1 Sammelrezension zu

  1. 1.

    Catharina Bjørkquist: Stakeholder Regimes in Higher Education – Old Ideas in New Bottles? Münster: Waxmann 2010. 233 S. ISBN 978-3-8309-2440-1. Preis: 34,90 €.

  2. 2.

    Otto Hüther: Von der Kollegialität zur Hierarchie? Eine Analyse des New Managerialism in den Landeshochschulgesetzen, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010. 488 S. ISBN 978-3-531-17501-0. Preis: 59,95 €.

  3. 3.

    Ingrid Lohmann/Sinah Mielich/Florian Muhl/Karl-Josef Pazzini/Laura Rieger/Eva Wilhelm (Hrsg.): Schöne neue Bildung? Zur Kritik der Universität der Gegenwart. Bielefeld: Transcript 2011. 239 S. ISBN 978-3-8376-1751-1. Preis: 25,80 €.

Die Hochschulforschung hat aufgrund ihrer interdisziplinären Ausrichtung eine große Vielfalt methodischer Zugangsmöglichkeiten. Während längere Zeit insbesondere quantitative Studien publiziert wurden, finden sich zunehmend qualitative und textanalytische Arbeiten, die das Forschungsfeld bereichern. Aktuell befassen sich vermehrt Arbeiten mit der inneren Organisation der Hochschulen.

Die hier zu besprechenden Publikationen von Bjørkquist und Hüther sind zwei Beispiele dafür. Bjørkquist und Hüther wählen jeweils verschiedene methodische Zugänge, um zu untersuchen, wie Hochschulen durch ihr organisationales Umfeld beeinflusst werden. Während bei Hüther die Landeshochschulgesetze den empirischen Gegenstand darstellen, wählt Bjørkquist die Methode der Fallstudie. Beide zeigen eindrücklich, dass eine Betrachtung der Organisation Hochschule nicht ohne Einbeziehung der vielfältigen Einflüsse, die von außen wie auch von innen einwirken, beforscht werden kann. Der Sammelband von Lohmann et al. zeigt, wie kritisch die derzeitigen Reformprozesse von Mitgliedern der Hochschulen betrachtet werden.

Bjørkquist, Stakeholder Regimes in Higher Education – Old Ideas in New Bottles?

Mit norwegischen Universitäten befasst sich in Deutschland niemand. Das ist schade, denn wer Bjørkquists Arbeit, eine 2009 an der schwedischen Karlstad Universität verfasste Dissertation, liest, bedauert dies. Gegenwärtig werden in der deutschen Hochschulforschung vorwiegend Themen beforscht, die sich um inländische Problemstellungen drehen. Der Blick nach Norwegen zeigt, wie ähnlich die Herausforderungen und Veränderungen sind, denen sich die Hochschulen gegenwärtig stellen müssen.

Der Fokus des Buches liegt auf den sogenannten „Stakeholdern“ der Hochschulen. Während in Deutschland unter diesem Aspekt vor allem die seit den 1990er-Jahren eingeführten Hochschulräte, externe Stakeholder, untersucht werden, geht es in diesem Buch auch um interne Stakeholder, wie die Professoren. Das Konzept des Stakeholders findet seinen Ursprung in den Wirtschaftswissenschaften, aber auch in den Sozialwissenschaften ist es mittlerweile weit verbreitet. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass nicht nur die „Shareholder“ bei (Unternehmens-)Entscheidungen Berücksichtigung finden sollten, sondern auch die Betroffenen – die „Stakeholder“.

Die Autorin definiert Stakeholder als „a person or entity with legitimate interests in higher education and which, as such, acquires the right to intervene“ (S. 30). Darauf aufbauend entwickelt sie im theoretischen Teil der Arbeit vier Stakeholder-Regime (welfare, expert, bargaining und entrepreneurial). Mit diesen untersucht sie die forschungsleitende Frage „what changes can be observed in stakeholder regimes between the 1960s and the present and what are the consequences of these changes for stakeholder influence in Norwegian higher education institutions?“ (S. 16).

