Der deutsche Gasmarkt befindet sich derzeit in einer Umbruchphase. Die Veränderungen werden maßgeblich von geopolitischen Entwicklungen, Umweltauflagen und der sich wandelnden Energiepolitik beeinflusst. Die Bundesregierung hat hier mit einer Reihe von Maßnahmen gegengesteuert, um Versorgungssicherheit und Preisstabilität zu fördern.

Vor allem der Krieg in der Ukraine hat für große Verunsicherung gesorgt, auch wenn die Preiserhöhungen bereits ein halbes Jahr früher einsetzten. Im Herbst 2021 begann der Gaspreis sich zeitweise zu verzehnfachen. Gründe dafür waren Nachfragestörungen vor allem in Asien nach der Corona-Krise und die anziehende Konjunktur, in der nicht so schnell gefördert werden konnte, wie der Markt es brauchte.

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© Bundesnetzagentur.

Bei der Bundesnetzagentur laufen alle Fäden für die deutsche Gasversorgung zusammen.

Nach Kriegsbeginn hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen zur Sicherung der Gasversorgung in Deutschland und Europa ergriffen.

Notfallplan seit Juni 2022

Seit dem 23. Juni 2022 gilt die Alarmstufe des Notfallplans, mit dessen Hilfe die Bundesnetzagentur (BNetzA) in den Markt eingreifen und knappe Gasmengen verteilen kann (nur bei Ausrufen der Notfallstufe). Die BNetzA beobachtet die Lage genau und steht in engem Kontakt zu den Netzbetreibern. Die Gasversorgung in Deutschland ist inzwischen stabil. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Die Ausgangslage für den Winter 2023/24 ist deutlich besser als vor einem Jahr, jedoch verbleiben Restrisiken.

Auch die sollen minimiert werden, so etwa durch verpflichtende Speicherfüllstände. Um die Gasversorgung für den kommenden Winter zu sichern, muss jeweils bis zum 1. Oktober ein Speicherfüllstand von 85 % und jeweils bis 1. November von 95 % erreicht werden. Der Gesamtspeicherstand in Deutschland liegt aktuell bei 99,8 %.

Zuvor gab es lediglich eine Selbstverpflichtung der Gaswirtschaft zur Aufrechterhaltung der Versorgung im Krisenfall für mindestens 980 Tage, die jedoch insbesondere vom russischen Speicherbetreiber Astora im Winter 2021/2022 unterlaufen wurde. Auch aus diesem Grund wurde die Betreiberfirma verstaatlicht und unter die Kontrolle der Bundesnetzagentur gestellt.

Die Gasversorgung in Deutschland ist inzwischen stabil.

Importströme schnell umgestellt

Auch die Importströme wurden umgestellt. Bis 2021 waren gut 40 bis 50 % des hier verbrauchten Erdgases aus Russland über Pipelines gekommen. Deutschland hat binnen eines halben Jahres seine Importeure diversifiziert. LNG (Liquefied Natural Gas) aus verschiedenen Quellen, darunter die USA, Katar und Norwegen, gewinnt an Bedeutung. Neue LNG-Terminals entstehen entlang der deutschen Küste, um den Import und die Lagerung von Flüssiggas zu ermöglichen.

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© Frank Urbansky

Während noch bis Mitte Juni täglich rund 1,7 TWh über Nord Stream 1 geliefert wurden, sanken sie Anfang September schließlich auf 0 TWh.

Die neuen Terminals bieten die Möglichkeit der Entladung und Lagerung von LNG, das über Schiffe aus verschiedenen Teilen der Welt nach Deutschland gebracht wird. Sie sollen eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und flexiblere Beschaffungsoptionen zu schaffen. Ihr Anteil an der Gesamtversorgung des deutschen Gasmarktes wird voraussichtlich in den kommenden Jahren weiterwachsen. Derzeit liegt er bei den drei Terminals Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin noch im einstelligen Prozentbereich.

Aktuell sind die wichtigsten Importeure für Deutschland Norwegen, die Niederlande und Belgien. Bei den beiden Letzteren handelt es sich vor allem um LNG, das in die dortigen Häfen wie Rotterdam und Zeebrügge von anderen Importeuren eingebracht wurde - vor allem von den USA, die derzeit 78 % der LNG-Importe nach Europa abdecken.

Heimische Quellen fast versiegt

Zumindest ein Teil des Gasbedarfs hätte aus heimischen Quellen gedeckt werden können. Doch das Fracking-Moratorium von 2012, das eigentlich 2017 hätte auslaufen sollen, verärgerte Investoren und Förderer, die den Standort Deutschland reihenweise verließen. In der Folge sank der Selbstversorgungsgrad in Deutschland von 20 auf 5 %. Tendenz: weiter fallend.

Auch Biogas könnte eine Alternativquelle sein. Das meiste Biogas aus den 9.200 Biogasanlagen wird jedoch hauptsächlich vor Ort in Blockheizkraftwerken (BHKW) verstromt. Diese BHKW-Anlagen sind direkt mit den Biogasanlagen verbunden und haben eine Gesamtleistung von etwa 4.200 MW, was in etwa der Leistung von zwei Atomkraftwerken entspricht.

