Der Industriestrompreis wird kommen. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits sein "Okay" signalisiert, in der Industrie wird darauf gedrängt. Umstritten ist diese Form der staatlichen Subventionierung mit der Gießkanne vor allem bei Ökonomen. Sie sehen bestimmte Effekte als kontraproduktiv für die Ziele der Energiewende.

Der Industriestrompreis führt aktuell zu intensiven Diskussionen bis hin zu Demonstrationen vor allem in der energieintensiven Industrie - die natürlich klar für diese Art der Dauersubvention ist.

Die Schunk-Gruppe, ein führender Tech-Konzern mit Sitz in Heuchelheim, verzeichnete im Jahr 2022 trotz widriger Umstände einen Rekordzuwachs und erzielte einen Umsatz von über 1,4 Mrd. Euro. Das Unternehmen beschäftigt in der Firmenzentrale in Heuchelheim rund 4.000 der insgesamt 9.200 Angestellten. Darüber hinaus unterhält es Werke in Reiskirchen und Wettenberg, die zu seinem Erfolg beitragen.

Dennoch sieht der CEO der Schunk Group, Arno Roth, auch die Notwendigkeit einer Industriestrompreisbremse. Im Gespräch mit dem Sender FFH bilanzierte er, dass sich der Strompreis in seinem Unternehmen allein 2023 verdreifacht habe, während er in anderen Teilen der Welt stabil geblieben sei. Das sei eine erhebliche Wettbewerbsbelastung, da das Unternehmen mit Ländern konkurriere, in denen die Energiekosten niedriger seien. Daher sei eine Unterstützung seitens der Bundesregierung beim Industriestrompreis von äußerster Wichtigkeit. Er appelliere an die Bundesregierung, den Wunsch nach einer Industriestrompreisbremse ernst zu nehmen und die erforderlichen Schritte zu unternehmen.

Auch die Gießerei-Industrie ist von den hohen Strompreisen betroffen. In Bielefeld demonstrierten im Mai Arbeitgeber und Beschäftigte der Eisengießerei Baumgarte aus Bielefeld für einen fairen Industriestrompreis. Sachsen Guss, im Chemnitzer Norden angesiedelt, demonstrierte aus dem gleichen Grund.

DOI https://doi.org/10.1007/s12398-023-0921-5

Arbeitgeber und Arbeitnehmer kämpfen dafür

Die Bundesregierung sieht sich also einer Phalanx aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern gegenüber, die schlichtweg ihre Standorte bedroht sehen. Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, im Mai 2023 vorgelegt, gehen davon aus, dass der Preis bei sechs Cent je kWh liegen und im Frühjahr 2024 eingeführt werden könnte.

Unternehmen in Grundstoffindustrien wie Chemie oder Stahl würden davon am meisten profitieren. Habecks Konzept sieht vor, dass der vergünstigte Preis nur für 80 % des Verbrauchs gelten soll, um Anreize für mehr Energieeffizienz zu schaffen. In den Genuss kommen aber nur Unternehmen, die Bedingungen wie Tariftreue und eine Standortgarantie festlegen. Das Konzept soll bis spätestens 2030 auslaufen. Die geschätzten Kosten für den Staat belaufen sich auf 25 bis 30 Mrd. Euro, die aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds finanziert werden sollen.

Jedoch stieß der Vorstoß auf Ablehnung im Bundesfinanzministerium unter der Leitung von Christian Lindner. Eine Sprecherin erklärte sofort nach Veröffentlichung der Pläne, dass keine Finanzmittel für dieses Vorhaben zur Verfügung stünden. Lindner signalisierte bereits zuvor seine Ablehnung gegenüber einem staatlich subventionierten Strompreis und kritisierte, dass ein solcher Preis nur für ausgewählte Unternehmen gelten solle.

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Die chemische Industrie und Raffinerien würden von einem Industriestrompreis profitieren.

Habeck hingegen argumentiert, dass ohne einen subventionierten Strompreis zukunftsweisende Branchen den Standort Deutschland verlassen könnten. Er betonte, dass die deutsche Industrie bereits auf dem Weg sei, ihre Prozesse umzustellen, um weltweit eine klimaneutrale Produktion zu ermöglichen. Habeck sieht die Unterstützung dieser Entwicklung als notwendig an, um auch in Zukunft einen starken und wettbewerbsfähigen Standort mit nachhaltigen Arbeitsplätzen in Deutschland zu gewährleisten.