Diese Frage erfordert ein empirisches Vorgehen. Bjørkquist untersucht in zwei ausführlich recherchierten Fallstudien die Universität Oslo und das Telemark University College. Mit der Fallauswahl zeigt sie Mut, denn es handelt sich hier nicht um einen Vergleich zweier Universitäten, sondern einer Universität mit einer Art Fachhochschule, einer alten, traditionsreichen mit einer neu gegründeten Hochschule und ein Vergleich zwischen Stadt und Land. Die Rekonstruktion der Fälle beginnt 1965 und endet 40 Jahre später, im Jahr 2006. In Anlehnung an den historischen Institutionalismus betrachtet sie auch die Pfadabhängigkeiten, also Kontinuität und Wandel von Politikentscheidungen auf die jeweiligen Hochschulen.

Das entrepreneurial Regime ist in beiden untersuchten Fällen das Stakeholder-Modell, welches sich gegenwärtig durchsetzt und stark seitens der norwegischen Hochschulpolitik mittels Reformen durchgesetzt wird. Der Glaube an Wettbewerb, die Forderung nach Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen sowie das zunehmend im öffentlichen Diskurs verbreitete Verständnis der Hochschulen als Dienstleister sind damit verbunden. Doch das ist, wie die Autorin es nennt, alter Wein in neuen Schläuchen. Zusammenarbeit mit externen Stakeholdern, wie der lokalen Wirtschaft und öffentlichen Einrichtungen, gab es bereits in den 1960ern als norwegische Universitäten staatlich gesteuert wurden (welfare regime). Insbesondere das ländliche Telemark University College wurde aus diesen Gründen (Ausbildung von Personal für die ansässige Privatwirtschaft, Industrie und öffentliche Einrichtungen) überhaupt erst gegründet. Die ebenfalls in den 1960ern einsetzende Mitbestimmung von internen Stakeholdern war zu Beginn wie auch in der Gegenwart vor allem eine Mitbestimmung der Professoren. Anfangs begründet durch deren Expertise (expert regime), später als Teil der Demokratisierung der Hochschulen (bargaining regime) hin zu einem Regime derjenigen, die nicht nur akademische Meriten aufweisen, sondern auch Managementaufgaben wahrnehmen können (entrepreneurial regime).

Die Fallstudie zeigt deutlich, wie stark beide Hochschulen von politischen Reformtrends beeinflusst werden und daher ähnliche Entwicklungsschritte nehmen. Offensichtlich wird auch, dass die gegenwärtigen Herausforderungen und Reformschritte nichts exklusiv Deutsches sind. Management und Professionalisierung von Hochschulen ist ein gegenwärtiger Trend, der jedoch, wie Bjørkquist zeigt, herzlich wenig an den internen Organisationsstrukturen der Universitäten ändert. Das Buch sei allen empfohlen, die gerne einen Blick auf die höheren Bildungseinrichtungen anderer Länder werfen. Darüber hinaus ist das Buch eine spannende Lektüre für all diejenigen, die gründlich recherchierte und plausibel argumentierende Fallstudien zu schätzen wissen.

Hüther, Von der Kollegialität zur Hierarchie. Eine Analyse des New Managerialism in den Landeshochschulgesetzen.

Wer liest schon gerne Hochschulgesetze? Kaum jemand. Gilt doch die Lektüre von Gesetzestexten als durchaus dröge, wenn nicht gar quälend und wenig ertragreich für Nicht-Juristen. Anders stellt sich das im vorliegenden Buch von Otto Hüther dar, das auf seiner Dissertation beruht, die er 2010 an der Universität Hamburg eingereicht hat. Darin befasst er sich mit den gegenwärtig gültigen Landeshochschulgesetzen und erschließt sie für die Sozialwissenschaften. Hüther untersucht, ob eine Ersetzung der kollegialen Strukturen der universitären Mitbestimmung an Universitäten durch hierarchischere, manageriale Führungsstrukturen an Universitäten in eine Machtkonzentration in den Präsidien mündet.