Dies geschieht aus einem einfachen Grund: Für jede erzeugte kWh Strom, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ins Netz eingespeist wird, erhalten die Betreiber eine Vergütung, die jährlich rund 9 Mrd. Euro ausmacht. Im Gegensatz dazu wird für ins Erdgasnetz eingespeistes Biogas lediglich der übliche Erdgaspreis gezahlt, was wirtschaftlich ungünstig ist. Die Erdgaspreise (Spots) an der Leipziger Energiebörse EEX liegen derzeit zwischen 32 und 57 Euro je MWh (3,2 bis 5,7 Eurocent je kWh), während Biomethan, das ins Erdgasnetz eingespeist wird und aufwendig gereinigt werden muss, etwa 8 Eurocent pro kWh kostet. Dies macht die Wirtschaftlichkeit von Biogas im Erdgasnetz nahezu unmöglich.

Biomethan könnte mehr

Diese Situation führt dazu, dass Biomethan im Wärmemarkt praktisch keine Rolle spielt. Obwohl es in Baden-Württemberg eine gesetzliche Vorschrift gibt, die die Nutzung von Biomethan bei Sanierungen zu zwei Dritteln vorschreibt, bietet sich dadurch kein großer Markt. In anderen Bundesländern gibt es solche Regelungen nicht.

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© Frank Urbansky

Mit LNG-Importen wird ein Teil des weggefallenen russischen Erdgases ersetzt.

In ganz Deutschland gibt es daher nur wenige Tarife, die ausschließlich auf reines Biogas aus lokalen Anlagen setzen und dieses in nahe gelegenen Gasnetzen vertreiben. Dennoch gibt es Unternehmen, die jetzt auf Biomethan als einen der Energieträger im Wärmemarkt setzen. Dazu gehört die Balance VNG Bioenergie GmbH, eine Tochtergesellschaft des Leipziger Erdgaskonzerns VNG AG, die sich ausschließlich mit Biogasanlagen beschäftigt.

In ihrem Portfolio befinden sich 40 Biogasanlagen, die im mitteldeutschen Raum und Norddeutschland angesiedelt sind. Zehn von ihnen speisen Biomethan direkt ins Gasnetz ein, während die anderen nahe liegende Wärmenetze mittels Abwärme aus BHKW versorgen.

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© Frank Urbansky

Die Potenziale von Biogas und Biomethan als Ersatz für Erdgas werden in Deutschland nur marginal genutzt.

Solch eine Strategie könnte auch einen Teil des heimischen Bedarfs decken. Russland deckte noch 2021 55 % des hiesigen Verbrauchs von etwa 1.013 TWh Erdgas ab. Biogas könnte gut 10 % davon ersetzen. Die Potenziale könnten auf 20 % erhöht werden. Dem steht jedoch die bisherige Einspeisevergütung für Strom entgegen.

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© Frank Urbansky

Verdichterstationen, wie hier in Sayda, pumpten russisches Gas nach Deutschland. Sie werden nach wie vor gebraucht.

Auch eine Wiederbelebung der eigenen Gasförderung wird wieder ins Spiel gebracht - selbst von Ampelregierungs-Mitglied FDP. Das könnte den Anteil der Eigenversorgung von derzeit 6 auf über 20 % steigern, wo er schon einmal vor gut 20 Jahren lag. Wenn beide Potenziale - Fracking und Biogas - genutzt werden, könnten etwa 80 % der russischen Gasimporte ersetzt werden, allerdings nicht kurzfristig

Sicherheitsplattform ermittelt Mangellage

Neben der Diversifizierung der Bezüge gibt es mit der Sicherheitsplattform Gas ein weiteres Instrument zur Versorgungssicherheit. Sie fördert den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zwischen Industrie und Regierung, um potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.

Die Plattform ermöglicht die Registrierung und Datenerfassung für die 2.500 größten Gasverbraucher, Bilanzkreisverantwortlichen und Gasnetzbetreiber. Im Fall einer Gasmangellage unterstützt sie die Bundesnetzagentur dabei, fundierte Entscheidungen über erforderliche Versorgungsreduktionen in Krisensituationen zu treffen.

Sollte es zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedsstaaten kommen, kann die Bundesregierung die Notfallstufe ausrufen, die letzte Warnstufe des Notfallplans Gas. In diesem Fall wird die Bundesnetzagentur zum Bundeslastverteiler.

Gaspreise gestiegen und gefallen

Neben der Versorgungssicherheit ist eine weitere Sorge am Gasmarkt die Preisstabilität. Vor dem Herbst 2021 lagen die Großhandelspreise an der Leipziger EEX für Termine zwischen 20 und 40 Euro je MWh. Bis August 2022 kam es zu einer Vervielfachung auf 315 Euro je MWh. Sie waren damit etwa viermal so hoch wie vor Ausbruch des russischen Krieges in der Ukraine. Bis zum Jahresende fielen die Preise wieder deutlich und erreichten im November 2022 mit 22,4 Euro je MWh den niedrigsten Stand des Jahres.

Zum Jahreswechsel lag der Großhandelspreis bei 63,8 Euro je MWh. Dies liegt leicht unter den erwarteten Großhandelspreisen für das Jahr 2023, die zuletzt bei 57 Euro je MWh im Maximum lagen. Das zeigt: Die Preisentwicklung bei Erdgas ist weiter volatil. Allerdings werden die Spitzen von 2022 nicht mehr erreicht. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass es durch die Diversifizierung der Importeure und die neuen Anlandehäfen für LNG zu einem leichten Sinken der Preise kommt - wenn auch nicht auf das Niveau vom Sommer 2021.