Das Ihnen hier vorliegende zweite Heft dieses Jahrganges enthält wiederum eine Auswahl von Beiträgen, die das für die ZfE charakteristische breite Spektrum erziehungswissenschaftlicher Arbeitsweisen, Ansätze und Themen abdecken.

Der erste Beitrag von Jennifer Schauer und Stephan Abele geht der Frage nach, wie es um die Ausbildungsreife von Jugendlichen bestellt ist, die ohne (Fach‑)Hochschulreife die Schule verlassen. Mit Daten der NEPS-Startkohorte Klasse 9 wurden schulisch relevante Leistungsmerkmale und verhaltens- sowie persönlichkeitsbezogene Merkmale entsprechender Jugendlicher einer latenten Profilanalyse unterzogen. Es zeigten sich 5 Profiltypen, wobei in allen Profilen Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss und solche mit mittlerem Schulabschluss zu finden waren. In Regressionsanalysen wurde die prognostische Validität der Profile für Wahrscheinlichkeit geprüft, nach Schulabgang in eine Berufsausbildung überzugehen. Dabei zeigte sich, dass unter den leistungsstärkeren Schulabgängern eine teilweise geringere Übergangsquote in die Berufsausbildung feststellbar ist, die mit dem Bemühen um den Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung an berufsbildenden Schulen zusammenzuhängen scheint.

Kira Elena Weber, Patrick Hawlitschek, Dirk Richter und Uta Klusmann thematisieren im zweiten Beitrag die subjektiven Fortbildungsbedarfe von Lehrkräften an Schulen in herausfordernden Lagen. Knapp 3000 Lehrkräfte aus etwa 200 Schulen in herausfordernden Lagen wurden darum gebeten anzugeben, in welchen fachübergreifenden Kompetenzbereichen sie einen Fortbildungsbedarf haben. Darüber hinaus untersuchten sie, welche sozio-demographischen und motivational-emotionalen Merkmale die fachübergreifenden Fortbildungsbedarfe vorhersagen können. Die Lehrkräfte gaben dabei einen erhöhten Fortbildungsbedarf im Bereich Lernförderung und digitaler Medieneinsatz an. Die offenen Antworten ergänzen diesen Bedarf um die Themen Umgang mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Umgang mit Heterogenität. Sowohl sozio-demographische Merkmale (Geschlecht, Berufserfahrung und Quer- und Seiteneinstieg) als auch motivational-emotionale Lehrkraftmerkmale (subjektive Kompetenzeinschätzungen, emotionale Erschöpfung und Attributionen von Schülerinnen- und Schülerleistung) erwiesen sich als relevante Prädiktoren für fachübergreifende Fortbildungsbedarfe.

Der dritte Beitrag von Alexander Christ, Kathrin Smolarczyk und Stephan Körner präsentiert eine kartierende Forschungssynthese zur bisher vorliegenden quantitativ-empirischen Forschung im Themenfeld Digitalisierung in der kulturellen Bildung. Nach Sichtung von 8500 potenziell relevanten Arbeiten aus einem Suchergebnis von mehr als einer viertel Million identifizierter Arbeiten via Predictive Modeling wurden 3846 Arbeiten mittels Topic Modeling nach untersuchten Facetten kultureller Aktivität sowie übergreifenden Themen kartiert. Für die übergreifenden Themen resultierten Topics wie Unterricht und Schule, Motivation und Spaß und Kreativität und Projekte zum kulturellen Erbe. Zu allen Facetten kultureller Aktivitäten, nicht jedoch zu allen Kombinationen mit übergreifenden Themen wurde eine substantielle Menge an vorliegenden Arbeiten identifiziert.

Christian Michaelis und Stephanie Findeisen legen im vierten Beitrag dieses Heftes empirische Analysen zu den Langzeiteffekten auf Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit unterschiedlicher Muster des Übergangs von der beruflichen Bildung in den Arbeitsmarkt vor. Die Ergebnisse belegen einerseits, dass der vorzeitige Übergang von der beruflichen Bildung in den Arbeitsmarkt (ohne Berufsabschluss) langfristig eher negative Effekte hat. Andererseits scheint das Absolvieren mehrerer Programme der beruflichen Bildung sich nicht günstig auf das langfristige Wohlbefinden und die allgemeine Lebenszufriedenheit auszuwirken.