Zwei Perspektiven nimmt Hüther dabei in den Blick: Die Governance der Universitäten und die Landeshochschulgesetze. In den Sozialwissenschaften ist Governance ein aktuell breit diskutiertes Konzept. Hüther verfolgt es, da die Governanceperspektive es ermöglicht, „die Gesamtheit der institutionellen Regelungsarrangements und ihre jeweiligen Wirkungen in Bezug auf die Akteure“ (S. 87) in den Vordergrund zu rücken. Er fasst darunter interne wie externe „Regelungspotentiale“ (ebd.). Für die Analyse der Gesetzestexte greift er auf Governancemechanismen wie Gemeinschaft, Verhandlung, Polyarchie und vor allem Hierarchie zurück, um zu prüfen, inwiefern diese dort verankert sind. Mithilfe des Begriffs der Governance gelingt ihm der Brückenschlag zu den Sozialwissenschaften, was erklärt, weshalb man plötzlich gerne die Analyse von Hochschulgesetzen liest.

Bevor es zum Kern der Arbeit, der Analyse der Landeshochschulgesetze, geht, spürt Hüther der Frage nach, um was für eine Organisationsform es sich bei Universitäten handelt. Er findet „deutliche Unterschiede zwischen Universitäten und anderen Organisationen“ (S. 160), denn „formale Regelungen und hierarchische Entscheidungen in Universitäten [haben] nur begrenzte Auswirkungen auf den operativen Kern“ (S. 163). Daraus folgert er, dass der Einsatz von Regelungen, Hierarchie u. ä. an Universitäten „problematisch und mit dem Risiko des Scheiterns“ (ebd.) verbunden ist.

Die Analyse der Landeshochschulgesetze zeigt, dass es kein bundesweit einheitliches Modell der Kompetenzzuweisung an die Akteure Wissenschaftsministerium, Hochschulrat, Hochschulleitung und akademischer Senat gibt. Damit stellt sich Hüther gegen die Vielzahl der Publikationen zum New Public Management an Hochschulen, die genau dies suggerieren. Die Reformen im Hochschulrecht und den Landeshochschulgesetzen haben zwar zu einer stärkeren Hierarchisierung der Entscheidungswege geführt, doch die kollegialen Gremien der universitären Selbstverwaltung sind weiterhin involviert und können nicht übergangen werden. Von einer hierarchischen Steuerung der Universitäten kann auch aus rechtlicher Sicht nicht gesprochen werden. Aber einige Veränderungen, wie die Wahl- und Abwahlregelungen von Universitätspräsidenten, zeigen durchaus Erosionen. Akademische Selbstverwaltung ist geschwächt, aber nicht verdrängt worden.

Sozialwissenschaftliche und juristische Hochschulforschung werden in dieser gelungenen Arbeit großartig zusammengeführt. Plötzlich sind rechtliche Entscheidungsverflechtungen und Kompetenzzuweisungen ein spannender Forschungsgegenstand. Hüther argumentiert plausibel und überzeugend. Trotz des sperrigen empirischen Gegenstandes „Hochschulgesetze“ gelingt es ihm, dass die Sozialwissenschaft sich nun fragen muss, weshalb erst jetzt dieser Zugang gewählt wurde. Diese Arbeit ist ein bislang einzigartiger Kontrast zu den ansonsten dominierenden quantitativen und qualitativen Studien der Hochschulforschung und erst recht zu den zahlreichen, zuweilen polemisch formulierten, diskursiven Beiträgen zuder Universität.

Zu empfehlen ist dieses Buch allen, die sich mit Hochschulen in Deutschland befassen. Insbesondere auch Personen, die direkt von den Reformen der Landeshochschulgesetze betroffen sind, sowohl auf der Ebene der Verwaltung als auch in den Reihen der forschenden und lehrenden Hochschulmitglieder. Unentbehrlich ist dieses Buch für diejenigen, deren Forschungsthema die Universitäten in Deutschland sind.

Lohmann et al. (Hrsg.), Schöne neue Bildung? Zur Kritik der Universität der Gegenwart.

