Nicht nur Hypertonie und Vorhofflimmern, auch die Nebenniereninsuffizienz wird mit zunehmendem Alter häufiger. Fortschritte in der Krebstherapie tragen ihren Teil dazu bei.

Eine primäre Nebenniereninsuffizienz (NNI) ist nicht besonders häufig, aber sie wird gerne übersehen. Der Hauptgrund dafür ist, dass viele Symptome - Müdigkeit, Gewichtsabnahme, Magen-Darm-Beschwerden, Muskel- und Gelenkschmerzen - sehr unspezifisch sind, insbesondere dann, wenn die typischen Morbus Addison Symptome (Hyperpigmentierung und Hypotonie) nicht oder noch nicht vorliegen.

Bei Checkpoint-Inhibitoren aufpassen!

Ältere Menschen sind deutlich öfter von einer primären NNI betroffen als jüngere. Das liegt gar nicht so sehr an der Alterung der Nebenniere an sich, sondern vor allem daran, dass viele ursächliche Faktoren für die primäre NNI altersassoziiert sind. Aktuell nehme dieses Problem zu, sagte Prof. Marcus Quinkler, niedergelassener Endokrinologe in Berlin.

Der Grund ist die Krebstherapie, konkret die immer häufigere Behandlung mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Diese können eine primäre NNI auslösen: „Wir müssen bei Patientinnen und Patienten, die diese Medikamente bekommen und passende Symptome haben, unbedingt an die NNI denken“, erklärte Quinkler bei der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden.

figure 1

© SciePro / stock.adobe.com

Eine Nebenniereninsuffizienz wird häufig übersehen.

Das zweite, was die primäre NNI im Alter häufiger macht als in jungen Jahren, ist die Assoziation mit Infektionen. Tuberkulose ist dabei der Klassiker. Aber auch Herpesviren können die primäre NNI auslösen, vor allem bei Immundefizienz. Haemophilus influenzae schafft das auch manchmal. Auch hier gilt, dass bei entsprechenden Beschwerden im Kontext einer Infektionserkrankung im Alter an die Nebenniere gedacht werden sollte, zumal sich das dann vergleichsweise gut behandeln lässt.

Opioid-induzierte NNI: Morgen-Cortisol ist zu oft falsch positiv

Checkpoint-Inhibitoren erhöhen auch das Risiko für eine sekundäre NNI, also jene Form der NNI, bei der das Problem auf Ebene des Hormons ACTH beziehungsweise der Hypophyse liegt. Während die primäre NNI eine Prävalenz von 10 bis 20 pro 100.000 Einwohnende hat, ist die sekundäre NNI gut zwei- bis dreimal häufiger. Bei den Checkpoint-Inhibitoren geht der Weg zur sekundären NNI über eine Hypophysitis.

Es gibt bei der sekundären NNI aber noch eine problematischere Medikamentenklasse als die Checkpoint-Inhibitoren, nämlich die Opioide. „Etwa neun bis 15 Prozent aller Patientinnen und Patienten mit chronischer Opioid-Therapie entwickeln eine sekundäre Nebenniereninsuffizienz“, meint Quinkler.

Die genaue Häufigkeit hängt ein wenig davon ab, welcher Cortisol-Cutoff im ACTH-Test verwendet wird. Unstrittig sei aber, dass es sich um ein häufiges Problem handele.

Messung des Plasma-Cortisols ist nicht besonders hilfreich

Bei der Diagnostik der Opioid-induzierten NNI, das hat vor Kurzem eine Studie deutlich gezeigt, ist die beliebte morgendliche Messung des Plasma-Cortisols nicht besonders hilfreich. In der Studie hatten 64% der Patientinnen und Patienten mit einem Morgen-Cortisol <83 nmol/l einen normalen ACTH-Test. Das Morgen-Cortisol sei bei älteren Menschen kein guter Suchparameter, sagte Quinkler. Das liege unter anderem daran, dass die Hypophysen-Nebennieren-Achse im Alter insgesamt träger werde: „Machen Sie gleich den ACTH-Test“, riet der Endokrinologe.

basierend auf: 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 13.-16. April 2024