Das Stromsystem muss bis 2035 weitgehend klimaneutral sein, um die anderen Sektoren bis 2045 ebenfalls auf Klimaneutralität umzustellen. Dies erfordert eine beispiellose Transformation des Stromsektors, der sich grundlegend verändern muss.

Um diese effiziente, sichere und schnelle Umstellung auf erneuerbare Energien zu gewährleisten, ist eine Weiterentwicklung des Strommarktdesigns unerlässlich. In der "Plattform Klimaneutrales Stromsystem" sollen Akteure aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Optionen sowie konkrete Vorschläge für das zukünftige Strommarktdesign entwickeln.

Die Bundesregierung hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2030 einen Anteil von 80 % erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch zu erreichen. Ein Stromsystem, das bisher auf Kernkraft und Kohleverstromung basierte, muss sich vollständig auf erneuerbare Energien umstellen. Gleichzeitig wird der Stromverbrauch aufgrund der Dekarbonisierung in anderen Sektoren, wie durch Wärmepumpen und Elektroautos, stark ansteigen. Dies erfordert ein völlig neues, flexibles und interagierendes Stromsystem.

Auf diesem Weg ergeben sich grundlegende Fragen zum zukünftigen Stromsystem und zur Ausgestaltung des geeigneten Strommarktdesigns:

  1. 1.

    Wie kann die dauerhafte Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien sichergestellt werden, um die Ausbauziele zu erreichen?

  2. 2.

    Welche Rolle spielen Flexibilitätsoptionen im zukünftigen Stromsystem? Wie muss der regulatorische Rahmen gestaltet sein, damit sie systemoptimal eingesetzt werden können?

  3. 3.

    Wie kann ein ausreichender Zubau und Betrieb von steuerbarer Leistung sichergestellt werden, um auch in Zeiten geringer Wind- und Sonneneinstrahlung eine hohe Versorgungssicherheit zu gewährleisten?

  4. 4.

    Wie können Investitions- und Betriebsentscheidungen von Anlagen sowie von Verbrauchern und Verbraucherinnen durch lokale Preissignale so gestaltet werden, dass der rasante Ausbau erneuerbarer Energien, der Anstieg des Stromverbrauchs und die begrenzten Netzkapazitäten erfolgreich bewältigt werden können?

DOI https://doi.org/10.1007/s12398-023-0923-3

Kein Entscheidungsgremium

Die Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS), vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ins Leben gerufen, soll genau diese Fragen beantworten - und zwar in einem partizipativen Prozess. Die PKNS, so das Ministerium, sei ein nationaler Stakeholder-Prozess zur Weiterentwicklung des Strommarktdesigns bei hohem Anteil fluktuierender Erzeugung. Es handele sich dabei um ein reines Stakeholder-Format zur Diskussion, nicht um ein Entscheidungsgremium.

Dabei werden die verschiedenen Perspektiven der Beteiligten aus den Bereichen Investition, Erzeugung, Handel, Transport, Verteilung und Verbrauch effektiv genutzt und einbezogen (siehe auch Stakeholder-Liste PKNS). Sie soll also als eine Plattform des Dialogs funktionieren, in der Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenkommen.

Die Plattform Klimaneutrales Stromsystem ermöglicht eine breite Diskussion über mögliche Lösungen und bewertet diese anhand definierter Kriterien.

Ein ergebnisoffener Ansatz steht dabei im Vordergrund. Die Plattform ermöglicht eine breite Diskussion über mögliche Lösungen und bewertet diese anhand definierter Kriterien. Durch diesen Prozess sollen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen herausgearbeitet und gezielt Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Transformation des Stromsystems entwickelt werden.

