Christian Stadler, Falko von Ameln, Hannes Krall (Hrsg.) (2022): Supervision. Sonderheft 14 der Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie. Heidelberg: Springer, 215 S.

Wie bereichernd sind Beiträge einer psychodramatischen Fachzeitschrift zum Thema Supervision für die allgemeine Fachwelt und wie viel neue Impulse liefern sie für die eigene Klientel, also psychodramatisch fundierte Supervisorinn:en? Dieser Leitfrage sind wir gefolgt, als wir zu dieser Rezension angefragt wurden. Als erfahrene Supervisorinnen mit unterschiedlicher psychodramatischer Expertise haben wir die 16 Beiträge dieses Sonderheftes gelesen, mehrmals diskutiert und auf ihre Aussagen für die Supervisionswelt hin untersucht.

Besonders positiv ist uns ins Auge gefallen, dass sich einige Artikel explizit mit der gesellschaftlichen Verantwortung in der Arbeit als Supervisor:innen auseinandersetzen und somit u. E. für die gesamte Fachwelt Gültigkeit haben. Ferdinand Buer greift Jakob Levy Morenos frühe Gedanken auf und führt aus, dass wir als Supervisor:innen vielleicht nur einen kleinen Beitrag leisten können. „Der jedoch ist besonders relevant. (…) Denn der Zustand des Gemeinwohls in einer Gesellschaft wird eben nicht nur durch finanzielle oder institutionelle Hilfen des Staates beeinflusst, sondern auch durch die direkte psychosoziale Beziehungsarbeit mit Menschen durch Professionelle.“ Die im Verfahren Psychodrama verankerte Ethik und Haltung werden von Buer gut nachvollziehbar dargestellt. Peter Wertz-Schönhagen hinterfragt in seinem Beitrag „Prozesse der Professionalisierung in Kindertageseinrichtungen und die Rolle des Supervisors“ kritisch die laufende Ökonomisierung von Supervision – ein sehr lesenswerter Beitrag für alle, die Supervision in der Elementarpädagogik anbieten. Susanne Kunz Mehlstaub veranschaulicht in „Psychodrama und Soziodrama“, wie gesellschaftliche Dimensionen während der Bearbeitung einer Fragestellung in einer Teamsupervision soziodramatisch miteinbezogen werden können.

Auf kompakten 12 Seiten hat Ferdinand Buer seine methodisch-theoretische Einführung zur Theorie psychodramatischen Arbeitens in der Supervision zusammengefasst. Mit den von ihm begründeten Strukturbegriffen bietet er Anfänger:innen wie auch Expert:innen im Supervisionsgeschäft wieder auf wenigen Seiten Orientierung und Sicherheit. Wir waren uns einig: Absolut lesenswert! Karin Heming veranschaulicht in „Beziehungsgestaltung in der Supervision“ die verschränkte Arbeit innerer und äußerer Entwicklung anhand psychodramatischer Konzepte. Dieser Beitrag ist von allgemeingültigem Interesse, ebenso wie der Beitrag von Inge-Marlen Ropers über den Einfluss eines realen Raumes auf Supervisions- und Coachingprozesse: „Räume wirken auf unsere Sinne. Unsere Kreativität kann durch einen Raum beflügelt oder eingefroren werden.“ Wie sich dies im virtuellen Raum verhält und welche psychodramatischen Techniken hier eingeschränkt eingesetzt werden können, vermitteln zwei Beiträge (Christian Stadler und Andrea Meents). Viele konkrete Anregungen enthält der Artikel von Angela Christoph zur „Erwärmung in der psychodramatischen Supervision“, wobei hier wie auch bei den Beiträgen von Stadler und Meents eine psychodramatische Expertise für eine solide Umsetzung notwendig ist. Wer auf der Suche nach einer projektiven und kreativen Supervisionsmethode ist, wird bei Anna Chesner fündig. Sie verbindet in ihrem englischsprachigen Beitrag das Konzept der Seven Step Relationship Sequence mit einem Bildkartenverfahren.

Dem Themenfeld Forschung und Entwicklung widmen sich drei Beiträge und gehen den Fragen nach, welchen Mehrwert psychodramatische und soziometrische Arrangements in der Supervision leisten können (Hannes Krall), was als „Markenzeichen“ psychodramatischer Supervision verstanden werden kann (Bärbel Kress, Irene Gratzer, Cameron Paul, Sieglinde Rameder, Christian Stadler) und was der Stand der Wirkungsforschung zur Supervision von Psychotherapeut:innen und Coaches ist (Alessa Müller, Jannik Zimmermann, Heidi Möller).

Wer selbst Lehr- und/oder Kontrollsupervisor:in ist oder Ideen für die Gestaltung einer Intervisionsgruppe sucht, findet in diesen Artikeln Anregung: Kersti Weiß fokussiert in „Entwicklungen von Praxis, Person und Profession als kontinuierlicher Prozess“ das Modell der Wechselwirkung von beruflicher Rolle, Organisation, Mitarbeitenden und Klient:innen als Reflexionsmodell für angehende Kolleg:innen. Helmut Schwehm listet kritische Fragen zur Weiterentwicklung des Formats Lehr- und Kontrollsupervision auf, während eine Gruppe österreichischer Supervisor:innen (Ernst Silbermayr, Sabine Kern, Andrea Prokop-Zischka) eindrucksvoll ihre Erfahrungen in einer seit 20 Jahren bestehenden psychodramatischen Intervisionsgruppe beschreiben und dieses Format uns allen ans Herz legen.

Anlässlich des 75. Geburtstages von Ferdinand Buer würdigt Christian Stadler mit einem Interview den Doyen der psychodramatischen Supervision für seine jahrzehntelange Entwicklungsarbeit. Persönlich, fachlich, bodenständig gibt Buer Auskunft über seinen Lebensweg und über die Entstehungsgeschichte seiner Konzeptionen und Strukturtheorien einer psychodramatisch fundierten Supervision. Und noch einmal räumt er mit den eigenen Begrifflichkeiten auf und plädiert in diesem Sonderheft dafür, von nun an statt von psychodramatischer Supervision von szenisch-kreativer Supervision zu sprechen. Warum? – Lesen Sie selbst!