Der Sammelband bewegt sich im gegenwärtig politisch aufgeladenen Diskurs um die Hochschulen. Er entstand als Tagungsband, was zugleich erklärt, dass die Artikel in einem eher losen Zusammenhang zueinander stehen. Die Herausgeber verstehen das Buch als Beitrag „zur Fortsetzung der weiteren Politisierung der Debatte über die Entwicklung der Hochschulen“ (S. 13) – und als solcher sollte er auch gelesen werden. Es sind hier weniger die Ergebnisse der mittlerweile etablierten empirisch fundierten Hochschulforschung versammelt, sondern Beiträge, die die verschiedenen disziplinären Zugänge zum Forschungsgegenstand Universität verdeutlichen. Bildungshistorische Beiträge finden sich hier ebenso wie politikwissenschaftliche, philosophische und vor allem auch erziehungswissenschaftliche. Verfasser sind hier, das ist erfreulich, auch Studierende.

Die Beiträge des Sammelbands sind in vier Gruppen untergliedert: „Schöne neue Bildung“, „Kritische Analysen zum Struktur- und Funktionswandel der Universität“, „Reflexion über Idee und Aufgabe der Universität“ und „Bologna-Prozess: Umgangsweisen, Kritik und Perspektiven“. Alle vier Themencluster stoßen in die gleiche Richtung: Die gegenwärtigen Veränderungen an deutschen Universitäten sind zu kritisieren, wenn nicht gar abzulehnen. Einige der hier versammelten Beiträge untermauern dies durchaus argumentationsstark. Wer zwischen den Zeilen liest, erkennt die starke Verhaftung der Autoren mit den Idealisierungen der Universität, verstanden als Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden. Insbesondere bei Thematisierung der Studierenden wird klar: Eigentlich will hier niemand die Studierenden als Kunden verstehen, sondern doch lieber als Mitglieder der Universität mit eigenen Gestaltungsspielräumen.

Der Sammelband stellt in vielen Beiträgen die Universität nicht isoliert dar, sondern bettet sie ein in das nationale wie internationale Bildungssystem. So wird der selektive Zugang zu Universitäten, durch soziale Selektion im Schulsystem und weitere Selektionsprozesse in den Hochschulen selbst, ebenso kritisch thematisiert (u. a. ausführlich bei Himpele, S. 169 ff.), wie die internationalen Akteure, z. B. die OECD, die die „Kommodifizierung“ (Ptak, S. 115 ff.) der Bildung maßgeblich mit vorantreiben. Überhaupt treibt die meisten Autoren die Kritik an der „(neo-)liberalen Politik“ um, die in erster Linie für die Missstände gegenwärtiger Hochschul-Reformen verantwortlich gemacht wird.

Zugleich wird im abschließenden Themenblock rund um den Bologna-Prozess sehr deutlich, wie groß die Enttäuschung der Beteiligten (Professoren, die bei der Umsetzung mitgewirkt haben) und der Betroffenen (Studierende in den gestuften Studiengängen) ist. Die Erwartungen und Hoffnungen, die mit der Umstellung der durchaus mit vielfältigen Problemen behafteten Magister- und Diplomstudiengänge auf Bachelor und Master verbunden waren und die beinahe vergessen sind, werden in vielen Beiträgen vor Augen geführt (sehr eindrücklich bei Schuck, S. 189 ff. und bei Arnold, S. 195 ff.). Dies gibt den Lesern einen guten Eindruck der realen und praktischen Probleme, die mit der Lehre und dem Studium an der Universität der Gegenwart verbunden sind.

Dieser Sammelband hat seinen Wert darin, dass er zu denen gehört, die einen Kontrapunkt gegenüber den Arbeiten setzt, die sich mit Detailforschungsfragen über Universitäten befassen. Die darin versammelten Beiträge zeigen nicht nur, wie vielfältig die disziplinären Zugänge zum Thema Universität sind, sondern auch wie politisiert und teilweise emotionsgeladen die Diskurse geführt werden (können). Das Buch kann einem breiten Leserkreis empfohlen werden, insbesondere auch Studierenden, die erste Einblicke in die Debatte um die „Universität der Gegenwart“ gewinnen wollen.