Seit geraumer Zeit erfreut sich die Zeitschrift für Erziehungswissenschaft einer großen Beliebtheit bei Autoren. Davon zeugt die in den letzten Jahren enorm gestiegene Anzahl der Einreichungen. Trotz hoher Qualitätsstandards durch ein entsprechendes Peer-Review-Verfahren führt dies zu einer spürbaren Steigerung von Manuskripten, die wir zur Publikation annehmen können. Um zu verhindern, dass die Zeitdauer von der Annahme eines Beitrages bis zu seinem Erscheinen mehr als 15 Monate beträgt haben die Herausgeberinnen und Herausgeber zwei Maßnahmen ergriffen: zum einen erhöhen wir ab dem Jahrgang 2018 die Zahl der Einzelhefte von 4 auf 6; zum anderen sehen wir zukünftig in jedem Jahrgang zwei Hefte vor, in denen nur angenommene frei eingereichte Beiträge – also ohne Themenschwerpunkt – publiziert werden. Diese zweite Maßnahme greift nun bereits in 2017. Das vorliegende vierte Heft 2017 der ZfE enthält wie bereits das erste Heft 2017 erneut ausschließlich frei eingereichte Beiträge.

Die Beiträge decken ein breites Spektrum erziehungswissenschaftlicher Arbeitsweisen, Ansätze und Themen ab. Der erste Beitrag von Nicole Wellnitz, Martin Hecht, Patricia Heitmann, Alexander Kauertz, Jürgen Mayer, Elke Sumfleth und Maik Walpuski widmet sich der Struktur naturwissenschaftlicher Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Jahrgangsstufe. Auf der Basis von Daten aus der Evaluation der Bildungsstandards und unter Rückgriff auf Modellierungstechniken auf der Basis der Item-Response-Theorie kann die Autorengruppe zeigen, dass im Bereich der Naturwissenschaften sich die Annahme einer Mehrdimensionalen Kompetenzstruktur bestätigen lässt, bei der fachbezogenen und prozessbezogenen Kompetenzdimensionen berücksichtigt werden.

Johannes Naumann und Christine Sälzer thematisieren im zweiten Beitrag die digitalen Lesekompetenzen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler. Auf der Basis des computerbasierten Teils des PISA-Tests 2012 zeigen die Autoren, dass deutsche Schüler im internationalen Vergleich beim Lesen digitaler Texte schlechter abschneiden als beim Lesen gedruckter Texte. Interindividuelle Unterschiede in den digitalen Lesekompetenzen lassen sich gut erklären durch den Zugang, die Nutzung und die Einstellung zu modernen Informations- und Kommunikationstechnologien.

Der dritte Beitrag von Veronika Stahn und Hartmut Ditton widmet sich der Frage, welche Rolle motivationale Merkmale älterer Grundschulkinder für die Erfolgserwartungen ihrer Eltern spielen. Auf der Basis einer Längsschnittstudie mit mehr als 1000 Kindern aus 77 Grundschulklassen kann gezeigt werden, dass zum Ende der Grundschulzeit das Niveau verschiedener motivationaler Merkmale der Kinder abnimmt. Die für die Übergangsentscheidung wichtigen Erfolgserwartungen der Eltern werden allerdings nicht von den motivationalen Ausprägungen ihrer Kinder beeinflusst.

Sebastian Wurster, Dirk Richter und Anna Eva Lenski legen im vierten Beitrag dieses Heftes empirische Analysen zur Unterrichtsentwicklung und zum Zusammenhang von Unterrichtsentwicklung und den Leistungen der Schüler und Schülerinnen vor. Auf der Datenbasis des IQB-Ländervergleichs 2012 kommt die Autorengruppe zum Ergebnis, dass die Mehrheit der befragten Lehrkräfte berichtet, Daten aus Vergleichsarbeiten, zentralen Abschlussprüfungen und internen Evaluationen für die eigene Unterrichtsentwicklung zu nutzen, ein Zusammenhang zwischen Unterrichtsentwicklungsaktivitäten und Schülerleistungen ist allerdings nicht zu finden.

Mit der Lernzeitnutzung im Planspielunterricht in Berufsschulklassen beschäftigt sich der fünfte Beitrag von Antonia Scholkmann, Jens Siemon, Kay-Dennis Boom und Michael Knigge. Dazu wurde in einem dyadischen kooperativen Lernsetting untersucht, ob sich die kognitiven Grundfähigkeiten und Zielorientierungen der Partner auf die effektive Lernzeitnutzung auswirken. Die Schülerinteraktionen wurden dafür mit einer multimodalen Video- und Audioanalysemethode erfasst. Während für kognitive Grundfähigkeiten kein Einfluss auf die Lernzeitnutzung feststellbar war, zeigten sich positive Einflüsse insbesondere für hohe Lern-Zielorientierung und Vermeidungs-Leistungszielorientierung.