Die Plattform setzt sich aus einer Vielzahl von Akteuren zusammen, darunter Interessenverbände aus der Energiewirtschaft, Vertreterinnen und Vertreter von Verbraucherorganisationen, der Industrie und der Zivilgesellschaft. Auch die Politik ist durch Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Koalitionsfraktionen sowie der Länder vertreten. Zudem sind relevante Ressorts der Bundesregierung und Bundesbehörden Teil der Plattform. Wissenschaftliche Institutionen unterstützen die PKNS mit ihrem Fachwissen und ihrer Expertise.

Die PKNS arbeitet in verschiedenen Strukturen. Das Ple-num, in dem alle Stakeholder-Gruppen vertreten sind, bildet das Herzstück der Plattform. Eine Steuerungsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Koalitionsfraktionen begleitet und lenkt den Prozess auf politischer Ebene. Das BMWK fungiert als Geschäftsstelle und organisiert die Arbeit der PKNS. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) unterstützt das BMWK bei der organisatorischen Umsetzung.

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Eine der Aufgaben der PKNS ist auch die bessere Integration volatilere Energiequellen wie Windkraft und Photovoltaik.

Vier Arbeitsgruppen für vier Problemfelder

Die Diskussionen sollen thematisch fokussiert und sachorientiert geführt werden. Der Prozess ist flexibel gestaltet, um auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Dafür wurden vier Arbeitsgruppen gebildet:

Die AG "Finanzierung EE" beschäftigt sich mit der Sicherstellung notwendiger Anreize für den Zubau und den systemdienlichen Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen in einem klimaneutralen Stromsystem.

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Die PKNS soll das Stromsystem zukunftssicherer machen.

Die AG "Flexibilitätsoptionen" untersucht den Rahmen, der erforderlich ist, damit die Stromnachfrage zunehmend am Stromangebot orientiert ist. Außerdem werden Hemmnisse identifiziert, die abgebaut werden müssen.

Die AG "Finanzierung von steuerbaren Kapazitäten" untersucht Investitionsanreize für steuerbare Kapazitäten, wie beispielsweise Gaskraftwerke, die auch mit Wasserstoff arbeiten können. Ziel ist eine bedarfsgerechte Versorgung von Stromverbraucherinnen und -verbrauchern, auch wenn erneuerbare Energien nicht die gesamte Nachfrage decken.

Die AG "Lokale Signale" beschäftigt sich mit regionalen und örtlichen Preissignalen. Im neuen Stromsystem müssen erneuerbare Energien über weite Strecken transportiert und ins Übertragungs- und Verteilnetz integriert werden. Der Netzausbau hat oberste Priorität. Gleichzeitig wird diskutiert, ob und wie lokale Preissignale in einem auf erneuerbaren Energien basierenden Stromsystem eingeführt werden sollten. Diese Signale sollen eine bessere regionale Steuerung der Lasten und der Erzeugung ermöglichen und das Netz besser im Markt abbilden.

Ohne den Staat geht nichts

Die PKNS dient dem Austausch von Informationen, Erfahrungen und Best Practices, um gemeinsame Strategien und Maßnahmen zu entwickeln. Fachwissen und Ressourcen sollen gebündelt werden, um innovative Technologien und Konzepte zu identifizieren und umzusetzen.

Die Mitwirkung staatlicher Stellen ist dabei unverzichtbar, da sie die Rahmenbedingungen für den Umbau des Stromsystems setzen (siehe auch ZfE 3, S.14). Gemeinsam mit Unternehmen der Energiewirtschaft sollen regulatorische Hindernisse identifiziert und beseitigt werden.

Die Ergebnisse und Diskussionen der PKNS werden auf der Webseite des BMWK veröffentlicht. So wurde am 1. August 2023 ein erster Bericht über den Stand der Diskussionen und bereits erzielte Ergebnisse veröffentlicht. Es wurden eine Beschreibung des zukünftig klimaneutralen Stromsystems erarbeitet und Bewertungskriterien für mögliche Maßnahmen entwickelt. Ein weiterer Bericht soll daran anknüpfen und im 2. Halbjahr 2023 erarbeitet werden.