1 Rezension zu

Tina Hollstein/Lena Huber/Cornelia Schweppe: Migration, Armut und Bewältigung. Eine fallrekonstruktive Studie. Weinheim: Juventa 2011. 173 S., ISBN 978-3-7799-0716-9 Preis: 19,50 €.

Tina Hollstein, Lena Huber und Cornelia Schweppe legten 2011 ihre Abschlussdokumentation über das Forschungsprojekt „Soziale Netzwerke und die Bewältigung von Armut und Schulden unter Bedingungen der Migration“ als Publikation vor. Das Projekt wurde im Rahmen des Forschungsclusters „Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke“ der Universitäten Trier und Mainz durchgeführt. Die Autorinnen möchten mit diesem Buch „einen Beitrag zur empirischen Rekonstruktion der Bewältigungsprozesse von Armut unter Bedingungen der Migration aus der Sicht der Akteurinnen und Akteure“ (S. 39) leisten.

Aufbau und Inhalt:

Die Studie geht Migration, Armut und Bewältigung empirisch nach, indem sie, von der theoretischen Vorarbeit über Einzelfallanalysen bis hin zu sozialpädagogischen Perspektiven, das Thema in sieben Kapiteln aufrollt: Im ersten Kapitel werden unter der Überschrift „Armutsbegriffe und Armutsverständnisse“ zunächst die Termini der absoluten und relativen Armut gegenübergestellt. Darauf aufbauend wird über Armutsforschung und Lebenslagenkonzepte schließlich ein sozialpädagogischer Armutsbegriff entwickelt. Im zweiten Kapitel wird „Lebensbewältigung als sozialpädagogisches Konzept“ unter Rekurs auf die „Sozialpädagogik der Lebensalter“ von Böhnisch diskutiert. Die Autorinnen nehmen hier zunächst eine Verortung von Lebensbewältigung als äquivalentes Konzept zur Risikogesellschaft vor und greifen hierfür das „Mehrebenen-Modell der Lebenslagen“ sowie Fragen nach der „Handlungsfähigkeit des Menschen“ auf. Im dritten Kapitel arbeiten die Autorinnen den Forschungsstand von Armut und Migration in Deutschland anhand der historischen Entwicklung und bisherigen „Nicht-Thematisierung“ von Armut auf.

Nach der theoretischen Verortung wird in Kapitel vier das forschungsmethodische Vorgehen dargestellt. Mit einem erzählgenerierenden Leitfadeninterview wurden 21 Interviews erfasst, welche in einem an Schütze angelehnten Verfahren ausgewertet wurden. Schließlich werden in den gelungenen Fallstudien des Hauptkapitels drei kontrastierenden Typen des Bewältigungserfolges herausgearbeitet. Diese unterscheiden sich jeweils im Grad des Bewältigungserfolges und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Partizipationsperspektiven. Im sechsten Kapitel arbeiten die Autorinnen die allgemeinere „Struktur des Bewältigungsprozesses“ auf. „Obwohl in allen Fällen multiple Herausforderungen der Lebensbewältigung zu erkennen sind, lässt sich jeweils ein Kernproblem herauskristallisieren, das im Mittelpunkt des Bewältigungshandelns steht“ (S. 138): Dieses reicht von der „Sozialen Ausgrenzung“ (S. 138), über dem „Mangel an sozialer Anerkennung“ (S. 140) bis hin zum „öffentlichen Diskurs“ (S. 142) (z. B. Stereotypen, Zuschreibungen, Vorurteile, Rechtfertigungszwänge). Nachdem sich der erste Teil des sechsten Kapitels mit den ‚Bewältigungsstrukturen‘ befasst hat, bezieht sich der zweite Teil auf das ‚Bewältigungshandeln‘. Die unterschiedlich herausgearbeiteten Bewältigungsformen unterteilen die Autorinnen noch einmal in konkrete Handlungen und „nicht-aktionale“ Erklärungsmuster. Folgen und Bedeutungen dieser gelingenden oder misslingenden Bewältigungshandlungen werden in Kap. 6.3 thematisiert, in dem ihre Passungsfähigkeit in Bezug auf gesellschaftliche Strukturen diskutiert wird. Zum Abschluss entwerfen die Autorinnen „Perspektiven für die Soziale Arbeit“: Einerseits werden „Unterstützung zur Herstellung von partizipativen und anerkennenden Passungsverhältnissen“ (S. 152), andererseits zukünftige Herausforderungen der Sozialen Arbeit (S. 158) im Feld von „Migration, Armut und Bewältigung“ verhandelt.

Fazit:

Insgesamt eröffnet die Studie einen spannenden qualitativen Zugang zum Thema Armut, Migration und Bewältigung. Die Autorinnen haben das eher theoretisch angelegte Modell der ‚Lebensbewältigung‘ nach Böhnisch empirisch gewendet.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich die Studie sowohl für Wissenschaftler/innen als auch für Studierende der Erziehungswissenschaft eignet, die sich mit Fragen von Bewältigungshandeln und -strukturen im Horizont der Sozialen Arbeit befassen wollen.