Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Eine große Bandbreite an Forschungsthemen der Pflegewissenschaft und des Arbeitsbereichs der Gesundheits- und Krankenpflege zeigen die Beiträge der ersten Ausgabe von HeilberufeScience im Jahr 2022 auf. Von der Systematisierung der Arbeit über den wichtigen Aspekt des Patientenmanagements und der Patientenschulung bis zum eigenen Erleben von Konflikten und den Möglichkeiten, mit schwierigen Situationen umzugehen.

Schumacher et al. haben die Skala Recognizing Acute Delirium As part of your Routine (RADAR) zur Delirrisikoeinschätzung untersucht und stufen sie als valides und akzeptiertes Instrument ein. Krüger et al. evaluierten die Pflegevisite auf der Intensivstation und fanden, dass sie aus Sicht der Pflegenden ein hilfreiches, praxisnahes Instrument darstellt. Qin et al. untersuchten die Anforderungen von Gesundheitsexpertinnen und -experten an ein dem österreichischen Kontext angepasstes, pflegegeleitetes Sekundärpräventionsprogramm für Menschen nach akutem Koronarsyndrom. Sie kommen zum Schluss, dass das zu entwickelnde Programm dazu dienen kann, die nichtmedikamentöse Sekundärprävention bei den Betroffenen im Akutkrankenhaus zu initiieren und nach der Entlassung fortzuführen. Voraussetzung für den Erfolg sind entsprechende Rahmenbedingungen mit spezialisierten Pflegekräften. Patientenschulung steht auch im Fokus der Studie von Meyer et al. Sie beschäftigten sich in einem Scoping Review mit den Edukationsbedarfen von Kindern mit Brandverletzung und deren Eltern im stationären Setting. Im Verlauf der Behandlung ergeben sich unterschiedliche Bedarfe, so ihr Ergebnis: „Besondere Etappen (z. B. die Entlassung, Verbandwechsel) erfordern einen erhöhten Bedarf an emotionaler und psychosozialer Entlastung, Unterstützung und/oder Information und Aufklärung.“ Die besonders vulnerable Bevölkerungsgruppe der Kinder mit einem psychisch kranken Elternteil und deren Bedürfnisse untersuchten Stübe et al. in einer narrativen Literaturübersicht. Pflegepersonen sollten die Kinder eines psychisch erkrankten Elternteils im stationären Setting mitbetreuen, ihre Situation wahrnehmen, Gesprächstermine mit den betroffenen Kindern planen und spezielle Edukationsprogramme im Sinne der Psychoedukation für sie anbieten, stellen die Autoren fest. Besonders wichtig ist die offene Kommunikation mit ihnen.

Die Belastungen der Pflegepersonen in der Altenpflege während der COVID-19-Pandemie waren besonders hoch und können bezüglich ihrer moralischen Verantwortung Dilemmata hervorrufen – zwischen dem eigenen Anspruch und den tatsächlichen Möglichkeiten, wie Begerow et al. berichten. Wenn Pflegende ihr eigenes Arbeitsumfeld gestalten und fachliche Versorgungsentscheidungen selbstständig übernehmen können, kann dies zu einer deutlichen Entlastung führen. Dafür müssen in den Institutionen die entsprechenden Möglichkeiten geschaffen werden. Auch Gewalterfahrungen sind für Pflegekräfte oft Teil des belastenden Alltags – sowohl gegenüber den Pflegepersonen selbst als auch gegenüber den Patienten. Kraft fand, dass Pflegende Gewalt gegenüber Patienten in allen Formen wahrnehmen und die Ursache dafür im Fachkräftemangel und dessen Auswirkungen sehen. Eine entsprechende Sensibilisierung der Pflegenden und Maßnahmen, die den Personalnotstand in der Pflege minimieren, wären für eine Besserung der Situation notwendig.

Die Pandemie hat den Bewegungsradius und auch die sozialen Kontakte gerade bei älteren Personen stark eingeschränkt. Seifert et al. erhoben in einem kleinen Kollektiv in der Schweiz die subjektive Wahrnehmung dieser Einschränkungen und hoffen, dass die Ergebnisse zur Diskussion anregen werden. Pflegende Angehörige von onkologischen Patienten in einem regionalen Einzugsgebiet gaben in einer Befragung durch Drossel et al. an, dass es Defizite in der Verfügbarkeit von Hilfsangeboten, die speziell an informell Pflegende gerichtet sind, gibt. Eine Stärkung der informell Pflegenden könnte durch gezielte, frühzeitige Information und Beratung über Unterstützungsleistungen und eine Erweiterung des Angebotsspektrums erreicht werden.

Nicht nur die Themenbreite ist für die Vielfältigkeit der Gesundheits- und Krankenpflege bezeichnend, auch die methodologische Vielfalt in den Beiträgen der aktuellen Ausgabe gibt einen guten Überblick, mit welchen Instrumenten den durchwegs aus der Praxis stammenden und für diese höchst relevanten Fragestellungen nachgegangen wird. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Lebendigkeit der Pflegewissenschaft.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und gute Lösungen für die Zukunft

Ihre Verena Kienast

Redakteur Springer Medizin/Springer Pflege