte Pkw vor

Was die Elektrifizierung von Pkw generell betrifft, positionieren sich die US-OEMs unterschiedlich. General Motors propagiert „Zero crashes, zero emissions, zero congestion“ - mittlerweile kurz als „Zero, Zero, Zero“ zusammengefasst. Das Unternehmen setzt stark auf eine batterieelektrische Zukunft und engagiert sich mit Partnern wie EVGo für den schnellen Ausbau einer Schnellladeinfrastruktur.

Ford stellt sich etwas breiter auf: Auf dem CTI-Symposium 2022 in Novi sagte Dave Felipe, Vice President Vehicle Hardware Modules von Ford, dass man auch Verbrennungsmotoren noch wird verbessern müssen. Denn Ford setzt weiter auf Hybridantriebe, übrigens auch hier differenziert: Neben leistungsverzweigten Hybriden gibt es weiterhin Parallelhybride wie den F-150 Powerboost, in dem ein Verbrennungsmotor mit rund 300 kW mit einem 30-kW-E-Motor kombiniert wird. Am Rande bemerkt: Die 1,5-kW-Batterie kann unterwegs zur Stromversorgung von Werkzeugen etc. verwendet werden. Nutzwert, „Utility“, ist für US-amerikanische Kunden eine Kernanforderung.

Micky Bly, Senior Vice President Global Propulsion Systems von Stellantis, sagte 2022 in Novi, dass man bis 2030 in den USA einen Absatz von 50 % BEVs erwarte, in Europa seien 100 % avisiert. Stellantis vertreibt in Nordamerika neben Jeep auch Marken wie Dodge, RAM und Chrysler, die in Europa wenig verbreitet sind. Chrysler hat immerhin bereits angekündigt, dass alle Fahrzeuge der Marke 2028 vollelektrisch sein sollen. Im Juli 2023 hat Stellantis seine globale STLA-Plattform für das C- und D-Segment vorgestellt, die „best-in-class“-Reichweiten von bis zu 700 km ermöglichen soll. Drei weitere Plattformen für andere Segmente sollen folgen.

Ladeinfrastruktur standardisieren

Was viele US-Amerikaner bisher vom Kauf eines BEVs abhält, ist die „Charging Anxiety“, also die Angst vor mangelnder Ladeinfrastruktur oder fehlerhaft funktionierenden Ladestationen. Allerdings nimmt diese mit der Qualität und der Breite der Ladeinfrastruktur ab. Im Frühsommer 2023 gab es eine interessante Entwicklung: Zunächst Ford, dann GM und mittlerweile auch Rivian, Polestar, Volvo und Mercedes-Benz kündigten an, zukünftig dem Ladesteckerstandard North American Charging System (NACS) von Tesla zu folgen. Ebenso gehen Ladeinfrastrukturanbieter wie Electrify America und EVGo diesen Schritt.

Der Schwenk dieser Automobilhersteller weg vom Combined Charging System (CCS) ist weniger ein Kompatibilitätsthema, denn es gibt Adapter für die Nutzung von NACS zu CCS und umgekehrt. Die wichtigere Botschaft ist, dass die Standardisierung über verschiedene Interessensgruppen hinweg vorangetrieben wird. An dieser Stelle noch etwas zu den Zielen der US-Regierung [6]: Bis 2030 sollen im Land 1,2 Millionen öffentliche Ladepunkte aufgebaut werden. Dafür sollen bis zu 55 Milliarden US-Dollar öffentlicher und privater Gelder investiert werden. Die SAE teilte am 27. Juni 2023 mit, dass sie erwägt, den NACS in einen Standard zu überführen, der es allen Automobilherstellern und Fahrern von Elektroautos ermöglichen soll, diesen zu nutzen. Bereits Ende 2022 hatte Elon Musk den Tesla-Ladestecker zur „Open Source“ erklärt.

Am 26. Juli 2023 dann die nächste Nachricht: BMW, General Motors, Honda, Hyundai/Kia, Mercedes-Benz und Stellantis gründen ein neues Gemeinschaftsunternehmen, das ab 2024 ein Netz von Schnelllademöglichkeiten in Nordamerika aufbauen will - es soll sowohl CCS als auch NACS unterstützen. Der Wettbewerb im Bereich der Ladeinfrastruktur scheint gerade erst in Gang zu kommen.

Literaturhinweise

  1. [1]

    IEA (Hrsg.): Global EV Outlook 2023. Online: https://www.iea.org/reports/global-ev-outlook-2023, License: CC BY 4.0, aufgerufen: 24. Juli 2023

  2. [2]

    Doll, S.: Current EV registrations in the US: How does your state stack up and who grew the most YOY?. Online: https://electrek.co/2022/08/24/current-ev-registrations-in-the-us-how-does-your-state-stack-up, aufgerufen: 24. Juli 2023

  3. [3]

    Koellner, C.: Was bedeutet der Inflation Reduction Act für die Autoindustrie? Online: https://www.springerprofessional.de/link/24608036, aufgerufen: 24. Juli 2023

  4. [4]

    California HVIP (Hrsg.): Incentives for Clean Trucks and Buses. Online: https://californiahvip.org, aufgerufen: 24. Juli 2023

  5. [5]

    Tingwall, E.: Ford F-150 Lightning Real-World Range and Fast-Charging Test: How Far and How Fast?. Online: https://www.motortrend.com/reviews/2022-ford-f-150-lightning-platinum-range-max-charging-test-review, aufgerufen: 24. Juli 2023

  6. [6]

    The White House Washington (Hrsg.): Building a clean energy economy. Guidebook. Version 2. Online: https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2022/12/Inflation-Reduction-Act-Guidebook.pdf, aufgerufen: 24. Juli 2023