Bei industriellen Kleb- und Abdichtprozessen ist höchste Präzision gefragt. Mit hoher Geschwindigkeit muss Material an den richtigen Stellen aufgetragen werden. Bei konventionellen Lösungen sind Roboter und Dispensing-Einheit voneinander getrennt, die jeweils eine eigene Steuerung benötigen. Eine integrierte Gesamtlösung mit einer einheitlichen Steuerung aller Systeme kann hingegen die Prozessgeschwindigkeit erhöhen, die Produktivität steigern, die Qualität auf konstant hohem Niveau halten und das Handling vereinfachen.

Um Bauteile im Rahmen industrieller Montageprozesse zusammenzufügen, gewinnt das Kleben zunehmend an Bedeutung. Gegenüber anderen Fügetechniken wie Verschrauben, Schweißen, Vernieten oder Löten überzeugt das Kleben mit einigen zentralen Vorteilen: So lassen sich damit auch Teile aus unterschiedlichen Materialien wie Metall und Kunststoff miteinander verbinden. Dies erlaubt deutlich mehr Flexibilität in der Konstruktion und Entwicklung. Darüber hinaus wird - anders als beim Schweißen - nicht in die Materialsubstanz eingegriffen, was Beschädigungen vermeidet. So werden wegen der vielen Vorteile immer mehr industrielle Fügeprozesse in verschiedensten Branchen flächendeckend auf Kleben umgestellt.

Dabei sind unterschiedliche Trends sichtbar: Beispielsweise lässt sich eine Entwicklung hin zu dünneren Klebschichten und einer großflächigen, anstatt wie bisher eher punktuellen Kraftübertragung beobachten. Gefragt sind zudem eine einfache und intuitive Bedienbarkeit der Systeme sowie eine immer höhere Genauigkeit. Häufig besteht die Anforderung darin, winzige Dosierpunkte in einem sehr großen Feld zu setzen.

Automobilindustrie benötigt hochpräzise Klebverfahren

Auch wenn das Kleben branchenübergreifend zum Einsatz kommt, zählt es insbesondere im Automobilsektor und der Zulieferindustrie zu den wichtigsten Fügetechniken. Da in modernen, vernetzten Fahrzeugen immer mehr Elektronik-Bauteile wie Kameras und Sensoren verbaut werden, steigt hier der Bedarf an Klebprozessen rapide an. Um diese zu verschlanken und wirtschaftlicher zu gestalten, ist eine zunehmende Automatisierung erforderlich. Und schließlich verlangt auch die Elektromobilität nach ebenso flexiblen wie hochpräzisen Dosier- und Klebverfahren. Nur so lässt sich die erforderliche Qualität der Produkte gewährleisten, was beispielsweise das Risiko von Batteriebränden minimiert und ein Höchstmaß an Sicherheit garantiert.

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Das Integrated Dispensing Function Package (IDFP) ist ein integriertes Komplettpaket, das alle Lösungskomponenten in einem einzigen System kombiniert.

Im Rahmen des Klebeprozesses wird zunächst ein Dosierer am Roboterarm mit dem zu applizierenden Klebstoff gefüllt. Der Kolbendosierer bringt das Material anschließend auf das entsprechende Bauteil auf. Die Versorgung des Dosierers erfolgt dabei über eine integrierte Pumpe. Für optimale Ergebnisse ist hierbei ein perfektes Zusammenspiel von Dosiersystem und Robotersteuerung erforderlich. Um eine maximale Performance und konstant hohe Qualität zu erreichen, müssen beide Systeme absolut synchron arbeiten. Bei konventionellen Ansätzen stammen die Robotertechnologien und das Equipment für das Aufbringen (Dispensing) der Klebstoffe von unterschiedlichen Herstellern mit jeweils eigenen Steuerungskomponenten. Hier müssen die beiden Systemwelten synchronisiert und einheitliche Steuerungsprozesse implementiert werden, was sich aufwendig und teuer gestaltet. Sinnvoller ist es, den gesamten Dispensing-Workflow in einem ganzheitlichen und durchgängigen Lösungsansatz abzubilden.