Mit den vernachlässigten Aspekten der Geschichte der Bildungsforschung in Deutschland beschäftigt sich der fünfte Beitrag von Heinz-Elmar Tenorth am Beispiel der Arbeiten von Wolfgang Edelstein.

Der sechste Beitrag von Martha Höfler, Till Woerfel, Tetyana Vasylyeva und Leonie Twente geht in einem systematischen Review den Wirkungen sprachsensibler Unterrichtsansätze nach. Eine Sichtung von mehr als 3000 Dokumenten führte zur Identifizierung von 55 internationalen Wirkungsstudien zu sprachsensiblen Ansätzen. Zu 30 von ihnen sind Wirkbefunde publiziert. Translanguaging, Reciprocal Teaching (RT), Collaborative Strategic Reading (CSR), Scaffolding nach Gibbons und das Sheltered Instruction Observation Protocol (SIOP) sind mehrfach überprüft, zu 25 weiteren Ansätzen wurde nur jeweils eine Belegstudie ermittelt. Die Mehrzahl der Studien berichtet in Teilbereichen des Lernens von positiven Effekten sprachsensiblen Unterrichts.

Diana Schacht und Lisa Ulrich beschäftigen sich im siebten Beitrag mit der Validität von Daten aus der Befragung von Trägern von Kindertageseinrichtungen. Dazu nutzen sie die Daten der Trägerbefragung der ERiK-Surveys 2020 und entwickelten ein Verfahren, das einen Vergleich von Trägerbefragungen mit der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik ermöglicht. Mit dieser Methode können die Autorinnen zeigen, dass Verteilungen auf Basis ungewichteter Trägerbefragungsdaten nur begrenzt anwendbar sind, die enstehenden Verzerrungen jedoch durch statistische Anpassungen im Rahmen einer Gewichtung deutlich minimiert werden können.

Die Frage nach der Vergleichbarkeit von Schulnoten zwischen den Bundesländern steht im Fokus der Studie von Nicolas Hübner, Malte Jansen, Petra Stanat, Thorsten Bohl und Wolfgang Wagner im achten Beitrag. Auf Grundlage der Untersuchung der repräsentativen Daten von etwa 55.000 Schülerinnen und Schülern aus den IQB-Bildungstrends 2015 und 2018 (Jahrgangsstufe 9) wurden differenzierte Mehrebenen-Analysen umgesetzt. Die Ergebnisse legen nahe, dass Schülerinnen und Schüler mit gleichen Schulnoten substantiell unterschiedliche Kompetenzen aufweisen und dies auch umgekehrt gilt. Ferner zeigte sich, dass die Unterschiede zu einem erheblichen Maß durch Unterschiede zwischen Schulen innerhalb von Bundesländern erklärt werden konnten und deutlich weniger durch Bundeslandunterschiede.

Der neunte Beitrag in diesem Heft widmet sich der pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen. Yvonne Anders und Elisa Oppermann setzen sich mit den Annahmen zu Dimensionen und Beschreibungen der frühpädagogischen Qualität theoretisch auseinander und geben einen Überblick zum empirischen Forschungsstand. Dabei werden blinde Flecken in dem vorherrschenden Struktur-Prozess-Modell identifiziert, die sie durch andere theoretische Modelle angereichen und zusätzlich eigenständig erweitern. Der Beitrag mündet in einen Vorschlag für ein integriertes Modell frühpädagogischer Qualität.

Der zehnte und letzte Originalbeitrag dieses Heftes von Jannis Burkhard, Stefan Kühne, Jan Scharf und Kai Maaz beschäftigt sich schließlich mit der Rolle des elterlichen kulturellen Kapitals auf die kulturellen Aktivitäten von Jugendlichen. Die entsprechenden Effekte werden auf Basis von NEPS-Daten mit Strukturgleichungsmodellen analysiert. Die Autoren können zeigen, dass hochkulturelle Aktivitäten am stärksten mit der elterlichen Kapitalausstattung zusammenhängen, aber auch außerschulische Kurse, die Teilnahme an Angeboten in Kulturvereinen und der Besuch einer Schule mit musischem Profil sich auf die kulturellen Aktivitäten auswirken. Für kulturelle Aktivitäten in Jugendzentren scheint es dagegen keine Zusammenhänge mit dem kulturellen Kapital der Eltern zu geben.