Kanzler ist skeptisch

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz ist skeptisch, seine Fraktion hingegen hat sich schon Anfang 2023 klar "Pro" positioniert. Zuspruch bekommt Habeck deswegen auch von der Fraktion des Kanzlers. Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, plädierte in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt" vehement für diese Form der Subvention.

"Der hohe Strompreis ist zur Transformationsbremse geworden, die wir uns nicht leisten können - weder sozial noch ökologisch und schon gar nicht ökonomisch. Momentan ist die Produktion in vielen Branchen wegen der hohen Stromkosten kaum rentabel. Viele Firmen meiden derzeit Investitionen in ihre Produktionsketten, obwohl diese dringend notwendig wären", konstatiert der Bundestagsabgeordnete.

Der Streit um subventionierte Industriestrompreise verdeutlicht die Differenzen innerhalb der Ampelkoalition bezüglich der Energiewende und der Unterstützung energieintensiver Industriezweige.

Allerdings will auch Westphal keine Dauersubvention. Der von ihm so bezeichnete Transformationsstrompreis müsse branchenoffen sein, energieintensive mittelständische Unternehmen ebenso entlasten, wie große Industriekonzerne, und natürlich müssten die Unternehmen ihre Beschäftigten nach geltenden Tarifverträgen bezahlen. Er solle letztlich ein "Gamechanger" zur Beschleunigung der wirtschaftlichen Transformation sein.

Der Streit um subventionierte Industriestrompreise verdeutlicht die Differenzen innerhalb der Ampelkoalition bezüglich der Energiewende und der Unterstützung energieintensiver Industriezweige. Es bleibt abzuwarten, wie die Koalitionspartner eine gemeinsame Lösung finden werden, um die Interessen der Wirtschaft und des Klimaschutzes in Einklang zu bringen.

Skepsis kommt auch aus der Industrie. "Ein Industriestrompreis setzt an der falschen Stelle an, jedenfalls dann, wenn er Preissignale beeinträchtigt", so die Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, der "F.A.Z." gegenüber. Man brauche Preissignale aus dem Markt heraus für Investitionen in Energieeffizienz, in die Erneuerbaren, aber auch für die Transformationsprozesse in der Industrie.

Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW, bezeichnet Habecks Vorhaben sogar als Selbsttäuschung, die zu Lasten des Handwerks und der Verbraucher gehe. "Es ist eine Illusion zu glauben, mit staatlich festgelegten Höchstpreisen die Energieversorgung sichern und langfristige Investitionssicherheit schaffen zu können", sagte Ehlert der " Rheinischen Post".

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Die Stahlwirtschaft ist auf niedrige Energiepreise angewiesen.

Die Wissenschaft ist gespalten

Die Expertenmeinungen zu subventionierten Industriestrompreisen sind auch in der Wirtschaftswissenschaft geteilt. Einige Ökonomen, wie Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat, halten einen Industriestrompreis für risikoreich und argumentieren, dass nicht wettbewerbsfähige Unternehmen aufrechterhalten werden, während andere bereits in Zukunftstechnologien investieren sollten. Für Christoph M. Schmitz, Präsident des RWI - Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, greift der Industriestrompreis zu kurz. Man brauche ein grundsätzliches Umdenken in der Industriepolitik.

Auf der anderen Seite betonen Experten wie Jens Südekum von der Universität Düsseldorf, dass ein Industriestrompreis den Transformationsprozess zur klimaneutralen Wirtschaft beschleunigen könnte. Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln, sieht darin einen pragmatischen Vorschlag, um die Erwartungen der Investoren an den Standort zu stabilisieren (siehe auch Pro und Contra Industriestrompreis).

Fazit

Als befristetes Instrument könnte der Industriestrompreis helfen, energieintensive Industrien in Deutschland zu halten. Eine Dauersubvention wäre jedoch in vielen Bereichen kontraproduktiv. Eine langfristige Neugestaltung des Strommarktes in Deutschland könnte sich hingegen letztlich als äußerst vorteilhaft für die Industrie erweisen. Gegenwärtig basiert der Strompreis an der Strombörse auf dem Prinzip der teuersten Energieerzeugung, bekannt als das Merit-Order-Prinzip. Jedoch könnte eine umfassende Reform des Stromhandels dazu führen, dass der Preis verstärkt von den kostengünstigeren erneuerbaren Energiequellen beeinflusst wird. Durch diese Neuordnung des Strommarktes könnte der Strompreis für alle Marktteilnehmer, einschließlich Industrie und Privathaushalte, sinken. Ein günstigerer Strompreis würde somit zu niedrigeren Produktionskosten führen und die Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Akteure steigern.