Der sechste Beitrag von Itala Ballaschk, Yvonne Anders und Uwe Flick greift eine aktuelle Frage der Elementarpädagogik auf, nämlich die nach dem Führungsverständnis von pädagogischen Fachkräften mit Leitungsfunktion in Kindertagesstätten. Mit Hilfe episodischer Interviews wurden 26 pädagogische Fachkräfte mit Leitungsfunktion zu ihrem Verständnis von Führung befragt. Dabei zeigten sich Desiderate in der Reflexion des professionellen Selbstverständnisses der Leitungsaufgaben. Die damit verbundenen Unsicherheiten im Umgang mit den eigenen Entscheidungsbefugnissen liefern Hinweise für Bedarfe der professionellen Weiterentwicklung des Elementarbereichs in Deutschland.

Jochen Kramer, Katharina Hosbach und Ulrich Trautwein beschäftigen sich im siebten Beitrag mit einer besonderen Schulform in Baden-Württemberg: den beruflichen Gymnasien der sechsjährigen Aufbauform. Diese werden ab Klassenstufe 8 von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern (SuS) aus Real‑, Haupt und Werkrealschulen sowie von SuS aus allgemeinbildenden Gymnasien besucht. Untersucht wurden SuS der Eingangsklasse an technischen Gymnasien und an Wirtschaftsgymnasien. Der Zugang zu den technischen Gymnasien erfolgte stark interessengeleitet und es gelang den Schulen, das technische Interesse ihrer SuS weiter zu fördern. Bei den Wirtschaftsgymnasien konnten keine ähnlichen Selektions- oder Sozialisationseffekte gefunden werden.

Effekte der sozialen Komposition von Grundschulklassen auf den Übergang der Schulkinder in die Schulformen der Sekundarstufe thematisieren Katrin Lintorf, Karin Guill und Heike Wendt im achten freien Beitrag. Auf der Basis der TIMSS-IGLU-Daten von 2011 konnten die Autorinnen zeigen, dass mit höherem mittleren sozioökonomischen Status innerhalb einer Grundschulklasse die Wahrscheinlichkeit zunimmt, auch höhere Schulformen anzuwählen. In eher geringem Ausmaß wird dieser Effekt der sozialen Klassenkomposition über die subjektiven Einschätzungen der individuellen Erfolgschancen am Gymnasium vermittelt.

Uwe Maier, Carolin Ramsteck und Kathrin Hoffmann berichten im neunten Beitrag von der Entwicklung, Nutzung und Optimierung eines onlinebasierten Kurses für die formative Diagnostik grammatikalischen Grundwissens in der Sekundarstufe I. Auf der Basis kodierter Log-Daten von 129 Schülerinnen und Schülern sowie deren Häufigkeit gelang es der Autorengruppe, ein differenziertes Bild der Kursnutzung zu zeichnen und so gezielte Hinweise für die Optimierung des Lernangebots zu generieren. Die im Kurs erfassten Lernzuwächse ließen sich allerdings durch die erfassten Interaktionskategorien nur eingeschränkt erklären.

Der zehnte und letzte Originalbeitrag dieses Heftes widmet sich den Kompetenzen und dem Wohlbefinden und Freizeitverhalten von Gymnasiasten in Baden-Württemberg vor und nach der G8-Reform. Nicolas Hübner, Wolfgang Wagner, Jochen Kramer, Benjamin Nagengast und Ulrich Trautwein. Unter Verwendung der Daten der Zusatzstudie Baden-Württemberg des Nationalen Bildungspanels zeigte sich in den vorgelegten Analysen keine Leistungsunterschiede in den Fächern Mathematik und Physik. G9-Absolventen zeigten geringfügige Vorteile in Biologie und größere Vorteile in der Englisch-Leekompetenz. G8-Absolventen zeigten eine höhere schulische Beanspruchung und häufiger gesundheitliche Beschwerden.

Abgerundet wird diese Ausgabe der ZfE durch eine von Gabriele Gloger-Tippelt vorgelegte Rezension eines jüngst erschienen Bandes über die bisherigen Forschungserkenntnisse zum Verstehen von Entwicklungsverläufen und wirksamen Fördermöglichkeiten für Kinder mit besonderen Risiken für Bildungsmisserfolg, die in den letzten Jahren im Frankfurter IDeA-Zentrum erarbeitet wurden.