Verzögerte Krebsdiagnosen können schwere Folgen haben. Was dazu beiträgt, dass in der hausärztlichen Sprechstunde zu spät oder gar nicht an Krebs gedacht wird, wurde in einer internationalen Studie untersucht.

1. Die Angaben deuten nicht auf Krebs hin

Die Symptome waren untypisch für Krebs oder erfüllten die Kriterien für eine andere Diagnose; etwa wurden Halsschmerzen während der Pandemie fälschlicherweise als Symptome einer Atemwegsinfektion interpretiert. Es gab auch Fälle, in denen Personen wenig über ihre Symptome sprachen oder damit aufhörten, sodass der Eindruck entstand, diese seien verschwunden.

2. Faktoren, die vom Krebsverdacht ablenken

Labortests und körperliche Untersuchungen, die unauffällig waren oder eine andere Diagnose zu bestätigen schienen, verringerten den Krebsverdacht, genauso wie Symptome seltener Krebserkrankungen. Auch eine Besserung der Symptome war irreführend. Wer früher bereits ähnliche Symptome gehabt hatte oder sehr oft in die Praxis kam, wurde häufig weniger ernst genommen. In manchen Fällen dominierten auch andere Erkrankungen.

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Hausärzte und -ärztinnen spielen eine Schlüsselrolle bei der Krebserkennung.

3. Zögern der Patientinnen und Patienten schiebt die Diagnose hinaus

Hausarztmangel führte dazu, dass Patienten und Patientinnen die vorhandenen Ressourcen nicht beanspruchen wollten. Andere waren nicht mobil genug, um weiter entfernte Untersuchungen wahrzunehmen. Weitere Hindernisse waren mangelnde Screening-Bereitschaft oder soziale Schwierigkeiten, die von der eigenen Gesundheit ablenkten.

4. Systemfaktoren behindern rechtzeitige Diagnose

Stress, Überlastung und Zeitmangel führten zu Fehlentscheidungen. Lange Wartezeiten auf Testergebnisse oder Zweitmeinungen verzögerten die Diagnose. Manchmal war unklar, wer für den nächsten Schritt verantwortlich war, etwa wenn Primär- und Sekundärversorgung involviert waren. Auch mangelnde Erfahrung trug dazu bei, dass Symptome falsch interpretiert wurden.

5. Fehler von Ärzten und Ärztinnen

In manchen Fällen beschrieben die Ärzte ihre Anamnese oder Untersuchung als unzureichend oder berichteten über einen auf eine einzelne Diagnose konzentrierten Tunnelblick. Sie hatten Nachuntersuchungen vergessen oder auf auffällige Testergebnisse nicht reagiert, etwa bei Werten, die häufiger außerhalb des Normbereichs lagen. Manche orientierten sich an einer falschen Facharztmeinung oder hinterfragten es nicht, wenn Patienten Symptome für harmlos hielten.

6. Kommunikationsprobleme erschweren die Diagnose

Häufig waren Fehler auf schlechte Kommunikation zurückzuführen. Eine Schwierigkeit lag darin, durchsetzungsfähig und informativ zu sein, ohne Patienten unnötig zu beunruhigen. Berichte aus der Radiologie waren mitunter unübersichtlich und ohne klare Handlungsempfehlungen, sodass wichtige Informationen übersehen wurden. Auch mangelhafte Kenntnisse der Landessprache waren ein Problem.

Verbesserungspotenzial

"Die Studie identifizierte sechs übergeordnete Themen, die angegangen werden müssen. Dies sollte die Morbidität und Mortalität von Personen reduzieren, bei denen es zu einer vermeidbaren Verzögerung bei der Krebsdiagnose kommt", fassen Prof. Senada Hajdarevic von der Universität Umeå, Schweden, und ihr Team zusammen. Sie plädieren für krebsspezifische Schulungen für Hausärzte, für Möglichkeiten, sich über Erfahrungen mit verzögerten Krebsdiagnosen auszutauschen, sowie für Maßnahmen, die die hohe Arbeitsbelastung, die Kommunikation zwischen Primär- und Sekundärversorgung und Wartezeiten für Tests und Gutachten adressieren.

Hajdarevic S et al. A qualitative study. BJGP Open 2023