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Dank adaptiver Viskositätsanpassung kann das System automatisch auf sich ändernde Parameter reagieren.

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Hochpräzise Dosier- und Klebverfahren sind entscheidende Sicherheits- und Qualitätsvoraussetzung beim industriellen Kleben.

Komplettpaket für automatisiertes Dispensing

ABB geht diesen Weg mit dem Integrated Dispensing Function Package (IDFP). Hierbei handelt es sich um ein integriertes Komplettpaket, das alle Lösungskomponenten in einem einzigen System kombiniert: elektrisch angetriebene Dosierer, Applikatoren, Schläuche, Einheiten zur Materialtemperierung sowie eine Pumpe zur Materialversorgung. Sämtliche Module werden dabei von der Robotersteuerung IRC5 von ABB angesteuert. Zusätzlich kommt bei Bedarf ein Vision-System zur Lagekorrektur oder Qualitätssicherung zum Einsatz.

Der ganzheitliche Ansatz inklusive zentraler Steuerung aller Komponenten birgt vielfältige Vorteile in sich: So lässt sich damit im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen die Prozessgeschwindigkeit des Roboters um bis zu das Dreifache beschleunigen. Anwender profitieren von kürzeren Zykluszeiten, einer höheren Produktivität und Kosteneinsparungen. Dabei wird die Menge der ausgebrachten viskosen Materialien automatisch mit der Robotergeschwindigkeit synchronisiert und kontinuierlich überwacht, was eine konstant hohe Qualität der Klebnähte gewährleistet.

Ein weiterer Vorteil: Durch den Wegfall von Schnittstellen reduziert sich die Komplexität. Prozessparameter werden zusammen mit der Programmierung der Robotersteuerung optimiert, sodass sich Änderungen von Bauteilen einfacher und kostengünstiger realisieren lassen. Darüber hinaus ermöglicht die individuell anpassbare, grafische Benutzeroberfläche auf dem Bedienhandgerät eine einfache und sichere Bedienung des Funktionspaketes und visualisiert alle prozessrelevanten Daten übersichtlich.

KI erkennt Materialunterschiede

Zudem bringt die Lösung auch künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Denn das vom Kunden gelieferte Material unterscheidet sich je nach Anwendungsfall hinsichtlich der Viskosität und chemischen Zusammensetzung. Die veränderten Randbedingungen können die Fügeprozesse beeinträchtigen.

Abhilfe schafft ein selbstlernendes KI-System, das ABB in das Package integriert hat. Es überwacht den gesamten Workflow lückenlos, erkennt Unterschiede in den Applikationen, nimmt Daten auf und ermittelt auf dieser Basis einen Trend hinsichtlich der Entwicklung des gelieferten Materials. Dabei wird beispielsweise erkannt, ob sich die Eigenschaften wie die Viskosität verschieben. Auf dieser Basis kann das System schnell reagieren und die Parameter flexibel anpassen (adaptive Viskositätsanpassung).

Durch einen Vergleich mit den vorherigen Applikationszyklen erkennt das System Abweichungen und passt sich automatisch den veränderten Gegebenheiten an. Auch die Temperatur des Materials wird konstant gemessen und überwacht. Abweichungen vom Sollwert werden dabei nur innerhalb definierter Grenzen toleriert. Das System stellt die Werte entsprechend ein, um einen optimalen Klebprozess zu gewährleisten. Ein Sensor im Dosierer kontrolliert kontinuierlich den Druck in der Applikation und sorgt dafür, dass das Material korrekt aufgetragen wird.

Konstant hohe Qualität und minimierte Stillstandzeiten

Diese Mechanismen tragen allesamt dazu bei, die Qualität der geklebten Produkte auf einem konstant hohen Niveau zu halten und Stillstandzeiten zu minimieren. Zudem lässt sich durch den hohen Automatisierungsgrad und die adaptive Anpassung ein manuelles Eingreifen auf ein Minimum reduzieren. Fehler können schneller gefunden und behoben werden.